Ausstellung in Freising:Gewebter Widerstand

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Das Diözesanmuseum wird zum "Fight Club" durch die Wandteppich-Bilder von Beate Passow. (Foto: Thomas Dashuber)

Beate Passow setzt sich in ihrer Tapisserie-Serie "Fight Club" mit dem Kampf der Frauen um Gleichstellung auseinander und entdeckt ungewöhnliche Zusammenhänge.

Von Sabine Reithmaier

Beate Passow ist eine streitbare Person. Sagt sie jedenfalls. "Das muss in meiner Arbeit sichtbar sein." Weshalb die Münchner Foto- und Collagenkünstlerin keine Blumenstillleben malt, "obwohl ich sie gern mag". Sondern sich nahezu gezwungen sieht, in ihren mit viel Witz inszenierten Werken fragwürdige Machstrukturen zu entlarven. Das tut sie auch in ihrer jüngsten Arbeit: "Fight Club", einer neunteiligen Tapisserie-Serie, gerade im obersten Lichthofumgang des Freisinger Diözesanmuseum zu sehen. Ein pointierter, ästhetischer Kommentar, nicht nur zum Kampf der Frauen um Gleichstellung, sondern auch zu der Rolle, die Religion und Kirche darin spielen.

Das Positive an Letzterem zuerst: Die Nonnen im Kloster Beuerberg achteten auf die Leibeserziehung der ihnen anvertrauten Mädchen. Passow hat dort historische Fotos gefunden und diese kurzerhand auf den Trikots der in einem Kopfballduell hochspringenden Fußballerinnen Alexandra Popp und Wendie Renhard platziert. "Wir wären im Frauensport bestimmt nicht so weit ohne die Gymnastik der Nonnen", spöttelt sie.

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Ihre Wandteppiche basieren auf Collagen, die sie aus Fotos - "alle bezahlt" - am Computer zusammensetzt. Gewebt werden sie im Augsburger Textil- und Industriemuseum. Passow schwärmt von der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Weberei dort, die ihre oft in unendlich vielen Grautönen changierenden Collagen perfekt umsetzt, natürlich ebenfalls erst am Computer. Der Vorteil der Tapisserien: "Ich kann sie rollen und noch selbst tragen", sagt die 78-jährige Künstlerin.

Beate Passow sieht sich als streitbare Person. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Ausgangspunkt für "Fight Club": "Eine Antwort auf die Frage zu finden, wann und warum Frauen ihre Komfortzone verlassen haben, um auf die Straße zu gehen." Die Serie setzt Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Auseinandersetzung um das Frauenwahlrecht ein. Kein aggressiver Gestus ist zu entdecken. Im Gegenteil, Anita Augspurg und ihre Mistreiterinnen blicken mit den lässig am Kinn abgestützten Bleistiften eher kokett in die Kamera. Die schwarzen Vertreterinnen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, mit ihren "Register"-Plakaten, von Passow als gegenläufige Reihe darüber platziert, lächeln sanft. Nichts ist zu spüren von den blutigen Kämpfen, die 1965 in den Südstaaten um das Wahlrecht tobten.

Im Werk "Das Wahlrecht" blicken Anita Augspurg und ihre Mitstreiterinnen kokett den Betrachter an. (Foto: Marco Einfeldt)

Passow setzt auch ermordeten Journalistinnen ein Mahnmal mit erloschenen Bildschirmen als Grabtafeln, lässt einen überdimensionierten Krokodilskopf nach den halbnackten Körpern der demonstrierenden Femen-Frauen schnappen oder erinnert mit einem weißen Taufkleid in einer Moorlandschaft an den Paragrafen 218. Irgendwann hatte sie das Gefühl, Frauen "zu heilig" (Passow) darzustellen. Da Letztere aber auch Gewalt können, holte sie eine geduckt wartende, gegen den IS kämpfende Peschmerga-Soldatin aus dem Irak in die Serie. Die eigentliche Bedrohung lauert freilich hinter ihr: eine Plakatwand mit der Kleiderordnung der Terrororganisation IS, die Frauen jegliche Selbstbestimmung raubt.

