Kultur in München:Söder steht zu neuem Konzerthaus

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Das Modell, mit dem die Architekten den Wettbewerb um das Konzerthaus gewonnen haben, verfügte bereits über die signifikante Form. (Foto: Florian Peljak/Georg Scheel Wetzel Architekten GmbH)

Und das trotz Corona-Krise und steigender Baukosten. Über die Details wird aber ebenso diskutiert wie über die Frage: Wie viele Konzertsäle braucht München eigentlich?

Von Heiner Effern, Andreas Glas und Lisa Schnell, München

Ist jetzt, in der Corona-Krise, noch genug Geld da? Reichen nicht drei Spielstätten für klassische Musik, oder werden es gar vier? In letzter Zeit wurden die Zweifel an dem geplanten neuen Konzerthaus des Freistaats im Münchner Osten und damit an einem der fulminantesten Prestigeprojekte der Stadt immer lauter. Nun beendet Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Spekulationen mit einem klaren Bekenntnis zum Konzerthaus. "Wir halten an einem Projekt, das beschlossen wurde, natürlich fest", sagte Söder am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung.

Söder erteilt damit Stimmen aus der Münchner Stadtpolitik eine Absage, die noch einmal mit dem Freistaat über ein gemeinsam finanziertes Konzerthaus reden wollen, und auch Kritikern aus seiner eigenen Fraktion im Landtag. Im Kunst-Arbeitskreis der CSU sei man "sehr defensiv", was den Bau angeht, sagt etwa Helmut Radlmeier, selbst Mitglied im Kunstausschuss. Er habe große Sympathien für das Konzerthaus, aber in der Corona-Krise sei es vor allem außerhalb Münchens "nicht vermittelbar, wenn man in dieser Dimension Geld in die Hand nimmt".

Die Baukosten für das neue Konzerthaus, das vor allem für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks entstehen soll, wurden lange auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt, nun ist aber von einer weit höheren Summe die Rede. Von mehreren Seiten aus Politik und Kultur ist zu hören, dass 750 Millionen Euro keine unrealistische Schätzung seien. Radlmeier meint sogar, dass es noch mehr sein könnten, er spricht von "750 Millionen plus".

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Manch einer hatte das Projekt deshalb schon ganz abgeschrieben. Das Konzerthaus sei praktisch "beerdigt, es geht nur noch darum, wer die Leichenrede hält", war sich ein CSU-Abgeordneter schon sicher. Nun ist klar, Söder will diese Leichenrede nicht halten und damit wohl auch kein anderer. Das Konzerthaus soll kommen, die Aussage ist klar, nur in welcher Form, da lässt auch Söder alles offen. Es gebe "überhaupt noch keine abschließende Bewertung", sagt er . Auch der Kunstausschuss-Vorsitzende Robert Brannekämper warnt vor "voreiligen Schlüssen" und sagt, dass man eine abschließende Entscheidung erst treffen könne, wenn "Zahlen und Fakten auf dem Tisch liegen", sprich: die Machbarkeitsstudie.

Die geplante Fertigstellung bis zum Jahr 2025 sei schon mal "nicht zu halten", prognostiziert aber Radlmeier. Neben dem Zeitplan müsste auch der Umfang des Konzerthauses auf den Prüfstand, fordert Winfried Bausback (CSU), ehemaliger Justizminister und nun Mitglied des Kunstausschusses. Soweit die Aussagen zweier Abgeordneter, die nicht aus München stammen. "Da kommt man mit Kleckern nicht weiter", sagt dagegen ein Münchner CSU-Abgeordneter, der dafür plädiert, auch in Corona-Krisen-Zeiten weitgehend an den ursprünglichen Plänen festzuhalten: "Hier wird etwas geschaffen, was eine Strahlkraft weit über München hinaus und für Jahrzehnte entfalten wird. Wenn wir ein kulturelles und architektonisches Highlight wollen, dann kostet das auch was."

Einige Überlegungen dazu, wie Kosten gespart werden könnten, sind schon bekannt. So wird darüber nachgedacht, auf einen dritten Konzertsaal zu verzichten. Weiter soll es Erwägungen geben, den Kammermusiksaal weiter zu verkleinern, von 600 Sitzplätzen auf 400. Dann allerdings würden sich Konzerte für Veranstalter kaum mehr lohnen, so die Bedenken aus Kulturkreisen. "Wir prüfen derzeit verschiedene Varianten", sagt Kunstminister Bernd Sibler (CSU) dazu. Mehr will er nicht sagen: "Ich rede nicht über ungelegte Eier." Nur so viel: Das Thema Digitalisierung solle stärker betont werden, um auch ein junges Publikum anzusprechen.

