SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 83:Ein gesundes Baby auf der Intensivstation

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Vor allem die erste Zeit nach der Geburt empfinden viele Mütter als sehr prägend für die Bindung zu ihrem Kind. (Foto: Remo Casilli/REUTERS)

Nur zwei Wochen nach der Geburt ihres Babys hat eine Patienten von Pola Gülbergs Intensivstation einen Schlaganfall erlitten. Ein schlimmer Schicksalsschlag für die junge Familie - doch dank der Initiative einer Kollegin konnten bald alle wieder lächeln.

Protokoll: Johanna Feckl

Manchmal erleben wir auf der Intensivstation Fälle, die sehr schlimm und sehr schön zugleich sind - es ist eine Frage der Perspektive. So war es auch bei einer jungen Frau, Anfang 20. Sie kam zur Überwachung zu uns, kurz zuvor wurde ihr unter Narkose eine Thrombose entfernt: Unsere Patientin hatte einen Schlaganfall erlitten. Ihre rechte Körperhälfte war seitdem gelähmt, außerdem hatte sie eine Sprachstörung, Aphasie nennt man so etwas. Als ob das nicht schon einschneidend genug wäre - ein Schlaganfall in solch jungen Jahren ist äußerst selten -, kam noch ein Aspekt hinzu: Die Frau war erst vor zwei Wochen Mutter geworden, bis zu dem Vorfall stillte sie ihr neugeborenes Baby.

Trotz halbseitiger Gesichtslähmung hat man ihr an der verbliebenen Mimik angemerkt, dass sie aufgeregt, ja beinahe schon panisch war, als sie aus der Narkose aufwachte. Klar, wenn man sich vorstellt, dass man sich auf einmal im Krankenhaus wiederfindet, sprechen oder gestikulieren möchte, aber es einfach nicht geht - viele Schlaganfall-Patienten reagieren da ähnlich wie die junge Frau.

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An Weihnachten sitzen Patienten und Pflegekräfte im selben Boot - sie alle können nicht bei der Familie sein. Julia Rettenberger versucht trotzdem, den Tag so positiv wir möglich zu gestalten.

Protokoll von Johanna Feckl

Aber wenn man dann noch bedenkt, dass sie nun auf einmal nicht mehr bei ihrem kleinen Baby sein und es stillen konnte - das ist eine grausame Vorstellung. Ich bin selbst Mutter und kann mich noch gut an die ersten Wochen nach der Geburt meines Sohnes erinnern. Nicht auszudenken, wenn ich in dieser besonders wichtigen Zeit nicht bei ihm hätte sein können.

Doch auf einmal hatte meine Kollegin, die an diesem Tag für die junge Mutter zuständig war, eine Idee: Weil wir aufgrund von Personalmangel weniger Betten fuhren als für gewöhnlich, hatten wir ein Patientenzimmer frei - warum dann nicht die Frau in dieses Zimmer verlegen und es möglich machen, dass sie dort gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Baby bleiben kann? Unsere Chefs waren einverstanden. Und aus der Gynäkologie kam das OK, dass sie trotz der kurzen Narkose stillen kann, nur einmal sollte sie sicherheitshalber abpumpen und die Muttermilch verwerfen. Dem Plan stand also nichts mehr im Weg.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So schnell wie der Mann mit dem gemeinsamen Baby bei uns auf der Intensiv eingetroffen war, muss er überglücklich über den Vorschlag meiner Kollegin gewesen sein. Als er dann in das Zimmer trat und seiner Frau das Kind in die Arme legte, entspannte sie sich. Die junge Familie war wieder zusammen.

Nach drei Tagen konnte die Patientin schon auf Normalstation verlegt werden. Auch dort war es möglich, dass sie mit Mann und Baby in einem Familienzimmer untergebracht war. Jetzt in der Weihnachtszeit kommt mir diese Geschichte wieder öfter in Erinnerung - in einer Zeit, die für viele Familien besonders wichtig ist. Denn wir haben es geschafft, eine Familie trotz schwerem Schicksalsschlag zusammenzuführen.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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