Der Deutsche Fußball-Bund hat sich kürzlich Tadel eingehandelt, weil er die jähe Tätigkeitsunterbrechung für Hans-Dieter Flick ziemlich exakt in jenem Moment verkündete, in dem Deutschland erstmals Basketball-Weltmeister geworden ist. So etwas geht nicht, Menschen werden auf so eine Art regelrecht wuschig gemacht: Im Sozialnetzwerk rasch Resonanz für das eine, das Traurige, einheimsen - oder für das völlig andere, das Überschwängliche?
Das Kleine spiegelt sich ja immer im Großen und so hatte Würzburg exakt drei Wochen später seinen Bundestrainer-Rauswurf-Basketball-Weltmeister-Moment. Wie in der Causa Flick - das Spiel gegen Japan - hatte sich auch am Main alles auf ein Wochenende zugespitzt: das sich ankündigende Ende der Bratwurstbude "Knüpfing" am Marktplatz, ein, jawohl, historischer Stadtmoment.

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Tage zuvor schon hatte sich die ehedem übliche Tagesschlange vor der Bude auf ein Vielfaches verlängert, Würzburger standen sich die Beine in den Bauch für einmal noch "Geknickte", dabei fotografierten sie sich, den Endsenf, ihre Abschlusswurst. In den Stadtchroniken werden Historiker später Weniges so detailliert rekonstruieren können wie die letzten Stunden der Knüpfing-Wurst, eine Nachkriegsinstanz dieser Welterbestadt.
Und als sich alles schon melancholisch in den Armen lag - wie nach der Debakelniederlage gegen Japan -, platzte in Würzburg plötzlich die Kunde von anderem in die Netzwerke, etwas, das offenbar völlig konträre Hormone in Gang setzte und (mindestens ebenso gut in den Netzwerken dokumentiert) zu allgemeinem Emotionstumult in Mainfranken führte: Wir sind Weinkönigin!
Wurst weg, Weinkönigin da, mehr Gefühl geht nicht am Main. Und um historisch ganz exakt zu sein: In der Nacht auf den letzten Septembersamstag ging die deutsche Weinkrone nach Franken, schon am Vormittag jenes Samstags, des ultimativ letzten Knüpfing-Tages, beobachtete Jan Wiesner an der Knüpfing-Bude eine sich selbst fotografierende Menschenschlange quer über den Marktplatz - eine Menge wie sonst nur auf der Alten Mainbrücke, den Wein zelebrierend.
Wiesner muss es übrigens wissen, er stand nämlich in der Bude. Was die Würzburger nicht wissen konnten: Anderthalb Jahre lang war der Koch und Betriebswirt bereits angelernt worden, undercover: Wurst zubereiten wie die Knüpfings, Wurst braten wie die Knüpfings, Wurst knicken wie die Knüpfings, Wurst mit Senf benetzen wie die Knüpfings, das alles ist Wiesner aufs Akkurateste beigebracht worden.
Fünf Tage nach dem Aus hat Wiesner die Bude wieder aufgemacht, es gibt nun wieder Geknickte in Würzburg. Die übliche Schlange vor der Wurst? Sei momentan meist noch länger als in all den Knüpfing-Jahren, berichtet er. Aber auch das kennt man ja. Sehnt sich dieser Tage noch irgendwer nach Flick-Fußball?