Ministerpräsident Markus Söder befürwortet den Bau des neuen Konzerthauses. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) möchte nicht über ungelegte oder fremde Eier sprechen. Nicht über die Debatte im Landtag, und nicht über den Umgang mit dem eigenen Interimssaal in Sendling. Die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne), die auch Aufsichtsratschefin der Gasteig GmbH ist, zeigt sich für eine neue Diskussion offen, wenn der Freistaat angesichts der Corona-Ausfälle bei den Einnahmen im Land und auch in der Stadt noch einmal anklopfen würde. "Wir werden uns keinem Gespräch verweigern." Nicht nur sie stellt sich die Frage, ob man nicht doch auf das neue Konzerthaus im Werksviertel verzichten sollte und dafür gemeinsam die Sanierung des Gasteig finanziere. Ließe man den Interimssaal in Sendling stehen, würde München mit dem Herkulessaal und dem Gasteig über drei herausragende Spielstätten verfügen, sagt etwa Grünen-Fraktionschef Florian Roth. Mit dem Konzerthaus des Freistaates wären es sogar vier.

Die Debatte über eine gemeinsame Spielstätte für die beiden großen Münchner Orchester, jenes vom BR und die Philharmoniker der Stadt, wurde bereits einmal sehr emotional und ausführlich geführt. Die Musiker hatten immer für getrennte Häuser geworben, und die Politik war ihnen schließlich gefolgt. Doch seither hat sich insbesondere durch die Corona-Krise die Finanzlage der öffentlichen Hand deutlich verschlechtert.

Eine der Schlüsselfiguren in der Debatte um die Münchner Konzertsäle: Katrin Habenschaden (Die Grünen). (Foto: Catherina Hess)

Die Stadt wird im Herbst darüber entscheiden, ob sie den Gasteig in großem Stil für 450 Millionen Euro sanieren will oder ob sie diese Pläne abspeckt. Wenn sich der Freistaat an der teuren Sanierung des Konzertsaals beteiligen würde, bliebe mehr Geld für die anderen Nutzer wie Stadtbibliothek oder Volkshochschule. Auch die CSU kann sich vorstellen, den Interimssaal dauerhaft zu nutzen. Fraktionschef Manuel Pretzl fände es "befremdlich", ein solches Gebäude nach wenigen Jahren Nutzung wieder abzureißen. Die SPD-Fraktion betont den Interimscharakter in Sendling und will auch die Nachnutzung des Areals mit Wohnungen beibehalten, aber einfach wegwerfen will sie den Interims-Konzertsaal auch nicht. Man müsse diesen einer "vernünftigen Verwendung zuführen, entweder dort oder woanders in der Stadt", sagte Sprecherin Anne Hübner. Auch sie wäre übrigens Gesprächen mit dem Freistaat über eine gemeinsame Lösung aufgeschlossen. Es wäre den Menschen in München und Bayern in diesen Zeiten nur schwer zu vermitteln, dass in der Stadt in so kurzer Zeit drei Konzertsäle von solchem Format gebaut oder saniert würden.

Kunstminister Sibler kann solche Überlegungen nicht nachvollziehen und erinnert an den Ausgangspunkt der Konzerthaus-Debatte. "Es wurde damals klar gemacht, dass der Gasteig für zwei Orchester von Weltruhm nicht zumutbar ist. Daran wird sich nun auch nichts ändern." Auch Nikolaus Pont, Manager des BR-Symphonieorchesters, betont die Notwendigkeit eines neuen Konzerthauses. Bei der Planung des Philharmonie-Interims hätten die Kollegen mit "extremer Platznot" zu kämpfen gehabt. Man sei immer mit Verweis auf den Übergangs-Charakter um Verständnis gebeten worden. "Dieses Verständnis wurde unsererseits selbstverständlich signalisiert, eine Eignung als permanentes Konzerthaus mit entsprechenden qualitativen Ansprüchen kann ich mir auf der Basis der mir bekannten Informationen nicht vorstellen", sagt Pont.

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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