COP 28:Hartes Ringen beim Klimagipfel

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Sultan al-Dschaber, Präsident der COP 28 (Foto: Hannes P Albert/dpa)

Im ersten Entwurf für die Abschlusserklärung der COP28 in Dubai ist von einem Ausstieg aus fossilen Energieträgern keine Rede mehr. Es regt sich massiver Widerstand - nicht nur gegen diese Passage.

Von Michael Bauchmüller, Dubai

Lange sah es wie die perfekt organisierte Klimakonferenz aus: gute Nachrichten am Anfang, ein ehrgeiziger Gastgeber, millionenschwere Hilfszusagen der reichen Länder. Doch jetzt ist diese Klimakonferenz nicht nur in die Verlängerung gegangen. Sie könnte komplett scheitern: Die Staaten können sich nicht darauf einigen, der Nutzung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas eine letzte Frist zu setzen. Europäer, Inselstaaten, Länder wie die USA und Brasilien fordern dies - sie wollen so zumindest die Chance erhalten, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu stabilisieren. Ölreiche Länder wie Saudi-Arabien sind dagegen.

Ursprünglich hatte auch Konferenz-Präsident Sultan Ahmed al-Dschaber das 1,5-Grad-Ziel zum Maß aller Dinge gemacht. Es gehe darum, dieses Ziel in Reichweite zu halten. "Scheitern ist keine Option", hatte al-Dschaber an die Staaten appelliert. Doch dann präsentierte er einen Vorschlag, in dem von dem schrittweisen Abschied von Kohle, Öl und Gas keine Spur mehr war. Eigentlich hätte der Klimagipfel am Dienstag enden sollen. Seither steht er kopf.

Es geht um das zentrale Ergebnis der Konferenz, die "globale Bestandsaufnahme". Nachdem in den vergangenen acht Jahren nicht annähernd genug geschehen ist, um die Emissionen auch nur zu senken, soll sie nun einen klaren Kurs für die nächsten Jahre abstecken. Die meisten Länder plädieren dafür, auch ein Auslaufen fossiler Energieträger festzuschreiben, ein phase out. Al-Dschaber selbst rühmte sich dafür, zum ersten Mal konkret über diesen Ausstieg zu verhandeln - was stimmt: Bisher machten Klimagipfel um diese Forderung stets einen Bogen.

Der erste Entwurf der Abschlusserklärung lässt alles offen

Der erste Entwurf für die Einigung dagegen lässt alle Türen offen. Förderung und Verbrauch fossiler Energieträger sollen allenfalls "gesenkt" werden, mit dem Ziel, irgendwann zur Mitte des Jahrhunderts bei netto null Emissionen zu landen. Das hieße aber, dass sich weiter Öl, Gas und Kohle fördern ließe, wenn nur die damit verbundenen Emissionen irgendwie kompensiert werden. Oder wenn das anfallende klimaschädliche Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert würde. Groß ändern würde sich erst einmal also nichts, und selbst das alles wäre freiwillig, bliebe es bei diesem Entwurf: Die Staaten können die Emissionen senken, sie müssen es aber nicht.

Doch der Widerstand ist massiv. "Wir werden nicht unser Todesurteil unterschreiben", sagt der Minister aus Samoa, Toeolesulusulu Cedric Schuster - er spricht für die Gruppe der kleinen Inselstaaten. "Wir können nichts unterschreiben, das keine starken Bekenntnisse zum Ausstieg aus fossiler Energie enthält." Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die für Deutschland verhandelt, äußert sich enttäuscht. "Wesentliche Elemente sind für uns als EU nicht akzeptabel", sagt sie. Statt Unternehmen Klarheit zu geben, dass sie auf jede fossile Investition verzichten sollten, sei selbst der Bau neuer Kohlekraftwerke mit diesem Vorschlag möglich. Das 1,5-Grad-Ziel sei so nicht zu erreichen.

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Vieles deutet auf einen Machtkampf hin, ein starker Gegenblock hat sich formiert. Dazu zählt nicht nur Saudi-Arabien, das wie andere Ölländer jeden Abschied von fossilen Energieträgern ablehnt - und das nicht erst, seit der Opec-Generalsekretär in einem Brief zum Widerstand aufgerufen hat. Auch Indien hält wenig von so einem phase out - das aber vor allem mit Blick auf die Kohle, die es noch eine Weile fördern will. Diese Länder melden sich aber bisher nicht offen zu Wort. Die Haltung Chinas ist unklar. Ein neuer Textentwurf, der am frühen Mittwochmorgen erscheint, enthält noch immer kein "phase out" - stattdessen ist da jetzt die Rede von einer Art "Übergang weg von fossilen Energieträgern". Und weder ein "kann" noch ein "soll" steht davor, sondern ein Aufruf, dazu beizutragen. Das dürfte denen, die an der vordersten Linie des Klimawandels stehen, noch immer nicht reichen.

Damit nicht genug, sind die Europäer auch an anderer Stelle in der Defensive: Ein Textbaustein rund um Hilfen, mit denen sich arme Länder besser an die Folgen des Klimawandels anpassen können sollen, sieht immense finanzielle Verpflichtungen vor. Die Europäer fürchten, dass die am Ende auf die Industriestaaten zulaufen. Sie kämpfen also an zwei Fronten. Einen Fonds zur Bewältigung von Schäden und Verlusten in armen Ländern hatten sie schon zu Beginn der Konferenz zugesagt und auch gleich mit mehreren Hundert Millionen Euro gefüllt. Das hatte zwar zum Auftakt für gute Stimmung gesorgt - in der finalen Phase der Verhandlungen kann die EU dies aber nun nicht mehr einbringen.

Schon gibt es auch unter den Europäern die ersten Stimmen, die ein Scheitern der Konferenz nicht ausschließen, sollte sich die Linie von Ländern wie Saudi-Arabien durchsetzen. Ein Ergebnis, das dem Klima nicht diene, müsse die EU ablehnen, sagte der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss der SZ. "Besser kein Ergebnis als ein schlechtes."

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