Virtuelle Erlebniswelten:Wie erleben Hunde die Welt?

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Bei der VR-Experience "I Wanna Be Ur Dog" wird künstlerisch deutlich, wie Hunde die Welt erleben. Die Visualisierung basiert auf lebensechten Daten. (Foto: Myndstorm Productions/Dok-Fest München)

Und wie fühlt sich eine Sprachstörung an? Wie geht's im Amazonas zu? Antworten sind beim "VR Pop up Kino" des Dok-Fest München zu finden - bei freiem Eintritt.

Von Bernhard Blöchl

Wo der Dokumentarfilm endet, fängt die VR-Experience an. Beim Dok-Fest München laufen bis Mitte Mai mehr als 100 Filme aus 51 Ländern, die Einblicke in unterschiedlichste Lebenswirklichkeiten geben. Als lineare, unveränderliche Projektionen. Und dann gibt es da noch vier Seherlebnisse im "VR Pop up Kino", die das Dokumentarische um eine Dimension erweitern. Experimentalfilme, die individuell variieren und physisch wirken, die außerdem einen künstlerischen Transfer wagen, indem sie das scheinbar Unzeigbare auf eine andere Art erlebbar machen.

Da wäre zum Beispiel "I Wanna Be Ur Dog" von Kathrin Brunner und Oliver Czeslik. Die Welt aus der Perspektive von Hunden wahrnehmen, das klingt spannend! Als Besucher des Pop-up-Ladens im Ruffinihaus am Rindermarkt sitzt man auf einem Barhocker, erwartungsvoll wie ein Hund vor dem Leckerli, und harrt der Dinge, die da kommen mögen: zunächst einmal sind das Spezialbrille und Kopfhörer, ohne die läuft bekanntlich gar nichts bei VR-Erlebnissen (Eintritt frei, Zeitslot aber besser vorab buchen unter dokfest-muenchen.de).

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Dann kann's losgehen, der zwischen einer halben und einer Stunde dauernde Trip in der Virtualität beginnt. Zunächst lernt man in kurzen dokumentarischen Videos drei Hunde und ihre Herrchen und Frauchen kennen: beim Herumtollen ("Freedom"), beim Zusammenspiel von Blindenhund und sehbehindertem Menschen ("Trust"), beim Surfer- und Badespaß am Eisbach ("Peace"). Danach verlässt man per Blickkontakt und durch ein Portal das Dokumentarische. Und wird zum Hund.

Hier beginnt die Magie, hier füllt die VR-Kunst jene Leerstellen, die das gewöhnliche Kino hinterlässt - selbst das noch so fantastische. Farben verändern sich, der Herzschlag des Frauchens wird sichtbar, Gerüche hängen als wabernde Wolken in der Luft. Der Betrachter staunt, dreht sich auf dem Barhocker hin und her, seine Blicke erkunden die Umgebung des Hundes. Zum Beispiel die Einkaufspassage in Pasing, die glücksbunt und groß wird, wenn der Blindenhund eine Bratwurst riecht. Fantastisch!

Besucherinnen und Besucher können auch ihre Hunde mitbringen. Entsprechende Zeitslots sollten aber vorab online gebucht werden. (Foto: Myndstorm Productions/Dok-Fest München)

Es ist ja oft vom Perspektivwechsel die Rede. Diese Produktion ist ein konkretes Beispiel dafür, wie es der Kunst gelingen kann, diesen herbeizuführen. Klar, die Macher des vom Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) geförderten Projekts erzeugen keine realistische Simulation tierischer Sinneswelten. Wollen sie auch gar nicht. Vielmehr übersetzen sie und ihr Team Daten in kreative, zuweilen impressionistische 3D-Welten. So basieren die visualisierten Sinneseindrücke auf Messungen von Gehirnwellen, Atmung, Schweiß und Herzschlag der Protagonistinnen und Protagonisten. Die Produktion dauerte zwei Jahre, gedreht wurde unter anderem in Pasing und am Eisbach.

Auch die anderen VR-Filme visualisieren scheinbar Unmögliches oder zumindest Unbekanntes. "Emperor" von Marion Burger und Ilan Cohen schult ebenfalls die Vorstellungskraft. Die poetische, autobiografisch gefärbte Erzählung mit Schwarz-Weiß-Ästhetik lässt den Bebrillten in die Erlebniswelten eines an Aphasie erkrankten Menschen eintauchen. Wenn einem also nicht mehr die richtigen Wörter einfallen, wenn das Sprechen schwerfällt - daran wagt sich diese spannende Produktion, eine Mischung aus Dokumentation, Fiktion und Traum.

"Emperor" ist eine eindringliche Vater-Tochter-Geschichte als Virtual-Reality-Experience. (Foto: Atlas V, Reynard Films)

Das "VR Pop up Kino" ist eine Kooperation von Dok-Fest München, XR Hub Bavaria und Munich Creative Business Week. Zu den im wahrsten Sinne horizonterweiternden Projekten gehören noch "Origin - A Journey To The Heart Of The Amazon" (Emilia Sánchez Chiquetti und Mokán Rono) und Lisa Eders "Wildnis AR App", zwei Multimedia-Erfahrungen, die in das Ökosystem Wald führen: einmal zu den Bewohnern des Amazonas, einmal bis in die Bruthöhlen der Buntspechte im Bayerischen Wald.

VR Pop up Kino beim Dok-Fest München, bis Sonntag, 12. Mai, Ruffinihaus am Rindermarkt, Eintritt frei, Zeitslots online buchen unter dokfest-muenchen.de

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