München nimmt Abschied vom Hauptbahnhof: Im Mai 2019 wurde die Schalterhalle gesperrt und seitdem Stück für Stück abgerissen. Inzwischen findet sich dort nur noch ein großes, etwas unebenes Feld. Das im Jahr 1953 eröffnete und 1960 endgültig fertiggestellte Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs muss einer riesigen Grube für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke weichen. Diese Baustelle bringt einige Einschränkungen mit sich - ein Überblick darüber, wie es nun weitergeht.
Warum reißt die Bahn das Bahnhofsgebäude ab?
Dort, wo die Schalterhalle stand, soll unterirdisch das Zugangsgebäude für die neue, zweite Stammstrecke der S-Bahn gebaut werden. Oberirdisch soll ein moderner Bahnhof nach dem Entwurf des Architektenbüros Auer Weber entstehen, der der künftigen Verkehrsentwicklung gerecht werden soll. Schon heute zählt die Bahn täglich etwa 450 000 Menschen am Hauptbahnhof. Mit der zweiten Stammstrecke und der von der Stadt München geplanten neuen U-Bahnline U 9 werden es voraussichtlich noch deutlich mehr werden. Das in die Jahre gekommene Empfangsgebäude ist nach Ansicht der Bahn für die steigenden Passagierzahlen nicht mehr geeignet. Die Gleishalle hingegen bleibt bestehen.
Welche Einschränkungen gibt es am Hauptbahnhof?
Für viele verlängern sich die Fußwege. Wer von der U-Bahn U 1 und U 2 zu den Zügen will, kann nun nicht mehr durch die Schalterhalle abkürzen. Der Aufgang, wo früher ein FC-Bayern-Fanshop und ein Drogeriemarkt waren, ist weg. Es bleibt nur der Weg durch das Sperrengeschoss. Am Übergang von der Schalter- zur Gleishalle ist der Bereich beim Zugang zu den Schließfächern abgeriegelt; durch ein Sichtfenster können Interessierte die weiteren Bauarbeiten beobachten.
Draußen am Bahnhofplatz ist der Taxistand weggefallen, ebenso die Bushaltestelle. Die Fahrspur für Autos bleibt aber. Oberirdisch ist die Gleishalle noch über die beiden Haupteingänge an der Arnulf- und an der Bayerstraße zugänglich sowie über den Holzkirchner Flügelbahnhof und den Starnberger Flügelbahnhof. Auch für Radfahrer bedeuten die Bauarbeiten nichts Gutes: Von derzeit etwa 1000 festen Stellplätzen am Münchner Hauptbahnhof bleiben während der Bauzeit nur noch 122 übrig. Es wird vielen Radlern nichts anderes bleiben, als wild zu parken. Das wiederum dürfte zu Konflikten mit Fußgängern führen.
Wann wird am Hauptbahnhof was gebaut?
Im Juni 2019 wurde am Bahnhofplatz ein vier Meter hoher Schallschutzzaun errichtet. Das Baufeld reicht an dieser Stelle bis zur Straße: Die gesamte Schalterhalle wurde abgerissen, dazu das Parkhaus an der Bayerstraße.
Stadtgeschichte:Die vielen Gesichter des Hauptbahnhofs
Einer der wichtigsten Bauten Münchens verschwindet: das Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs. Nicht zum ersten Mal - ein Rückblick in Bildern.
Die Tiefbauarbeiten sollen dann Ende 2019 starten. Zunächst wird es laut: Die Bauarbeiter erstellen sogenannte Schlitzwände, auf die später ein Betondeckel gesetzt wird. Diese Deckelbauweise soll die Belastung durch Lärm und Schmutz mindern. Denn unter diesem Deckel graben die Arbeiter weiter - etwa 40 Meter in die Tiefe. Im Jahr 2028 sollen die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke und das Zugangsgebäude am Hauptbahnhof, der sogenannte Nukleus, fertig sein.
Da inzwischen beschlossen wurde, am Hauptbahnhof auch gleich noch den Rohbau einer Station für die geplante U 9 zu errichten, wird die Baugrube auch ein Stück weit in die Gleishalle hinein ragen. Wo dort genau gearbeitet werden wird, ist aber noch unklar.
Wann kommt der neue Hauptbahnhof?
Wenn es optimal laufe, dann würden im Jahr 2028 die zweite S-Bahn-Stammstrecke und das neue Empfangsgebäude gleichzeitig fertig, sagt die Bahn. Diese Prognose ist aber mit Vorsicht zu genießen, Zeitpläne können sich bei solchen Großprojekten ständig ändern, wie sich ja auch bei der zweiten Stammstrecke schon gezeigt hat. Die neue Halle wird 35 Meter und sieben Stockwerke hoch sein und ein Service-Zentrum, Gastronomie und Büros beinhalten. Mit den Mieteinnahmen will sich die Bahn einen Teil der Baukosten wieder hereinholen.
