Bauernproteste gegen Habeck:"Danke" und "So nicht!"

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Am Donnerstagabend verhinderten aggressive Demonstranten am Fähranleger im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel, dass Robert Habeck an Land gehen konnte. (Foto: Video-Screenshot /DPA)

Robert Habeck wird bei seiner Rückkehr von einem Inselausflug von einem Mob bedrängt. Der Minister hatte bewusst die reguläre Fähre genommen, um mit den Demonstranten zu reden - musste aber kapitulieren.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Am Morgen danach gab es zwei Botschaften, die Robert Habeck unters Volk bringen wollte. Die eine lautete: Danke! Die andere: So nicht!

Eine Gruppe wütender Demonstranten, darunter viele Landwirte, hatte den Bundeswirtschaftsminister am Donnerstagabend im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel in Empfang genommen, als er von einem privaten Inselausflug auf die Hallig Hooge zurückkehrte und die Fähre verlassen wollte. Ihr Zorn richtete sich gegen die Subventionskürzungen für Bauern, die die Ampelkoalition kurz vor Weihnachten im Rahmen eines größeren Sparpakets beschlossen hatte, mittlerweile aber zum Teil wieder zurückgenommen hat.

Feuerwerkskörper und Pfefferspray

Einige Demonstranten wollten ganz offensichtlich das Schiff des Grünen-Politikers stürmen, weshalb sich der Kapitän entschied, wieder abzulegen. Habeck und die übrigen Passagiere konnten deshalb erst später aufs Festland zurückkehren. In der Menge sollen Feuerwerkskörper gezündet worden sein, die Polizei setzte ihrerseits Pfefferspray ein, um die Gruppe auseinanderzutreiben.

Am Freitagmorgen bedankte sich Habeck nun ausdrücklich bei seinen Mitreisenden, der Schiffscrew und der Polizei. Sie alle seien unvermittelt in Mitleidenschaft geraten. "Die Crew musste mit einem blockierten Hafen umgehen und die schwierige Lage managen. Die mitreisenden Passagiere wollten nach Hause oder hatten andere Pläne am Festland, wollten eigentlich Bus und Zug erwischen, konnten aber zunächst nicht von Bord und mussten erst mal geduldig ausharren", so der Minister in einer schriftlichen Stellungnahme. "Und ich danke den Einsatzkräften der Polizei, die das Schiff gesichert haben."

Zugleich hob Habeck den Vorfall auf eine höhere Ebene, denn er ist aus seiner Sicht Ausdruck einer bedenklichen Entwicklung. "Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt", erklärte er. Als Minister habe er qua Amt Schutz der Polizei. Viele andere Bürger, die sich Radikalen nicht beugen wollen, müssten sich aber allein gegen Angriffe zur Wehr setzen. "Sie sind die Helden und Heldinnen der Demokratie", so Habeck. Protestieren sei in Deutschland ein hohes Gut. "Nötigung und Gewalt aber zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten", betonte er.

Habeck hatte sich vom Urlaub aus für weniger starke Kürzungen eingesetzt

Habeck hatte seinen Weihnachtsurlaub in seiner Heimat Schleswig-Holstein verbracht, von wo aus er in dieser Woche mit anderen Spitzenvertretern der Koalitionsparteien auch über Änderungen an den geplanten Subventionskürzungen für Bauern verhandelt hatte. Am Donnerstag besuchte er privat die Hallig Hooge. Im Laufe des Nachmittags erhielt er erste Informationen, dass in Schlüttsiel Proteste gegen ihn geplant seien. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung entschied der Minister dennoch, nicht etwa auf anderem Wege zurückzureisen, sondern wie geplant die reguläre Fähre zu nehmen und mit den Demonstranten zu sprechen.

Vor Ort zeigte sich jedoch schnell, dass die Stimmung zu aufgeheizt war. Habecks Sicherheitsbeamte lehnten einen Auftritt des Ministers vor den Protestierenden, etwa mit Megafon, deshalb ab. Offenkundig aus gutem Grund, wie das Zünden von Feuerwerkskörpern aus der Menge heraus wenig später zeigte. Auf ein Angebot Habecks, drei Vertreter der Demonstranten auf dem Schiff zu empfangen, gingen wiederum Letztere nicht ein. Das Schiff legte deshalb wieder ab, Habeck nutzte für seine Rückkehr schließlich die letzte Fahrt der Nacht, die sogenannte Betriebsfahrt der Fähre.

Vertreter von Regierung und Opposition übten am Freitag scharfe Kritik am aggressiven Verhalten der Menge. "Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein", schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit am frühen Freitagmorgen im Kurzmitteilungsdienst X. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte, Gewalt und Nötigung seien "verachtenswert und schaden auch dem Anliegen". Er glaubt zudem nach eigenem Bekunden nicht, dass einfache Bauern die Proteste organisiert hätten, sondern vielmehr "Leute, die feuchte Träume von Umstürzen haben".

Kritik kam auch von Justizminister Marco Buschmann (FDP), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) sowie dem früheren CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.

Der Bauernverband distanziert sich - und kündigt neue Proteste an

Auch der Deutsche Bauernverband distanzierte sich nach kurzem Zögern von der Blockade-Aktion. "Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht. Bei allem Unmut respektieren wir selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern", erklärte Verbandspräsident Joachim Rukwied am Freitag. Er kündigte allerdings zugleich neue Proteste der Bauern an.

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"Wir fordern die komplette Rücknahme dieser Steuererhöhungen ohne Wenn und Aber. Ich rechne damit, dass Zehntausende Trecker zu unseren Sternfahrten in ganz Deutschland kommen werden", sagte Rukwied der Bild-Zeitung. Habeck will nach Angaben einer Sprecherin dennoch noch einmal das Gespräch mit den Landwirten suchen - aus der Region rund um Schlüttsiel wie auch auf Bundesebene.

Die deutliche Kritik aus Bundes- und Landesregierungen an der Aktion erklärt sich wohl auch durch die zunehmende Zahl an direkten Angriffen auf Politiker auf allen staatlichen Ebenen. In diesem Jahr wird ohnehin mit einer aufgeheizten Stimmung im Land gerechnet, etwa weil in Ostdeutschland drei Landtagswahlen anstehen, bei denen die rechtspopulistische AfD in Umfragen derzeit die stärkste Kraft ist.

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