Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten":München muss Wiesen und Parks schützen

Lesezeit: 3 min

Fast 60 000 Menschen unterschrieben die Forderung an die Stadt, Grünflächen zu bewahren statt in Bauland umzuwandeln. Das übernahm der Stadtrat - und genehmigte danach dennoch 19 von 20 Projekten. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Der Stadtrat übernimmt die Forderungen des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" endgültig. Die Initiatoren sehen sich am Ziel - und die Parteien werfen sich gegenseitig "Populismus und Wahlkampfgetöse" vor.

Von Anna Hoben

Aus dem "Ja, aber" ist ein "Ja" geworden, ohne das "aber": Der Stadtrat hat sich am Mittwoch mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Forderungen des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" zu übernehmen. Der Vorwurf des Populismus flog auch beim zweiten Anlauf für den nun eindeutigen und rechtsgültigen Beschluss während der einstündigen Debatte mehrmals durch den Ratssaal. OB Dieter Reiter (SPD) rügte das "Theater" und die "völlig verfehlte Diskussion". Ein berechtigtes Anliegen der Münchnerinnen und Münchner sei damit zur "Farce" verkommen.

Der Erhalt von Parks und Wiesen hat bei der Stadtplanung künftig mehr Gewicht. Die Macher des von 60 000 Menschen unterschriebenen Bürgerbegehrens hatten bemängelt, dass in München knapp die Hälfte der Stadtfläche bereits versiegelt sei. Weitere Grünflächen sollten nicht Bauvorhaben zum Opfer fallen.

Mehr als 1200 Parks und Grünanlagen sind in der Grünanlagensatzung der Stadt verzeichnet. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens halten 50 Parks und Wiesen für akut bedroht oder schon zerstört. Nach der Entscheidung des Stadtrats ist ein Bürgerentscheid vom Tisch. "Wir haben das Ziel erreicht, dass Grünflächen ernst genommen werden", sagte Mit-Initiator Helmut Köpf.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Eine Mehrheit aus Grünen und CSU hatte bereits Anfang Februar für die Übernahme gestimmt, allerdings unter der Bedingung, dass laufende Planungen ausgenommen bleiben. Diese Einschränkung kassierte die Regierung von Oberbayern - so sei das Bürgerbegehren nicht vollständig übernommen.

Deshalb musste der Stadtrat erneut abstimmen. Die drei großen Fraktionen kamen diesmal mit drei unterschiedlichen Vorstellungen. SPD/Volt wollten für einen Bürgerentscheid stimmen. Die Grünen hatten eine Gegenfrage für ein Ratsbegehren mitgebracht, fanden aber keine Mehrheit dafür. Sie schlossen sich schließlich der CSU an und stimmten mit ihr für die Übernahme des Bürgerbegehrens.

Die Forderungen leisteten "keinen Beitrag zur Stadtentwicklung", argumentierte SPD-Fraktionschef Christian Müller, sondern seien der "Versuch, Wohnungsbau zu verhindern". Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs ging den Koalitionspartner scharf an: Wer zwei elementare Grundbedürfnisse - das Recht auf Wohnraum und den Zugang zur Natur - gegeneinander ausspiele, werde der Komplexität des Themas nicht gerecht und agiere populistisch. Sie warf der SPD vor, den Erhalt von Grünflächen abzulehnen, was OB Reiter scharf als "Quatsch" zurückwies.

Hochhaus-Gegner erwarten Auswirkungen auf das Projekt Paketposthalle

Fuchs warb für eine "bessere und weitergehende Fragestellung". Es gehe auch um die Qualität von Grünflächen, "eine schnöde Rasenfläche nutzt wenig". Tobias Ruff, der mit der ÖDP das Bürgerbegehren maßgeblich vorangetrieben hat, bezeichnete die vorgeschlagene Ratsfrage als "dilettantisch", das Vorgehen als "Nebelkerze". Den Grünen bot er an, bei der ÖDP "Nachhilfe" zu nehmen in direkter Demokratie.

Der Vorsitzende der Fraktion FDP/Bayernpartei, Jörg Hoffmann, sprang der SPD zur Seite. Grüne und CSU seien "an Populismus und Wahlkampfgetöse nicht zu überbieten". Es werde in München künftig ein Gegeneinander geben von Grünflächen und Wohnungsbau, "das können wir uns in dieser Stadt nicht erlauben".

Stadtbaurätin Elisabeth Merk sagte, das übernommene Bürgerbegehren werde "natürlich Auswirkungen auf die Bauleitplanung haben müssen, sonst wäre es ja nichts wert". Man werde die Ansage, Grünflächen zu schützen, "sehr ernst nehmen", die Abwägungspraxis werde sich verschärfen. Verfahren würden dadurch freilich "nicht schneller werden". Aktuelle Bebauungsplanverfahren müssten nun nochmals geprüft werden.

Der Bund Naturschutz bezeichnete den Beschluss des Stadtrats in einer Stellungnahme als "Startschuss, dem weitere Schritte folgen müssen". Das Ziel müsse sein, über die Forderungen des Bürgerbegehrens hinaus all die Flächen dauerhaft zu schützen, "die aus klimatologischer und ökologischer Sicht und mit Blick auf die Naherholung unersetzlich sind".

Der Verein Hochhausstopp um den CSU-Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper, der Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die geplanten Türme an der Paketposthalle sammelt, forderte "die umgehende Einstellung aller aktuellen Bauleitplanverfahren, die dem Schutz und der dauerhaften Sicherung von Grünflächen zuwiderlaufen". Dies gelte insbesondere für das Areal der Paketposthalle, denn dort seien große Teile der Bebauung auf einer allgemeinen Grünfläche im Flächennutzungsplan ausgewiesen.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens wollen nun bald ihren Erfolg feiern. Wenn es wärmer wird, planen sie ein großes Fest. Auf der Unnützwiese in Trudering - dort, wo mit dem Protest gegen eine geplante Bebauung alles seinen Anfang genommen hat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten"
:Keine Wiese soll mehr weichen müssen

In München sollen neue Wohnungen entstehen, Grünflächen dafür aber keine mehr versiegelt werden dürfen - die Grünen und die CSU wollen, dass sich die Stadt dazu verpflichtet. Die SPD lehnt das in dieser rigorosen Form ab. Und jetzt? Die wichtigsten Antworten zu einem wegweisenden Streit.

Von Anna Hoben

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: