Wo kriegen wir jetzt einen Glühwein?", fragt ein Passant seine Begleitung. Die beiden spazieren am Donnerstagnachmittag durch die Innenstadt. Ihnen kommt eine Frau entgegen, die das hört und sofort anfängt zu lachen. Glühwein? In diesen Zeiten, ohne Weihnachtsmärkte? Oh ja. Vielleicht gab es noch nie so viele und auch skurrile Orte und Möglichkeiten, um mit dampfenden Bechern rumzustehen. Ein schneller Rundgang zum ersten Advent.
Auf dem Marienplatz zum Beispiel gibt es am Imbiss-Stand von Wildmosers Restaurant-Café Bratwurstsemmeln und jetzt auch Glühwein. Sie profitierten nicht von der ausbleibenden Konkurrenz durch den Weihnachtsmarkt, sagt der Betreiber, der Verkauf laufe "so wie immer". Speziell beim Glühwein fällt ihm aber etwas ganz anderes auf, das "To go" werde dieses Jahr wirklich befolgt. "Die Leute holen einen Glühwein und gehen weiter, es ist selten, dass sie eine zweite Runde nehmen." Als möglichen Grund führt er an, dass ja auf dem Marienplatz die Maskenpflicht gelte und mit Mund-Nasen-Schutz trinkt es sich eben schlecht.
Frühstück zum Abholen und Bestellen:Fast so schön wie im Café
Egal ob klassisch, vegan oder mit mehreren Gängen: Mit den Frühstücksvariationen dieser Lokale ist ein opulenter Brunch auch daheim möglich.
Ein paar Meter weiter haben sich sogar Holländer auf das dort in ihrer Heimat eher nicht verbreitete Getränk spezialisiert. Im Laden "Cheese & More" hängt ein Zettel im Schaufenster, hinter dem bis oben Käselaibe geschichtet sind: "Glühwein". Drinnen gibt es zwischen Dutzenden Käsesorten auch zwei Metallpötte mit heißem Wein. Und einen eigens vor zwei Wochen entwickelten Glühwein-Dip.
Der japanische Sternekoch Tohru Nakamura hat sein Restaurant "Salon Rouge" an der Dienerstraße erst im Oktober eröffnet. Als dann im November der Teil-Lockdown kam, krempelte Nakamura alles um, machte aus dem Salon Rouge kurzerhand den "Umai Streetfood Market". Hier gibt es nicht nur japanische Burger zum Mitnehmen, sondern auch eine japanisierte Form des Glühweins, den "Glüh-Sake", auf Basis von heißem Reiswein.
Normalen Wein, heiß und kalt, gibt es jetzt auch am Gärtnerplatz im Cotidiano. Viel Vorwissen ist ja auch nicht nötig. Glühweintopf und fertiges Getränk besorgen, anschließen, aufheizen, ausschenken. Der Verkäufer am Tresen ist aber mit dem Absatz ziemlich zufrieden. Zwei Frauen stehen ein paar Meter weiter am Donnerstag, eine mit kaltem, die andere mit heißem Weißwein. "Es ist wie immer, nur noch besser", sagt die eine und lächelt hinter der Dampfwolke, die aus dem Becher aufsteigt. Zum einen treffe man sich früher, die Corona-Zeit habe schließlich das Day-Drinking salonfähig gemacht. "Außerdem nervt beim Weihnachtsmarkt immer diese Enge."
In der Innenstadt ist wenig los - ein bisschen Weihnachtszauber kann man dafür im Westpark finden
Jetzt könne man von Station zu Station flanieren und überall einen neuen Becher erwerben. Fast überall kann man sich das Getränk in mitgebrachte Tassen oder in Pfandbecher gießen lassen und mitnehmen. Und beim Spazieren friert man auch weniger. Dass man die Lokale damit unterstützt und weniger zahlt, weil es keinen Pfand gibt auf die Pappbecher, kommt dazu. "Das wird heute nicht unsere letzte Station sein", sagt die zweite der beiden Freundinnen am Gärtnerplatz. Allerdings muss sich die neue Möglichkeit der Glüh-Wanderungen offenbar erst etablieren.
Am Stachus ist am frühen Abend noch wenig los, kein Eiszauber weit und breit. Und auf der Theresienwiese, wo normalerweise gerade das Winter-Tollwood mit seinen bunt angestrahlten Zelten läuft, mit Konzerten, Basarhallen, Essensständen und Kulturevents, leuchtet dieser Tage nur das Zelt der Corona-Teststation.
"Dieses Jahr läuft man auf jeden Fall mehr als sonst auf dem Weihnachtsmarkt."
Ein bisschen Weihnachtsmarkt lässt sich dafür im Westpark finden, wo das Café "Gans am Wasser" Glühwein ausschenkt. Vor dem Biergarten stehen einige, coronakonform in Kleingruppen mit Abstand, immer wieder kommen mit LED-Lichtern hell erleuchtete Radfahrer und Jogger vorbei. "Das hier ist zumindest ein kleiner Ersatz", sagt eine Kundin, die oft hier ist. Schade sei nur, sagt eine andere, dass das Café schon um 18 Uhr zumache, immerhin: "Wir gehen jetzt noch woanders einen Glühwein trinken, dieses Jahr läuft man auf jeden Fall mehr als sonst auf dem Weihnachtsmarkt." Oder auch gar nicht, wenn man bei Katharina Rohrer bestellt.
Normalerweise verkauft Rohrer ihren heißen Beerenwein um diese Zeit auf dem Marienplatz, mit der "Beerenalm" ist sie seit Jahren fester Bestandteil des Weihnachtsmarkts. Jetzt liefern die Rohrers ihren Glühwein den Kunden nach Hause, dafür haben sie sich ein Elektroauto angeschafft. Dieses Jahr finde die Weihnachtsstimmung eben eher im privaten Kreis statt, sagt Rohrer, und "die Kunden trinken ihren Glühwein daheim auf dem Balkon". Natürlich sei der Beerenexpress aus der Not heraus entstanden, etwas Schönes lasse sich der veränderten Situation aber doch abgewinnen: "Die meisten, an die wir bis jetzt ausliefern, sind Stammkunden vom Weihnachtsmarkt. Die bekommen jetzt teilweise ein Gesicht für mich und man unterhält sich kurz an der Tür."
Nicht nur Glühwein lässt sich nach Hause holen, auch Weihnachtsgeschenke oder Lebkuchen gibt es. Das Stadtportal muenchen.de hat einen digitalen Christkindlmarkt-Auftritt erstellt, dem sich bereits mehr als hundert Marktkaufleute angeschlossen haben. Trotzdem lohnt sich das Rausgehen, vielleicht gerade jetzt. Denn der nächste Glühweinstand könnte viel näher sein als man denkt.