Bauernproteste:Innenministerium und BKA warnen vor Unterwanderung durch Extremisten

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Menschen haben sich im bayerischen Burgpreppach um ein Lagerfeuer versammelt, hinter dem Traktoren aufgereiht sind - für die kommende Woche sind zahlreiche weitere Bauernproteste angekündigt. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Nachdem Landwirte versucht haben, eine Fähre mit Minister Habeck an Bord zu stürmen, wächst die Sorge vor einer erneuten Eskalation in der kommenden Woche. Auch der Bundespräsident äußert sich.

Mehrere deutsche Behörden warnen vor einer Unterwanderung der in der kommenden Woche anstehenden Bauernproteste durch Extremisten. Das Bundesinnenministerium nannte mögliche Versuche von extremen Kräften, Bauernproteste gegen geplante Subventionskürzungen zu missbrauchen. Ein Sprecher von Ministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, es sei davon auszugehen, dass insbesondere Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum wie auch aus dem Spektrum derjenigen, die den Staat delegitimieren wollten, im Verlauf der Protestwoche versuchen würden, Veranstaltungen für eigene Interessen zu instrumentalisieren. "Hier geht es darum, durch deutliche Distanzierung der Initiatoren dafür zu sorgen, dass solche Instrumentalisierungsversuche durch Extremisten nicht verfangen."

Die Welt am Sonntag berichtet, dass weitere Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den geplanten Protesten diverse Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene beobachten, speziell in den sozialen Medien. Dabei berief sich das Blatt auf das Bundeskriminalamt und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern. Darunter seien Aufrufe für einen "Generalstreik" und "Umsturzrandale" sowie für eine "Unterwanderung" der Demonstrationen.

Nur ein Beispiel der aktuellen Eskalation: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war am Donnerstagabend am Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein von einem Urlaub auf der Hallig Hooge zurückgekehrt. Wütende Bauern drohten, die Fähre zu stürmen. Das Schiff legte wieder ab, und Habeck kam erst in der Nacht mit einer anderen Fähre an.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat diese Blockade-Aktion scharf verurteilt. Die Bilder hätten ihn schockiert, "das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte er der Bild-Zeitung. "Zu sehen, wie ein Minister auf einer privaten Reise von einer aggressiven Menschenmenge eingeschüchtert wird und sich nach Bedrohungen in Sicherheit begeben musste, hat viele in unserem Land schockiert, auch mich."

"Aufrufe zu Hass und Gewalt überschreiten die Grenze dessen, was gerechtfertigt ist", sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Steinmeier zeigte sich besorgt über das gesellschaftliche Klima und forderte die Landwirte dazu auf, friedlich zu demonstrieren und die Gesetze einzuhalten: "Demonstrationen gehören zur Demokratie. Kritik an der Regierung ist legitim. Aufrufe zu Hass und Gewalt überschreiten jedoch die Grenze dessen, was gerechtfertigt ist." Wer so handele, verletze die Grundregeln der Demokratie und schade damit seiner eigenen Sache.

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"Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um!" Mit diesen Worten kritisierte Bundesfinanzminister Christian Lindner die Proteste. Eine Situation, wie sie Habeck habe erleben müssen, sei "völlig inakzeptabel", sagte der FDP-Chef am Samstag beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart, die angekündigten Blockaden der Bauern seien "unverhältnismäßig". Die Konsequenz von Landfriedensbruch und Sachbeschädigung könne nur sein: "Das sind Fälle für den Staatsanwalt."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach am Samstag zum Auftakt der Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon von einer "Entgleisung, die unmöglich ist, die so nicht stattfinden darf".

Aktionswoche beginnt am Montag

Der Sprecher der Bundesregierung, zahlreiche Politiker und der Deutsche Bauernverband haben die Eskalation der Proteste ebenfalls verurteilt. Der Verband hält aber an seinem Aufruf fest, von Montag an eine Aktionswoche gegen geplante Kürzungen von Agrar-Subventionen zu starten. Angesichts dessen rief Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann dazu auf zu deeskalieren. Der Bauernverband und regionale Organisatoren müssten sich Gedanken darüber machen, wie sie vor Ort friedlichen Protest und die Sicherheit von Politikern gewährleisteten, die sich der demokratischen Debatte stellten. Aktionen wie der Übergriff auf Habeck in Schlüttsiel seien absolut inakzeptabel, sagte Haßelmann.

Die Freien Wähler wollen nach Aussage ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger am Montag "ganz vorne dabei sein". Damit wolle die Partei ein klares Bekenntnis für die Landwirte abgeben, sagte er am Samstag beim Dreikönigstreffen in Bad Füssing (Landkreis Passau). Dass es bei den Demonstrationen keine kriminellen Aktionen und Sachbeschädigungen geben dürfe, sei eine Selbstverständlichkeit.

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Hintergrund der Auseinandersetzung sind geplante Kürzungen von Agrar-Subventionen. Um zu sparen, wollte die Ampelkoalition die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer streichen und Agrardiesel teurer machen. Am Donnerstag kündigte die Bundesregierung an, sie wolle einen Teil der Kürzungen zurücknehmen oder zeitlich strecken. Dem Bauernverband reicht das nicht aus.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte im "Heute-Journal" des ZDF, er könne den Landwirten nicht weiter entgegenkommen. "Nein, denn das müsste gegenfinanziert werden." Zugleich unterschied Özdemir ebenfalls zwischen einem legitimen Protest von Landwirten und Aktionen wie der vom Donnerstagabend gegen Habeck. "Wer jetzt glaubt, dass er die Politik erpressen kann, wer jetzt glaubt, mit Umsturzfantasien hier irgendwie Eindruck machen zu können, wird sehen, dass die Mehrheit unseres Landes und auch die Politik da sehr klar steht: Wir sind nicht erpressbar."

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