Migration:Die Ampel ringt um ihre Asylpolitik

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Wohin geht die Koalition in ihrer Migrationspolitik? Wegweiser zu einer Erstaufnahme-Einrichtung in Eisenhüttenstadt. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen versucht die Bundesregierung, ihre Position zur Migration neu zu justieren. Doch vor einem Gipfeltreffen mit den Bundesländern wird klar: In zentralen Punkten liegen die Vorstellungen von SPD, Grünen und FDP noch weit auseinander.

Von Markus Balser, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Die Ampel-Koalition ringt vor dem Spitzentreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder um die Zuwanderungspolitik. Das Thema habe den Koalitionsausschuss am Mittwochabend bestimmt, hieß es bei SPD, Grünen und FDP. Einig sei man sich, dass der Bund mit einer abgestimmten Position in das Treffen mit den Länderchefs am 10. Mai gehen müsse. Scholz soll klar gemacht haben, dass er konkrete Vorschläge unterbreiten will. Noch gehen die Vorstellungen der Ampel-Partner aber in zentralen Punkten auseinander.

Die Länder fordern vor allem eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Die SPD bekommt Druck auch aus den eigenen Reihen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat gefordert, der Bund müsse sich "bei dieser gemeinsamen Aufgabe mehr engagieren." Thüringens Innenminister Georg Maier sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Bund muss die Kommunen finanziell so ausstatten, dass ihnen keine Mehrkosten durch steigende Flüchtlingszahlen entstehen." Es gehe um eine "nationale Aufgabe".

"Geld allein ist da kein Allheilmittel", sagt ein Sozialdemokrat

SPD und FDP sind sich allerdings einig darin, dass der Bund bereits viel tut und die Lösung nicht darin liegt, den Ländern mehr Geld zu geben. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der SZ: "Geld allein ist da kein Allheilmittel." Man müsse genau schauen, wie viel Geld bereits abgerufen sei und wie viel bei den Kommunen ankomme: "Wenn ich höre, dass große Teile der Gelder des Bundes von Ländern wie Nordrhein-Westfalen nicht an die Kommunen weitergegeben werden, ist das nicht akzeptabel." Die FDP verweist darauf, dass höhere Ausgaben dafür aufgrund der Haushaltslage zu Kürzungen bei anderen Projekten der Ampel führen müssten.

Bei den Grünen heißt es, es gehe nicht um Finanzhilfen mit der Gießkanne, aber Kommunen, die an der Belastungsgrenze seien, müssen man helfen. "Sie brauchen konkrete Unterstützung bei Aufnahme und Integration", sagt Irene Mihalic, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion: "Es braucht eine faire Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern für eine angemessene finanzielle Unterstützung der Kommunen", etwa für Sprach- und Integrationskurse.

Von Januar bis März haben 88 000 Menschen Asyl beantragt

SPD und FDP wollen dagegen erreichen, dass Flüchtlinge, die kein Bleiberecht haben, schneller und konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Dies sei angesichts der weiter steigenden Zahlen von Asylbewerbern unerlässlich. Ausnahmen könnte es für Menschen geben, die eine Arbeit gefunden haben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Aus der FDP heißt es, wichtig sei es auch, die Verfahren zu beschleunigen und die Behörden zu digitalisieren und besser mit Personal auszustatten, um schnell feststellen zu können, wer ein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat und wer nicht.

Im vergangenen Jahr haben 218 000 Menschen neu Asyl beantragt, so viele wie seit 2016 nicht mehr. Zudem hat Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor einem Jahr mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fast 88 000 Menschen einen Asylantrag gestellt - 80 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Laufe des Jahres, so heißt es, könnte die Zahl von 300 000 Asylbewerbern erreicht oder überschritten werden.

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Angesichts dessen sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, Deutschland brauche "dringend eine Migrationspolitik , welche die Interessen unseres Landes in den Fokus rückt". Wer die Sorgen der Menschen über die Migration nicht ernst nehme, laufe Gefahr, die Fehler der Merkel-Jahre zu wiederholen. Deutschland braucht nach Überzeugung der FDP Zuwanderung in den Arbeitsmarkt; deswegen habe man das Gesetz zur Fachkräftezuwanderung vorangetrieben. Zugleich sei es aber zwingend, anderweitige Zuwanderung auf jene Menschen zu begrenzen, die ein Recht auf Schutz haben.

Zudem muss nach Ansicht der FDP die EU den Schutz ihrer Außengrenzen verbessern und ein faires System zur Verteilung von Flüchtlingen etablieren. Deutschland trage einen überproportionalen Anteil, heißt es, hier werde mehr als jeder fünfte Asylantrag in der EU gestellt. Die FDP setzt sich auch dafür ein, die Liste der sicheren Herkunftsländer auszuweiten. Zumindest für Georgien, das 2022 nach Syrien, Afghanistan, der Türkei und Irak an fünfter Stelle der Hauptherkunftsländer lag, kann sich das auch die SPD vorstellen. Die Grünen lehnen das bislang ab.

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