Nach den Landtagswahlen:Die Ampel sucht nach Gründen für die Wahlniederlage

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Am Montag äußerten sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und die FDP-Spitzenkandidaten Martin Hagen aus Bayern und Stefan Naas aus Hessen (von links) zum Ausgang der Landtagswahlen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

SPD, Grüne und FDP haben bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen stark verloren. In Berlin geht es nun um die möglichen Folgen für die weitere Zusammenarbeit in der Koalition.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Am Tag nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben die Ampelparteien in Berlin mit der Aufarbeitung ihrer Wahlergebnisse begonnen. SPD, Grüne und FDP hatten am Sonntag in beiden Bundesländern ihre Wahlziele verfehlt; alle drei Parteien mussten teils herbe Stimmverluste hinnehmen. In Bayern kam das Bündnis zusammen nur noch auf 25,8 Prozent der Stimmen, in Hessen auf knapp 35 Prozent.

Im Bund war die erste Hälfte der gemeinsamen Regierungszeit immer wieder von heftigen Auseinandersetzungen geprägt gewesen. Besonders unversöhnlich war über den Umgang mit den verbliebenen Atomkraftwerken gestritten worden, über das Heizungsgesetz und zuletzt über die Ausrichtung der europäischen und deutschen Asyl- und Migrationspolitik. Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, sagte am Montag dazu, die Menschen wünschten sich keinen Streit, sondern Orientierung und Sicherheit. Bei vielen Entscheidungen der Ampel sei der Eindruck mangelnder Geschlossenheit entstanden. "Da müssen wir besser werden." Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang äußerte sich ähnlich. Die Ampelkoalition könne nur erfolgreich sein, wenn sie zusammenarbeite, sagte sie.

Die FDP will besser gesehen werden. Kanzler Scholz will, dass geräuschlos gearbeitet wird

Wenn es um das Erscheinungsbild der Ampel geht, geht es immer auch um die FDP. Denn sie ist diejenige der Ampelparteien, die sich seit dem Eintritt in das Bündnis am deutlichsten im Sinkflug befindet. Im Saarland haben die Liberalen den Einzug in den Landtag verfehlt. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein flogen sie nach großen Verlusten aus der Regierung, in Niedersachsen und Berlin - genau wie jetzt in Bayern - sogar aus den Parlamenten. In Bremen reichte es nur knapp für einen Wiedereinzug, in Hessen nach einem Abend des Zitterns ebenfalls. FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte schon nach den vorangegangenen Niederlagen mehr Sichtbarkeit für die Positionen der FDP in der Koalition angemahnt. Besonders sichtbar umgesetzt wurde diese Vorgabe dann im Haushalts- und im Heizungsstreit.

Die Frage ist, ob die FDP diesen Kurs nun verschärft - obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine geräuschlose Konfliktbewältigung verlangt hatte. Lindner sagte dazu am Montag: "Wir orientieren uns strikt an der Sache." Sie diskutierten zwar am liebsten intern, wenn es allerdings Konfliktpunkte und unterschiedliche Bewertungen gebe, dann müsse man "Argumente austauschen". "Das werden wir genau so machen."

Zu der Frage, ob die Liberalen weiter an der Ampel festhalten wollten, sagte Lindner: "Die FDP ist eine staatstragende Partei." Sie setzten ihre inhaltlichen Akzente und prägten das politische Handeln "weit mehr, als unser politisches Gewicht es hätte erwarten lassen".

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Neben ihrem geräuschvollen Miteinander haben die Ampelparteien aber auch Inhalte und Themen als gemeinsame Großbaustellen identifiziert. Im Zentrum dürfte die Migration stehen, die den Wahlanalysen nach auch die Wähler in Hessen und Bayern maßgeblich umgetrieben hat. Vor allem die FDP dringt auf eine Begrenzung der illegalen Zuwanderung. Sie fordert unter anderem, Asylbewerber nur noch mit Bezahlkarten auszustatten, um den Geldtransfer in deren Heimatländer zu unterbinden. Außerdem will sie die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären lassen. Lang von den Grünen dagegen forderte am Montag vor allem eine bessere finanzielle Unterstützung der Kommunen, Fortschritte bei der Verteilung von Flüchtlingen in der EU und Arbeitsmöglichkeiten für alle Asylbewerber. "Wer hier ankommt, soll ab dem ersten Tag arbeiten können."

Die Zugewinne für die AfD in Hessen und Bayern haben alle Ampelparteien aufgeschreckt. Lindner allerdings verneinte am Montag einen Rechtsruck. Die "breite Mitte der Gesellschaft" habe vielmehr mit Blick auf Wirtschaftsmigration, Klimaschutz, Energie und die Frage von gesellschaftlichen Freiheiten versus Bürokratismus "ein klares Votum abgegeben". Dass die FDP davon nicht habe profitieren können, "obwohl es unsere Themen sind", führte Lindner darauf zurück, dass seine Partei in der Ampel ihre Schwerpunkte "für die Menschen nicht sichtbar und glaubwürdig und motivierend" habe darstellen können.

Aus Lindners Sicht wird die Ampel auch als Ganzes von den Wählern beurteilt, und insgesamt habe sie den Erwartungen der Bürger nicht entsprochen. "Das müssen wir gemeinsam miteinander aufarbeiten", sagte er und forderte eine "kritische Reflexion des Regierungshandelns". Der Koalitionsausschuss am 20. Oktober wäre aus Lindners Sicht ein geeignetes Format dafür. Auch SPD-Co-Chef Lars Klingbeil hatte nach den Landtagswahlen angekündigt, die Wahlergebnisse müssten in den Ländern und in Berlin aufgearbeitet werden.

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