Bundesregierung:Zeichen der Geschlossenheit

Lesezeit: 3 min

Außenministerin Baerbock erläutert die Lieferung der Gepard-Panzer: Es dauert der Union zu lang, aber in der Sache ist sie dafür. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ampel-Parteien und Union wollen gemeinsam ein Unterstützungspaket für die Ukraine verabschieden. Ein wesentlicher Streitpunkt wurde entschärft.

Von Paul-Anton Krüger, Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

Im Bundestag klingt es am Mittwoch noch einen Moment so, als stehe an diesem Donnerstag eine Konfrontation bevor zwischen der Union und der Ampelregierung. "Die Regierungsbefragung sollte keine Regierungserklärung sein", rüffelt der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständige Fraktionsvize Johann Wadephul Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Die Grünen-Politikern schert sich wenig um die Redezeit, als sie als erstes Kabinettsmitglied von der Regierungsbank aus vor den Abgeordneten die Entscheidung erläutert, nun doch Gepard-Flugabwehrpanzer an die Ukraine zu liefern.

Doch zum Showdown im Plenum wird es nicht kommen: CDU und CSU schließen sich dem Antrag der Koalitionsfraktionen zur Hilfe für die Ukraine an. "Wir begrüßen, dass die Union sich der Linie der Ampelpartner anschließt. Das ist ein wichtiges Zeichen der Geschlossenheit aller demokratischer Fraktionen im Deutschen Bundestag", sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr am Nachmittag.

Mehr davon: Die Ukraine bekommt nun von Deutschland auch Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard. Das reicht aber nicht. (Foto: Carsten Rehder/picture alliance / dpa)

CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Sonntag einen eigenen Antrag der Unionsfraktionen zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine angekündigt. Am Dienstag aber änderte sich die Lage grundlegend: Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verkündet die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern an die Ukraine, zu der sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag entschlossen hatte. Die Ampel hat inzwischen auch einen eigenen Antrag erarbeitet: "Frieden und Freiheit in Europa verteidigen - umfassende Unterstützung für die Ukraine" lautet der Titel des zehnseitigen Papiers - auch darin ist die Rede davon, die Unterstützung für die Ukraine "auf schwere Waffen und komplexe Systeme" zu erweitern.

In der Union hieß es, die Fraktion müsse zwar noch in einer für Mittwochabend angesetzten Sondersitzung entscheiden. Es sei aber gelungen, einen wichtigen Streitpunkt zu entschärfen. Daher werde mit einer Zustimmung gerechnet. Im Ampel-Entwurf hatte es zum geplanten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geheißen, die Bundesregierung solle dies "im Sinne der Beschlussfassung des Bundeskabinetts" schnellstmöglich umsetzen. Das hatte Merz am Morgen noch via Twitter kritisiert.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Diese Passage sei umformuliert worden - und damit der Streit über die genaue Ausgestaltung der geplanten Grundgesetzänderung vertagt. Der Bundestag könne nun ein Signal der Geschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine aussenden. Die Union freilich verbucht es dessen unbenommen als Erfolg, dass sich Scholz bewegt hat.

Beim Sondervermögen für die Bundeswehr aber bleiben Differenzen. Am Morgen hatte sich FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, der das Projekt für die Regierung federführend verhandelt, mit der Union getroffen. Er habe feststellen können, sagte er am Nachmittag, "dass es ein gemeinsames Interesse gibt, hier etwas zu erreichen". Allerdings machte er auch deutlich, wo er keinen Verhandlungsspielraum sieht: Wenn es ein "gemeinsames Verständnis von diesem Sondervermögen" gebe, so Lindner, dann erwarte er, dass die Unionsfraktion "vollständig zustimmt", dass man gemeinsam das Grundgesetz ändere.

Hintergrund ist, dass Merz im Februar im Bundestag gedroht hatte, die Unionsfraktion werde den Regierungsfraktionen nur so viele Stimmen liefern, wie unbedingt notwendig seien für eine Zwei-Drittel-Mehrheit - also nicht geschlossen für die Grundgesetzänderung stimmen. Für Lindner kommt das offenbar nicht infrage. "Was da an Abzählideen im Raum stand, kann kein Gegenstand der Verhandlung sein."

Was den Zeitplan angeht, so wolle man einen Beschluss des Sondervermögens "im Zusammenhang mit dem Beschluss des Haushalts 2022" erreichen, sagte Lindner. So sei gewährleistet, dass schon "in diesem Jahr zwei Prozent der Ausgaben für die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zur Verfügung" stünden.

Kurz darauf, bei der ersten Lesung der Grundgesetzänderung im Bundestag, nutzte Lindner seine Rede, um zum zweiten Mal an diesem Tag Druck auf Merz auszuüben. Die Entscheidung über das Sondervermögen und die "Zeitenwende" sei "eine Entscheidung historischen Charakters", sagte Lindner und rückte sie gleich mal in die Nähe des Nato-Doppelbeschlusses. "Und wenn tatsächlich diese Entscheidung einen solchen Charakter hat, dann mag ich mir nicht vorstellen, dass die CDU/CSU-Fraktion einer gemeinsamen Einigung nur teilweise zustimmt - und nicht komplett und geschlossen."

Zu klären sind aber nicht nur Stilfragen, sondern auch inhaltliche. Die Union verlangt etwa, dass über das Sondervermögen hinaus sichergestellt sein müsse, dass Deutschland die von den Nato-Staaten beschlossene Marke erfüllt, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Dazu ist die SPD nicht bereit. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel darauf verständigt, drei Prozent für Verteidigung, Entwicklung und Diplomatie aufzuwenden. Am Abend erklärte CDU-Chef Merz im ZDF heute Journal: "Wir wollen uns einigen, aber wir sind von einer Einigung noch weit entfernt."

Schlechte Stimmung in der SPD

Bei den Sozialdemokraten ist die Stimmung ebenfalls mäßig. Unter den Abgeordneten haben etliche das Gefühl, man habe sich von FDP und Grünen treiben lassen. Scholz' Kommunikation in die eigenen Reihen habe "wieder verwundert". Der Schwenk zur Panzerlieferung ging so schnell, dass selbst Fraktionschef Rolf Mützenich und Generalsekretär Kevin Kühnert sich am Dienstag nicht rechtzeitig für bereits geplante Fernsehauftritte darauf einstellen konnten - und eher unglücklich wirkten, als die Neuigkeiten wenig später bekannt wurden.

Die Genossen sind schon froh, dass der Koalitionsausschuss am Dienstagabend um 21.30 Uhr beendet war, nach zweieinhalb Stunden. Bei diesem Treffen, so wird beteuert, sei es zu keinem Zeitpunkt laut geworden, aber die eigenen Schmerzpunkte seien angesprochen worden. In der SPD zeichnet sich ab, dass mit den Geparden die Lieferung von Panzern nicht beendet sein dürfte.

Scholz kündigte in der Fraktionssitzung am Dienstag an, man werde sich "Stück für Stück" weiterbewegen. Die Industrie will alte Schützenpanzer vom Typ Marder liefern. Dem wird sich die Regierung kaum mehr entgegenstellen können. Und die Rede ist auch schon von älteren Leopard-Kampfpanzern, womöglich für einen Ringtausch. In der SPD-Spitze heißt es, es werde viel geprüft.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungBundesregierung
:Diese Waffenhilfe kommt zur richtigen Zeit

Warum die Lieferung von "Gepard"-Flugabwehrpanzern an die Ukraine richtig ist - und überfällig war.

Kommentar von Stefan Kornelius

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: