Donald Tusk in Berlin:"Es gibt keine Alternative zur Nato"

Lesezeit: 3 min

Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident, und Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagabend in Berlin. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

In Polen lösen Trumps Worte zur Nato Sorgen aus. Premier Tusk sendet bei seinem Besuch in Paris und Berlin eine doppelte Botschaft: Amerikas Bündnispartner müssen sich vorbereiten, dürfen die Allianz aber nicht abschreiben.

Von Daniel Brössler, Berlin

Polens neuer Ministerpräsident Donald Tusk hat schon viel erlebt und viel gesehen. Als Donald Trump 2017 zum ersten und womöglich nicht zum letzten Mal ins Weiße Haus einzog, war Tusk Ratspräsident der Europäischen Union. Damals bezeichnete der Pole Trump als "Gefahr für Europa". Das sollte sich bewahrheiten. Trump verwickelte die EU in Handelsscharmützel und spielte offen mit dem Gedanken eines Nato-Austritts. Nun muss sich Tusk damit auseinandersetzen, was eine Wiederwahl Trumps für Europa und insbesondere auch für Polen bedeuten würde. Sein Land grenzt an die russische Exklave Kaliningrad, im Falle einer russischen Aggression gegen Nato-Gebiet befände es sich an vorderster Front. Naturgemäß gehört Polen nun zu den Ländern, in denen die jüngsten Drohungen Trumps besondere Erschütterung ausgelöst haben. "Trump fordert direkt die Übergabe Europas an Putin", konstatierte Innenminister Marcin Kierwiński. "Wir müssen die Politiker und Gesellschaften Europas wachrütteln", forderte Tusk. Nötig sei eine gemeinsame Verteidigungspolitik.

Die unverhohlene Einladung Trumps an den russischen Gewaltherrscher Wladimir Putin, europäische Nato-Länder zu überfallen, prägte am Montag die Antrittsbesuche Tusks in Paris und danach in Berlin. "Europa muss ein starker Kontinent werden", forderte Tusk in Paris. Polen wie Frankreich müssten in der Lage sein, sich zu verteidigen. Die neue liberal gesinnte Regierung in Warschau will nach Jahren der Obstruktion durch die nationalistische PiS zurückkehren zur europäischen Zusammenarbeit und auch zur Kooperation im sogenannten Weimarer Dreieck Polens, Deutschlands und Frankreichs. Am Montag trafen sich die Außenminister der drei Länder in La Celle-Saint-Cloud. Tusk betonte: "Es gibt keine Alternative zur EU, zur transatlantischen Zusammenarbeit, zur Nato." Wie anderen europäischen Politikern geht es Tusk um eine doppelte Botschaft: Europa soll sich vorbereiten auf Trump, aber die Nato nicht abschreiben.

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Er steigert seine Rhetorik gegen die Verbündeten und ermuntert Russland, mit säumigen Nato-Alliierten zu tun, "was es tun will". Dies sollte in Europa endlich zu Konsequenzen führen.

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"Diese Äußerungen sind verantwortungslos", sagt der Bundespräsident

So bekannt Trumps Aversion gegen Europa und die Nato ist, haben seine Worte Politiker europaweit doch aufgeschreckt. "Diese Äußerungen sind verantwortungslos und spielen sogar Russland in die Hände", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während eines Besuchs in der zyprischen Hauptstadt Nikosia. Daran könne "niemand in unserem Bündnis ein Interesse haben". Die Nato könne kein Militärbündnis "à la carte" sein, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Das Militärbündnis könne nicht von der Laune des US-Präsidenten abhängen und nicht nach der Devise "Jetzt ja, morgen nein" funktionieren. Das Bündnis existiere, oder es existiere nicht.

Die Bundesregierung verwies darauf, dass sie sich dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato verpflichtet fühle. Deutschland war viele Jahre lang deutlich unter der Zielmarke geblieben, zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben, will sie aber in diesem Jahr mithilfe des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens einhalten. Etliche Länder verfehlen das Ziel aber nach wie vor und würden so in der Logik Trumps den in Artikel 5 des Nato-Vertrages festgeschriebenen Beistand verwirken. Der Vorsitzende der Atlantik-Brücke und frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte, Deutschland und Europa hätten sich nicht ausreichend auf eine Wiederwahl von Trump vorbereitet. Nach der Wahl von Joe Biden habe man sich "den Schweiß von der Stirn gewischt und gedacht: Gott sei Dank". Gabriel selbst war als Außenminister in den Jahren 2017 und 2018 noch vehementer Gegner des Zwei-Prozent-Ziels gewesen.

Ein paar Stunden vorher in Paris: Tusk bei Emmanuel Macron. (Foto: Aurelien Morissard/dpa)

Weitgehende Einigkeit herrscht nun, dass die Europäer unabhängig vom Wahlausgang in den USA mehr für die eigene Verteidigung tun müssen. Die Europäer müssten ihre "Hausaufgaben machen", sagte der Chef der am Wochenende tagenden Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. "Wir müssen unseren Beitrag zur Sicherheit des atlantischen Bündnisses leisten", forderte er. Das sei das "A und O".

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Das sieht auch Polens Ministerpräsident Tusk so. Nach seinem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagabend in Berlin bezeichnete er die Worte Trumps als "kalte Dusche für alle, die immer noch die reale Gefahr auf die leichte Schulter nehmen, der Europa ausgesetzt ist". Die Verteidigungsanstrengungen zu erhöhen, sei eine Notwendigkeit - "nicht, weil Donald Trump das sagt, sondern objektiv". Polen überschreite die Zwei-Prozent-Marke schon seit geraumer Zeit. Er werde alle Partner ermahnen, das Ziel ebenfalls zu erreichen, sagte Tusk. "Es gibt überhaupt keinen Grund, warum die Europäische Union militärisch schwächer sein sollte als Russland", betonte er.

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Der ehemalige US-Präsident will nach eigenen Angaben Nato-Partnern, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, keinen Schutz vor Russland gewähren.

Deutschland werde die Nato-Quote "für alle Zeit" erfüllen, sagt der Kanzler

Scholz verwies darauf, dass auch Deutschland die Nato-Quote in diesem Jahr erreichen werde. Und das "für alle Zeit", wie er bekräftigte. Deutschland werde damit die höchsten Verteidigungsausgaben in Europa haben. "Das ist auch richtig so, aber das ist eine erhebliche Steigerung gegenüber dem, was früher investiert worden ist", betonte Scholz. Er gehe davon aus, dass alle Nato-Länder die Vorgaben künftig erfüllen würden.

Der Kanzler wie auch der polnische Ministerpräsident betonten, dass ihrerseits auch die USA zu ihren Nato-Pflichten stehen müssten. "Das Schutzversprechen der Nato gilt uneingeschränkt. Alle für einen, einer für alle", sagte Scholz. Jegliche Relativierung der Nato-Beistandsgarantie sei "unverantwortlich und gefährlich" sowie "einzig und allein im Interesse Russlands".

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