Was bleibt vom alten Bahnhofsgebäude erhalten?
Nicht viel: Das unter Denkmalschutz stehende, als "Alpenmosaik" bekannte Plattenrelief des Künstlers Rupprecht Geiger, das die 1960 errichtete Außenfassade am Bahnhofplatz zierte, wurde bereits im November 2018 demontiert. Es soll aber erhalten bleiben und mitsamt der Uhr im künftigen Neubau einen neuen Platz finden.
Nachdem das Areal von Schutt und Erde vollständig befreit ist, kann im Februar mit dem Tiefbau begonnen werden. Die Station soll 43 Meter in die Erde eingelassen werden.
Was hinter dem Bauzaun vor dem Hauptbahnhof geschieht, wissen Martin Wieser (rechts), Projektleiter dieser S-Bahn-Station der zweiten Stammstrecke, und Ulrich Axmann, Teilprojektleiter Abbruch, am besten.
Von einem nahe gelegenen Hotel aus kann man auf das riesige Areal herunter blicken. Den Passanten bleibt die Baustelle normalerweise verborgen.
Auf dem Gelände gab es nicht nur viel Erde, die abgetragen werden musste, sondern auch alte Rohre, Kabel, Stahlträger und andere Dinge, die direkt vor Ort getrennt gesammelt werden.
Der Abriss offenbart auch längst vergessene Eckchen des Hauptbahnhofs.
Hier steht man auf der ersten Tiefebene, wo es früher von der Schalterhalle Richtung U1 und U2 ging. Auf der rechten Seite war der FC-Bayern-Fanshop.
Der Lärm scheucht immer wieder Vögel auf, die es sich an den Resten des alten Bahnhofs gemütlich gemacht haben.
Um die Baustelle herum brummt der Betrieb wie gehabt weiter: Pro Tag zählt die Deutsche Bahn mittlerweile mehr als 450.000 Reisende am Münchner Hauptbahnhof.
Wo wird noch gebaut?
Voraussichtlich von 2023 an soll auch der Starnberger Flügelbahnhof neu gebaut werden. Die Bahn plant, das heutige Gebäude an der Arnulfstraße abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, dessen markanter Büroturm umstritten ist. Seit das Architekturbüro Auer Weber einen neuen Entwurf vorgelegt hat, wonach der Turm nur noch 69 Meter hoch werden soll statt ursprünglich mehr als 80 Meter, zeigen sich auch die Münchner Stadtgestaltungskommission und der Denkmalschutz zufrieden. In diesem Neubau würde dann der Eingang am Starnberger Flügelbahnhof etwa 20 Meter nach Westen verlegt, sodass die Passagiere von der Arnulfstraße direkt auf den Querbahnsteig gelangen. Für den Starnberger Flügelbahnhof gibt die Bahn noch keine Zeitprognosen ab, solange keine Abriss- und Baugenehmigung vorliegen.
Bahnhofs-Chefin Mareike Schoppe hat allerdings wiederholt betont, dass vom Jahr 2030 an der Hauptbahnhof München frei von größeren Baustellen sein soll. Denn auch die unter Denkmalschutz stehende Gleishalle wird in den kommenden Jahren nicht von Bauarbeiten verschont, die Sanierung des Daches steht an. Auch hier ist der Zeitplan noch offen. Ob übrigens der Bahnhofplatz, wie von Auer Weber gewünscht, autofrei wird, der Hauptbahnhof also ein Eingangstor zur Innenstadt, ist noch offen. Diese Entscheidung obliegt dem Stadtrat.
Was sagen die Kritiker zum Abriss?
Kritische Stimmen gibt es viele: Den Entwurf der Architekten halten viele für monströs; zudem stößt einigen auf, dass der Bahnhof so viele Büro- und Geschäftsflächen bekommen soll. Mehrere Kritiker, darunter die "Initiative Münchner Architektur und Kultur" fordern deshalb eine behutsame Sanierung des Bahnhofes unter Erhalt historischer Bausubstanz. Teile des Hauptbahnhofes, etwa der Starnberger Flügelbahnhof, stehen bereits unter Denkmalschutz. Doch nicht nur diese sollten nach Ansicht der Abrissgegner erhalten bleiben. Auch die alte Schalterhalle sei Teil eines schützenswerten Ensembles, sagten sie unter Berufung auf eine Studie des Denkmalschutzrechtlers Dieter Martin. Auf diese Weise versuchten sie im Mai, in letzter Minute noch den Bau der zweiten Stammstrecke zu stoppen - ohne Erfolg.