CDU und CSU:Sorgen aus dem Sauerland

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Friedrich Merz ist angesichts der Aiwanger-Flugblatt-Affäre "einigermaßen sprachlos". Für Kritik an der Ampelregierung findet der Chef der Unionsfraktion aber Worte. (Foto: Imago)

Die Spitze der Unionsfraktion tagt im Wahlkreis von Friedrich Merz und fordert einen "Pakt für Leistung", um den deutschen Wohlstand zu sichern. Die Aiwanger-Flugblatt-Affäre stört die gute Laune.

Von Boris Herrmann und Robert Roßmann, Schmallenberg

Unter den 299 Bundestagswahlkreisen ist der mit der Nummer 226 natürlich der schönste. Findet zumindest Alexander Dobrindt, denn erstens ist es sein Wahlkreis, und zweitens steht dort die Zugspitze. Nachdem es dem CSU-Landesgruppenchef im vergangenen Jahr gelungen war, die Spitze der Unionsfraktion zur Klausur auf die Zugspitze zu lotsen, hat sich die Fraktion diesmal für den Tagungsort Schmallenberg entschieden. Der liegt im Hochsauerlandkreis und damit, man ahnt es schon, im Wahlkreis des Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Auch beim Heimatmarketing gelten strenge Regeln des Proporzes zwischen den Führungskräften von CDU und CSU. Dobrindt scheint es auch daheim bei Merz gut zu gefallen, "auch wenn die Berge hier etwas kleiner sind", wie er am Donnerstag zum Auftakt der Klausur betonte.

Vermutlich hätte Dobrindt gerne noch ein bisschen länger von dem "ganz speziellen Naturerlebnis" des Sauerlandes geschwärmt. Die gute Laune wurde aber gestört von der Aiwanger-Affäre im Land der CSU. "Das ist eine höchst unschöne Situation", sagte Dobrindt in seinem Eingangsstatement. Die bisherigen Erklärungen Hubert Aiwangers zu dem antisemitischen Flugblatt reichten jedenfalls "schlichtweg nicht aus", sagte Dobrindt in Schmallenberg - das war allerdings, bevor sich Aiwanger am Donnerstag in München erklärte.

Arbeit müsse sich wieder mehr lohnen, heißt es in der "Sauerländer Erklärung"

Aiwangers Äußerungen vom Mittwoch hatten die Sache aus Sicht des CSU-Landesgruppenchefs sogar noch verschlimmert. Am Mittwoch hatte dieser gesagt, er sei "seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte - kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund". Das habe Interpretationen ermöglicht, über die er sehr irritiert sei, sagte Dobrindt.

Der für gewöhnlich sehr redefreudige Friedrich Merz zeigte sich angesichts des Flugblattes "einigermaßen sprachlos". Daran aber, dass auch er die Situation mindestens höchst unschön findet, ließ Merz keinen Zweifel aufkommen: "Ich finde es im höchsten Maße verstörend, belastend und auch erschwerend für die gesamte politische Kultur in diesem Land", sagte er.

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Eigentlich sollte es in Schmallenberg aber nicht um die Vorgänge in Bayern, sondern um die Lage in Deutschland gehen. Die Spitze der Unionsfraktion sorgt sich um den Wohlstand in der Bundesrepublik. Sie verabschiedete eine "Sauerländer Erklärung". Diese trägt den Titel "Anpacken: Wachstum schaffen, Wohlstand sichern". Die Union verlangt darin einen "Pakt für Leistung". Arbeit müsse sich wieder mehr lohnen, heißt es in der Erklärung. Deutschland brauche eine Belastungsbremse: "Die Sozialabgaben müssen bei 40 Prozent gedeckelt werden", Überstunden und Arbeiten im Rentenalter sollten steuerfrei sein. Die Gesamtsteuerbelastung von Unternehmen müsse bei 25 Prozent gedeckelt und der Wohnungsbau stärker gefördert werden. Der "Therapiesitzung" der Bundesregierung in Schloss Meseberg stelle man "die Tatkraft von Schmallenberg entgegen", sagte Dobrindt.

In der Ampelkoalition ist umstritten, ob die hohen Stromkosten deutscher Unternehmen durch eine staatliche Subvention gesenkt werden sollen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist dafür, Finanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen - und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Gegensatz zu seiner Bundestagsfraktion zurückhaltend. Doch das Thema führt auch in der Union zu Debatten.

Die Fraktion plädiert für eine Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat sich für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis ausgesprochen, die Spitze der Unionsfraktion setzt dagegen auf eine Senkung der Stromsteuer.

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Merz versuchte in Schmallenberg, diesen parteiinternen Konflikt kleinzureden. Der CDU-Chef beklagte zunächst "die künstliche Verknappung des Stromangebotes durch die willkürliche Stilllegung der Kernkraftwerke". Das sei "ein schwerer politischer Fehler" der Ampelkoalition gewesen. Die Unionsfraktion plädiere jetzt für eine Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte. "Und dann sprechen wir auch, wenn es notwendig sein sollte", über einen subventionierten "Brückenstrompreis". Das könne man sich vorstellen - "aber das Wichtigste ist, dass die staatlichen Lasten, die heute schon auf dem Strom liegen, gesenkt werden, bevor zusätzliche Subventionen gezahlt werden".

Auch Merz findet den eigenen Wahlkreis übrigens besonders schön. Mit seiner ganz eigenen Art der Schwärmerei sagte er: "Es ist eine Industrieregion im Grün."

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