Grünflächen oder Wohngebiete:"Nagelprobe" für das Bürgerbegehren

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Wohnhäuser in Holz-Hybrid-Bauweise und rundherum viel Grün: So soll das Kirschgelände einmal aussehen. (Foto: Eckpfeiler HH Vision)

Welche Auswirkungen hat die Grünflächen-Entscheidung auf geplante Bauprojekte? Beim ersten konkreten Test im Stadtrat zeigt sich, dass die Politiker die Vorgaben nicht ganz so streng auslegen. Drei Vorhaben werden mit großer Mehrheit beschlossen.

Einerseits weist München an allen Ecken und Enden neue Baugebiete aus. Andererseits hat der Stadtrat die Forderungen des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" übernommen. Künftig soll bei der Stadtplanung also mehr Rücksicht auf bestehende Parks und Wiesen genommen werden, und das gilt jetzt auch für Projekte, die bereits laufen. Drei davon standen am Mittwoch auf der Tagesordnung des Planungsausschusses. Sie waren der Anlass für eine kontroverse Nachbereitung der Entscheidung zum Bürgerbegehren von vergangener Woche.

"Das ist heute die Nagelprobe", sagte Dirk Höpner, der planungspolitische Sprecher der Fraktion ÖDP/München-Liste, die das Bürgerbegehren unterstützt hat. Am Ende hatte er aber gegen zwei der drei Projekte gar keine Einwände, obwohl in beiden Fällen bestehende Grünflächen aufgegeben und verschoben, dabei allerdings vergrößert werden. "Im Grunde gewinnt man da ordentlich, da wollen wir jetzt mal keine Prinzipienreiter sein", sagte er.

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Diesen Part übernahm Jörg Hoffmann (FDP), unterstützt von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Hoffmann rügte, "wie salopp" Redner von Grünen und CSU über das Thema Grünflächen hinwegargumentierten und darauf verwiesen, dass Stadtplanung stets ein Abwägungsprozess sei. Man könne aber nicht in der einen Woche ein Bürgerbegehren übernehmen und in der nächsten auf die Abwägung einzelner Interessen pochen. Da sei die Übernahme des Begehrens doch ein "recht vordergründiges" Manöver gewesen. "Ehrlich wäre es gewesen abzulehnen", sagte Hoffmann.

Alexander Reissl (CSU) entgegnete, das Abwägungsgebot sei mit der Übernahme nicht außer Kraft gesetzt, im Übrigen wäre ein Bürgerentscheid nicht zu gewinnen gewesen und hätte zum gleichen Ergebnis und zu den gleichen Diskussionen geführt. Dennoch, entgegnete OB Reiter, hätte er es mit dem Bürgerentscheid versuchen wollen. Weil der Stadtrat anders entschieden habe, erwarte er jetzt aber, dass das Planungsreferat "wirklich alles tut, die Grünflächen zu erhalten". Und er freue sich schon, wenn es bei künftigen Debatten nicht wie am Mittwoch im Fall der Erdbeerwiese um eine Schule und eine Feuerwache gehen werde, sondern um Büroplanungen.

Die sogenannte Erdbeerwiese an der Grenze von Ober- und Untermenzing bietet schon seit Jahren Zündstoff. Mit Neubauten dort will die Stadt eine Lösung für die Platznot im Schulzentrum an der Pfarrer-Grimm-Straße und zugleich einen neuen Standort für die Berufsfeuerwehr schaffen. Die Untermenzinger sind dafür, die Obermenzinger dagegen. Sie wollen die Fläche von jeder Bebauung freihalten, auch wegen der Frischluftschneise. Die Lokalpolitiker aus Pasing-Obermenzing bekräftigten ihren Widerstand am Dienstagabend gegen die Stimmen der SPD.

Schon im Februar 2020 protestierten Anwohner gegen die Bebauung der sogenannten Erdbeerwiese. (Foto: Sebastian Gabriel)

Im Planungsausschuss aber waren nur Dirk Höpner und Winfried Kaum (CSU) dagegen, den Flächennutzungsplan zu ändern und einen Bebauungsplan für die freien Flächen südlich der Von-Kahr-Straße und westlich des Inselmühlwegs aufzustellen. Die südöstliche Hälfte des 14,5 Hektar großen Planungsgebiets steht als allgemeine Grünfläche im Flächennutzungsplan. Jetzt ist sie überwiegend Ackerland, ein Großteil gehört der Stadt. Dort sind Freisportanlagen vorgesehen, womöglich ergänzt um einen Rasenplatz für den SV Untermenzing. "In gewissem Umfang", heißt es in der Vorlage des Planungsreferats, würden also für die Sportanlagen allgemeine Grünflächen beansprucht. Dann allerdings lasse sich die Erdbeerwiese auch "dauerhaft von Hochbauten frei" halten. Christian Müller (SPD) sprach von einer guten Lösung und nannte es "nahezu absurd, wenn wir Sportflächen als Bebauung apostrophieren".

Auf dem Kirschgelände sollen Wohnungen für 3000 Menschen entstehen. (Foto: Eckpfeiler HH Vision)

Auch beim Kirschgelände in Allach-Untermenzing war der Zuspruch groß. Dort wird ein Gewerbegebiet in ein Wohngebiet umgewandelt. Mit dem Billigungsbeschluss, den der Planungsausschuss gegen Dirk Höpners Stimme befürwortete, wird der Stadtrat Baurecht für gut 1200 Wohnungen und eine Schule schaffen. Die Eckpfeiler Immobilien Gruppe errichtet das Quartier für 3000 Menschen vorwiegend in Holzbauweise. Das 14 Hektar große Gewerbeareal an der Bahnstrecke war ursprünglich stark versiegelt, dort entsteht, wie Heike Kainz (CSU) formulierte, "ein großes Plus an Grünflächen". Eine kleine Freifläche allerdings wird überbaut, was den Buchstaben des Bürgerbegehrens widerspricht, wie Jörg Hoffmann anmerkte.

Beim Projekt südlich des Botanikums auf einem knapp acht Hektar großen Areal beidseits der Feldmochinger Straße in Moosach wollen Münchenbau, Terrafinanz und Stadt München etwa 600 Wohnungen errichten. Der Planungsausschuss nahm dafür offiziell das Ergebnis des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs vom April 2022 zur Kenntnis, den O&O Baukunst Köln mit studio grüngrau Landschaftsarchitektur Düsseldorf für sich entschieden hatte.

Die Planung beansprucht zwar ein als allgemeine Grünfläche dargestelltes Straßenbegleitgrün für den Wohnungsbau, schafft aber im Norden "umfangreiche" grüne Areale, wie es in der Vorlage heißt. Dirk Höpner akzeptierte auch diesen Verstoß gegen den Wortlaut des Bürgerbegehrens, die Entscheidung, den Siegerentwurf zur Basis eines Bebauungsplans zu machen, fiel einstimmig. Paul Bickelbacher (Grüne) merkte noch an, wenn der Stadtrat eine Gegenfrage zum Bürgerbegehren beschlossen und damit einen Bürgerentscheid ausgelöst hätte, "dann wären wir flexibler gewesen". Und er glaube auch, "dass wir gewonnen hätten".

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