Noch steht es sehr einsam herum, das kleine, kahle Bäumchen, das die Stelle markiert, wo dereinst der Biergarten sein wird, mit 150 Plätzen, ebensovielen wie im Restaurant. Aber was man schon jetzt sehen kann, wenn man im Innenhof des neuen Volkstheaters respektive dessen inzwischen weit fortgeschrittener Baustelle steht: Arno Lederer hat ein wunderschönes Theater gebaut. Es hat eine prächtig geschwungene Ziegelfassade, die ein bisschen an die klassische Moderne erinnert, es hat ein großes Bullauge, das Licht in zwei Etagen gleichzeitig einlässt, es hat diesen spektakulären Torbogen, durch den nicht nur die Zuschauer den Hof betreten werden, er verbindet auch das Alte mit dem Neuen, das eigentliche Theater mit den denkmalgeschützten Gebäuden von 1876 entlang der Zenettistraße, in denen die Büros, die Dramaturgie und auch die Wohnungen für die Gastkünstler untergebracht werden.
Ortsbegehung mit Oberbürgermeister. Dieter Reiter wundert sich erst einmal hocherfreut darüber, dass sich die Bauarbeiten am neuen Volkstheater exakt sowohl im Zeit- wie im Kostenplan befinden - das sei nicht zwingend die Regel. Hängt vielleicht mit den 1000 Seiten "funktionaler Leistungsbeschreibung" zusammen, in denen festgelegt wurde, was so ein Theater können muss. Und eines kann man jetzt schon sagen, wenn man am Ende des Baustellenrundgangs mit Reiter, Lederer, Intendant Christian Stückl, Maske und Helm wieder etwas angestaubt ins Freie kommt: Das neue Volkstheater kann sehr viel.
Neubau:Das neue Volkstheater ist auch ein Prestigeprojekt der Stadt
Die Bühne bekommt eine bessere Ausstattung und deutlich mehr Personal. Jetzt hat der Stadtrat das Budget für den Umzug und die Inbetriebnahme im Herbst 2021 bewilligt.
Freilich ist Dieter Reiter stolz darauf, dass München für 131 Millionen Euro ein neues Theater baut, welche Stadt macht das schon. Derzeit. Und er macht auch sehr deutlich, dass dieses Bauen ursächlich mit der Person Stückl und dessen Erfolg als Intendant des (alten) Volkstheaters zusammenhängt, was Stückl veranlasst, auf den Boden zu gucken und an seinem Schutzhelm herumzunesteln. Als Stückl 2002 seinen ersten Volkstheaterintendantenvertrag in Händen hielt, stand da noch drin, so erzählt er, dass man in zwei Jahren das Theater schließe, wenn's nicht hochkomme. Nun, es kam ganz gewaltig hoch, und Reiter freut sich auf die Eröffnungspremiere Mitte Oktober kommenden Jahres, die auf jeden Fall vor Zuschauern stattfinden werde, bleibe nur die Frage, vor wie vielen.
Ganz klar: vor vielen. Die große Bühne fasst 600 Zuschauer auf steilen Reihen, so viele wie derzeit, allerdings nun mehr in die Breite verteilt, weniger Reihen, also ist man näher dran an der Bühne. Die kann viel, wirkt größer als die des Schauspielhauses der Kammerspiele, hat ein hohes Bühnenhaus, eine Hinterbühne, eine Seitenbühne, beide so groß wie die Spielfläche, man kann mit einem Schwupps ein Bühnenbild raus- und reinfahren. Im alten Volkstheater gibt es keine Seitenbühne, keine Hinterbühne, keinen Schnürboden, keine Unterbühne - jetzt gibt es einen Orchestergraben, was Stückl auf die Idee bringt, auch Oper zu machen, die ganze Bühne kann auf Kellerniveau runtergefahren und beladen werden, ohne jede Stufe sind auf einem Niveau: große Bühne, kleine Bühne, Nebenbühnen, Probebühne, Werkstätten.
Die kleine Bühne fasst 200 Leute, kann aber auch ohne Mobiliar als Konzertraum genutzt werden, die Probenbühne könnte - etwa bei "Radikal jung" - auch bespielt werden, und im ersten Stock gibt es noch eine dritte Bühne für 100 Zuschauer. Alles kann hier geprobt und hergestellt werden - derzeit ist man auf sieben verschiedene Orte, eher Provisorien, verteilt. Mit dem neuen Volkstheater bekommt München sein drittes A-Haus.
Alles ist multifunktional, scheint topmodern zu werden. Um die Räume zu füllen, braucht Stückl 50 Mitarbeiter mehr als die bislang 100, auch das Ensemble muss vergrößert werden. Dieter Reiter meint dazu, die Stadt gebe nicht 131 Millionen fürs Haus aus und dann scheitere es an zwei Schauspielern. Das klingt alles äußerst zukunftsfroh. Derzeit spielt das Volkstheater 20 Prozent seines Etats selbst ein. Wenn Zuschauer kommen dürfen.