Entsetzen, Kritik, Warnungen: Nach seinen Bemerkungen zur Nato und zu Russland erntet der ehemalige US-Präsident Donald Trump viel Gegenwind. Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber hatte während eines Wahlkampfauftrittes am Wochenende angedeutet, bei einem Angriff Russlands Nato-Partnern nicht helfen zu wollen, wenn diese ihre Verteidigungsausgaben nicht zahlten.
Aus Sicht des SPD-Außenpolitikers Michael Roth sind Trumps Drohungen eine Gefahr für die gesamte Nato. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag sieht darin einen Weckruf, verstärkt in Verteidigung zu investieren. Dem Tagesspiegel sagte Roth: "Hoffentlich wachen jetzt alle in Europa auf! Schönreden und Kopf in den Sand sind keine Strategie!". Und weiter: "Sollte Trump wirklich wieder ins Weiße Haus einziehen, ist mit allem zu rechnen. Auch mit dem Schlimmsten."
USA:Trump würde säumige Nato-Mitglieder nicht vor Russland schützen
Wenn ein Land seine Verteidigungsausgaben nicht zahle, sollten die USA es nach den Worten des Ex-Präsidenten nicht verteidigen - und Russland sogar zur Aggression ermutigen. Das Weiße Haus nennt die Bemerkungen "verrückt".
Trump hatte am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat South Carolina erklärt, der "Präsident eines großen Landes" habe ihm einmal eine Frage gestellt: ob die USA dieses Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Trump sagte, seine Antwort sei gewesen: "Nein, ich würde euch nicht beschützen." Vielmehr noch: Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen". Es war dabei unklar, ob es jemals so ein Gespräch zwischen Trump und einem Staatschef gegeben hat, denn der Republikaner sagte auch: "Nehmen wir an, das ist passiert."
Während seiner ersten Amtszeit forderte Trump von den Partnern, die 2014 beschlossene Selbstverpflichtung der Nato-Mitglieder umzusetzen und zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Deutschland erreicht dies im laufenden Jahr, wie die Bundesregierung mehrfach betonte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, dass dieses Niveau auch über 2028 hinaus gewährleistet werde. Dementsprechend fühlt sich die Bundesregierung nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann von den Drohungen des ehemaligen US-Präsidenten nicht angesprochen. "Wir sind dem Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet und entschlossen, das weiter einzuhalten", sagte sie.
"So ganz neu ist das, was er sagt, nicht. Und das Problem daran ist, da ist auch was Wahres dran."
FDP-Politiker Michael Link, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, sagte dem Tagesspiegel: "Donald Trumps irrlichternde Äußerungen zu den vertraglichen Verpflichtungen der USA im Fall des Angriffs auf ein Nato-Mitglied beweisen erneut, wie unberechenbar, skrupellos und unzuverlässig er ist."
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte, die Aussage Trumps sei wie eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Verteidigungsbündnis auf den Prüfstand zu stellen. "Der testet uns dann nicht in Deutschland, aber vielleicht im Baltikum", sagte Gabriel im Deutschlandfunk. Er erinnerte daran, dass Trump ähnliche Aussagen bereits in der Vergangenheit getroffen habe. "So ganz neu ist das, was er sagt, nicht. Und das Problem daran ist, da ist auch was Wahres dran." Es sei nicht einfach zu erklären, warum die USA mehr zur Sicherheit Europas beitrügen als die Europäer selbst, obwohl beide Volkswirtschaften ähnlich groß seien. "Trotzdem kann man so nicht mit einer Allianz umgehen", sagte Gabriel. Die USA seien die Führungsmacht der Nato.
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Ähnlich äußerte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Ein Wahlsieg Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl im Herbst würde die Nato in eine existenzielle Krise stürzen, sagte er der Bild. "Wer aus seiner Sicht nicht ausreichend zahlt, wird von den USA nicht beschützt." Deutschland müsse daher "verstehen, dass wir schon bald gar keine andere Wahl mehr haben könnten, als uns selbst zu verteidigen und das in einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht. Wir müssen das als Europäer schaffen, weil alles andere eine Kapitulation vor Putin wäre."
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, dass die Nato nicht von den Launen eines US-Präsidenten abhängen dürfe. Die Nato könne kein Militärbündnis à la carte sein, sagte Borrell.
Aus dem Kreml ist nichts zu vernehmen
Der Kreml in Moskau will sich bislang nicht zu den Bemerkungen Trumps äußern. Er sei immer noch der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, "aber nicht der von Trump", sagte der russische Präsidialamtssprecher Dmitrij Peskow.
Trumps Äußerung hat bereits am Wochenende für Empörung gesorgt. US-Präsident Joe Biden sagte laut einer Mitteilung vom Sonntagabend, Trumps Eingeständnis, Putin grünes Licht für mehr Krieg und Gewalt zu geben und seinen brutalen Angriff auf eine freie Ukraine fortzusetzen, sei "entsetzlich und gefährlich".
Nato-Chef Jens Stoltenberg warnte, jede Andeutung, dass die Staaten der Allianz sich nicht gegenseitig verteidigen würden, untergrabe die Sicherheit aller Mitglieder. EU-Ratspräsident Charles Michel kritisierte, dass "rücksichtslose Äußerungen" über die Sicherheit der Nato nur den Interessen des russischen Präsidenten Putin dienten.