Übernachtungszahlen:Die Touristen kommen, aber das Personal fehlt

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Im oberbayerischen Alpenvorland tun sich für Gäste und inzwischen auch wieder für die Gastgeber verheißungsvolle Perspektiven auf. (Foto: Markus Lange/mauritius)

Oberbayerns Tourismus sieht sich nach vielen harten Corona-Monaten wieder im Aufwind. Steigende Infektionszahlen schrecken die Fremdenverkehrswerber vorerst nicht - die Probleme liegen woanders.

Von Matthias Köpf, München

Der Name "Pfaffenwinkel" klingt vergleichsweise beschaulich, und nicht nur Susanne Lengger ist das auch ganz recht so. "Da ist nichts los", habe es früher immer geheißen. Susanne Lengger soll als Geschäftsführerin des Tourismusverbands Pfaffenwinkel zwar ausdrücklich dafür sorgen, dass fremdenverkehrsmäßig eben doch was los ist im Landkreis Weilheim-Schongau. Gerade deswegen hat ihr dieses alte Image abgeschiedener Langweiligkeit zuletzt aber recht gut durch die Krise geholfen. Denn das Ländliche, wo man in erholsamer Ruhe für sich sein kann, war gefragt in Corona-Zeiten.

Und so lange aus dieser Nachfrage kein Massenphänomen samt Verkehrsproblem und hitzig geführter Overtourismus-Debatten erwächst wie am Tegernsee oder am Walchensee, konnte eine Fremdenverkehrsregion wie der Pfaffenwinkel damit ganz gut durch die Pandemie kommen. Natürlich haben zuletzt auch dort die Gastgeber gelitten, so wie alle anderen in ganz Bayern. Lenggers Beispiel aber sollte Mut machen, als der Tourismusverband Oberbayern München (TOM) am Donnerstag nach dem heurigen Sommer Bilanz gezogen hat.

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Die Zahlen, die TOM-Geschäftsführer Oswald Pehel, der Verbandspräsident und Rosenheimer CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner und der Unternehmensberater Lars Bengsch vorgestellt haben, werden wie alle Zahlen erst im Vergleich aussagekräftig. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor Corona, wären sie durchwegs verheerend.

So ist die Zahl der Übernachtungen von Januar bis August 2021 im Vergleich zum selben Zeitraum 2019 um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Schließlich saß die ganze Branche dieses Jahr bis Mitte Mai im Lockdown fest. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2020 steht immer noch ein Minus von 17,7 Prozent. Doch der jüngste Sommer macht Oberbayerns Touristikern Hoffnung.

Beliebt waren Campingplätze und Ferienwohnungen

In den Monaten Juni bis August lagen die Übernachtungszahlen demnach deutlich über denen des Sommers 2020 und erreichten speziell in den Ferienregionen am Alpenrand teilweise sogar wieder das Niveau aus dem Sommer 2019. In Susanne Lenggers Pfaffenwinkel zum Beispiel fehlten da nur noch 2,2 Prozent. Im Chiemgau, im Tölzer Land und unterhalb der Zugspitze war es ganz ähnlich.

Auch dort durften sich vor allem die Betreiber von Campingplätzen und die Vermieter von Ferienwohnungen über mehr Gäste freuen, die zudem länger blieben. Denn in der Pandemie wollten die Leute für sich sein können, lautet die Analyse im TOM. Angesichts weltweiter Reisebeschränkungen und der Verunsicherung wegen wechselnder Regeln an den Grenzen kamen zwar kaum Gäste aus dem Ausland. Dafür kamen die Deutschen nicht nur für ihren Zweit- oder Dritturlaub nach Oberbayern, sondern verbrachten häufiger den wichtigsten und längsten Urlaub des Jahres im Land. Erst im August registrierten die Touristiker bei allgemein nach oben weisenden Zahlen auch wieder deutlich mehr ausländische Gäste.

Die haben vor allem der Landeshauptstadt lange gefehlt, wo sie in normalen Jahren etwa die Hälfte aller Gäste ausmachen. Weil mangels Anlässen auch die Geschäftsreisenden und Messebesucher ausgeblieben sind, kam die Münchner Hotellerie weit schlechter aus den beiden Lockdowns als die Betriebe in den klassischen Ferienregionen.

Die Erkenntnis? Stadt und Land brauchen sich

Die Auslastung ging von 2019 auf 2020 stark zurück, und gesenkte Zimmerpreise richteten dagegen wenig aus, sondern gingen deutlich auf Kosten des Erlöses pro Zimmer, der von mehr als 100 auf gut 40 Euro sank. Zuletzt gaben laut TOM aber die EM-Fußballspiele, die Mobilitätsmesse IAA und die hybrid abgehaltene Messe Expo Real auch den Münchner Hotels den ersehnten Schub.

Peter Inselkammer, in seinem Hotel Platzl am Donnerstag auch Gastgeber der TOM-Präsentation, lobte vor allem die Münchner Wirtshaus-Wiesn. "Es war eine Lebensfreude in der Stadt, eine Begeisterung, das hätten wir uns gar nicht so vorstellen können." 2022 werde es statt einer Wirtshaus-Wiesn aber sicher wieder ein richtiges Oktoberfest geben.

Für TOM-Präsident Stöttner ist in der Pandemie in Stadt und Land die Erkenntnis gereift, "dass wir uns gegenseitig brauchen". 40 Prozent des gesamten Tourismus-Geschäfts in Bayern entfielen auf Oberbayern. Damit sei die Region auch deutschlandweit ein Schwergewicht. Der einst als Branche oft belächelte Tourismus trage einen großen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg in Bayern bei.

Was dem Gewerbe fehlt, sind inzwischen oft weniger die Gäste, sondern mehr das Personal. Von Sommer 2019 auf Sommer 2020 hätten mehr als 17 Prozent und bis zu diesem Sommer weitere fünf Prozent der Beschäftigten dem Tourismus den Rücken gekehrt, rechnet Unternehmensberater Bengsch vor. "Jeder Fünfte arbeitet nicht mehr in der Branche."

Das geht auch den Hotels und Gaststätten im Pfaffenwinkel so. "Es sind viele, die sich andere Jobs gesucht haben", sagt Susanne Lengger. Etliche Betriebe dort hätten deshalb inzwischen sogar schon mehrere Ruhetage pro Woche eingeführt. In München mit seinem großen Angebot ist so etwas für jeden Hungrigen und Durstigen verkraftbar. In manchen Orten im Pfaffenwinkel, in dem es überhaupt nur einen oder zwei Betriebe gebe, ist es aus Lenggers Sicht aber durchaus "systemkritisch", wenn beide am gleichen Tag geschlossen haben.

Insofern sieht es Lengger nun nicht nur als ihre aktuelle Aufgabe an, die Gäste "zu gewinnen, begeistern und zu halten", sondern auch das Personal. Von aktuell stark steigenden Corona-Zahlen lässt sich die Branche laut Oswald Pehel da nicht entmutigen. "Die Impfung ist der Sicherheitsgurt für uns im Tourismus."

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