In ihrem Werk "Klösterliche Leibesübungen" hat Passow Fotos von Beuerberger Klosterschülerinnen auf die Körper der Fußballerinnen Alexandra Popp und Wendie Renhard montiert. (Foto: Marco Einfeldt)

Passows Bildwelten sind meist schwarzweiß. Eine Ausnahme macht sie für "#Metoo", wenn sie den männlichen und weiblichen Models pinke "Hirnmützen" aufsetzt. Farbe auch für "Maria 2.0": Mitten in den Eröffnungsgottesdienst der Amazonassynode der katholischen Kirche - "Der Klerus steht stramm wie beim Militär" - hat sie in Kreuzform die Auftaktdemonstration der Frauen-Initiative Maria 2.0 in Fulda montiert. Lachende Frauen, die pinkfarbene Luftballonkreuze tragen. "Wohltuend ungeordnet", findet Passow. "Habe ich da platziert, wo sie hinwollen: In der Mitte." Wobei - Passow schüttelt missbilligend den Kopf - ihrer Ansicht nach sind die Maria-2.0-Frauen noch viel zu zahm. "Die müssten sich weigern, noch irgendeinen Strich für die Kirche zu tun."

"Fight Club" ist nicht die erste Serie, in der sich Passow mit Frauen auseinandersetzt. Berühmt ist ihr Zyklus "Lotuslillies" (2000), in dem sie Frauen porträtierte, die durch die Einschnürung ihrer Füße verkrüppelt worden waren. 1999 hatte sie in Los Angeles in einem Laden kleine, komische Schuhe mit hohen Absätzen entdeckt. Von der Verkäuferin erfuhr sie, dass die Schuhe aus China stammten und dort noch Frauen mit "Lotosfüßen" lebten. "Ich wusste, ich muss da hin."

Auf dem Wandteppich "#Metoo" hat die Künstlerin männlichen und weiblichen Models pinke "Hirnmützen" aufgesetzt. (Foto: Marco Einfeldt)

Wundmale festhalten, bevor sie verschwinden, hat sie früh als ihre Aufgabe definiert. Erst an Gebäuden, als sie gemeinsam mit Andreas von Weizsäcker (1956-2008) in europäischen Ländern Spuren des Krieges dokumentierte und sichtbar machte ("Wunden der Erinnerung"), später im großartigen Zyklus "Zähler = Nenner" (1995/97), in dem sie die Unterarme von Auschwitzüberlebenden mit eintätowierten KZ-Nummern fotografierte.

Passows künstlerische Karriere begann vergleichsweise spät. Sie studierte noch an der Münchner Akademie, als sie heiratete, ein Kind bekam und "kleine Bildchen" malte. Als der Sohn 18 war, verließ sie die Familie. "Dann habe ich losgelegt", sagt sie, erzählt von ihrer ersten "richtigen" Arbeit: einem Hochsitz mit vergoldeter Kanzel, gemünzt auf den Jäger Franz Josef Strauß, letztlich aber eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater, einem nationalsozialistischen, in Krakau eingesetzten Oberforstrat. "Der Nazi-Vater war eine belastende Herausforderung", sagt Passow. Den Kampfgeist habe sie eher von ihrer polnischen Mutter geerbt, die 1945, dem Geburtsjahr der Künstlerin, in einem kleinen Nest in Niedersachsen landete und sich, der Vater war in Gefangenschaft, mit zwei kleinen Töchtern allein durchschlagen musste. "Vermutlich habe ich von ihr mitbekommen, dass man gegen alle Widerstände etwas auf die Beine bringen kann."

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus prägte ihre Kunst jahrelang. "Doch als ich nach meinem Stipendium aus Israel zurückkam, war mir klar, ich bin mit diesem Strang fertig", erinnert sich Passow. Die Zeit war reif, sich anderen Wunden zu widmen. Sie reiste nach China, empfand das als Befreiung. "Ich hatte das Gefühl, die Welt stand mir offen." Jahrelang war sie viel unterwegs, fotografierte die ersten Prostituierten in Lhasa, geistig behinderte Chuas in Pakistan oder Frauen mit Schleier und Burka im Iran.

Mitten in den Eröffnungsgottesdienst der Amazonassynode der katholischen Kirche hat die Künstlerin in Kreuzform die Auftaktdemonstration der Frauen-Initiative Maria 2.0 in Fulda montiert. (Foto: Marco Einfeldt)

In jüngerer Zeit setzt sie sich viel mit Europa auseinander. Noch nicht abgeschlossen hat sie die Arbeit am vielteiligen Zyklus "Monkey Business", in dem sie die politischen Bewegungen des gegenwärtigen Europa hinterfragt. Österreich fehle noch, sagt Passow. "Klimt, Falco, Strache - da fällt mir zu viel ein, das ist nicht gut für das Bild."

Auszeichnungen hat Passow für ihre Kunst etliche erhalten, unter anderem 2016 den Gabriele-Münter-Preis für ihre konsequente künstlerische Haltung im Gesamtwerk. Leicht zu verkaufen sind ihre Werke aber nicht. Beklagen will sie sich nicht. Allerdings: "Als Mann wäre ich sicher in größeren Häusern vertreten."

Beate Passow: Fight Club, bis 10.9., Diözesanmuseum Freising

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