Der bullige Mann auf dem Zeugenstuhl im Landtag trägt Jeans mit dicker Schlüsselkette dran und ein blau-gelb kariertes Hemd. Aus dem Kragen blitzen Tattoos hervor. Irgendwo an diesem Körper müssen diese in die Haut gestochenen Straftaten gewesen sein. Die Wörter "Die Jew Die", also "Stirb, Jude, stirb". Oder die Zahl 88, ein Code für "Heil Hitler" in der Szene. "Alles, was strafrechtlich relevant ist", sagt André Eminger, 43, sei schon weg, überstochen. Und "ein Großteil nationalsozialistisches Zeug" sei entfernt, "da bin ich noch am Arbeiten". Er darf jetzt wieder mit seinen Kindern ins Freibad gehen, ohne eine Anzeige wegen Volksverhetzung zu riskieren. Passend zu seinem, nach eigener Auskunft, neuen Leben.
Der Untersuchungsausschuss zu den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Bayern tagt am Montag. Eminger war im NSU-Prozess angeklagt, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie wegen Beihilfe unter anderem zu versuchtem Mord. Die Bundesanwaltschaft forderte zwölf Jahre Haft, sah ihn sogar als "vierten Mann" des Terror-Trios. Er hatte den untergetauchten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe geholfen, mit Sachmitteln. Und hatte Zschäpe mit dem Ausweis seiner Frau als seine Gattin ausgegeben, um sie vor der Polizei zu tarnen. Doch er kam mangels konkreten Nachweises der Mitplanung mit zweieinhalb Jahren davon; zum Jubel von rechtsextremistischen Zuschauern bei Gericht, zur Demütigung von Angehörigen der türkisch- und griechischstämmigen Mordopfer. 2021 wurde das Urteil rechtskräftig. Inzwischen befindet sich Eminger in einem sächsischen Szene-Aussteigerprogramm.
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Der U-Ausschuss ist auf der Zielgeraden, Sitzungstag Nummer 35. Seit gut einem Jahr wühlt sich das Gremium durch Akten, befragt Zeugen aus Politik, Sicherheitsbehörden und der Neonazi-Szene. Es geht unter anderem darum, welche unbekannten Unterstützer das Trio womöglich hatte. Und warum gerade in Bayern fünf der zehn NSU-Mordopfer lebten, wie die Terrorzelle mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt bleiben konnte - bis sie sich mit dem Suizid der beiden Männer 2011 selbst enttarnte. Zschäpe wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, im Mai befragte sie der U-Ausschuss, nicht-öffentlich in der JVA Chemnitz.
Eminger, heißt es vor der Sitzung unter Abgeordneten, könne jetzt unter Beweis stellen, wie ernst ihm sein Ausstieg sei, und als engste Bezugsperson des NSU auspacken. Zunächst fragt ihn Ausschusschef Toni Schuberl (Grüne): Ist er noch "Nationalsozialist mit Haut und Haaren"? So hatte ihn sein Anwalt beim Plädoyer im NSU-Prozess genannt, unter Nicken Emingers. "Nein, ganz im Gegenteil", sagt der Zeuge. Er wolle "einfach ein ganz normales Leben führen", Arbeit, Familie - "politische Sachen haben da keinen Platz". Er habe sich "tatsächlich gewandelt", für ihn zählten nur noch "Menschen und Charakter, Herkunft egal". Jeder Mensch habe doch bitte eine Chance verdient, findet er, auch wenn man ein Nazi war.
Der Zeuge beschreibt sich, als er das Trio kennenlernte, als keineswegs hoch politisiert, etwa 18 Jahre alt: Da habe er sich "keine Gedanken gemacht, irgendeine Scheiße tätowieren lassen", wenn man "in dem Wahn drin" sei. "Nicht aus vollem Bewusstsein, weil ich Juden töten wollte", sondern weil das ein Szene-Songtitel gewesen sei. Sein Hauptziel damals sei gewesen, auf Nazi-Konzerte zu fahren, gemeinsam zu saufen, Spaß zu haben. "Ich war nicht so der völkische Nazi oder was weiß ich." Und er habe im Grunde nichts gewusst, auf keinen Fall von den Morden. Die NSU-Leute hätten ihm "ja nicht auf die Nase gebunden, dass sie einen umgebracht haben", er habe wohl als "Plappermaul" gegolten. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den Kontakt abgebrochen" und wäre "wahrscheinlich" sogar zur Polizei gegangen.
Ob er später wusste, warum die drei untertauchten? Das wurde, meint Eminger, "nur so kommuniziert, dass der eine, der Böhnhardt, einen Haftbefehl hat irgendwie" - er dachte an Sachbeschädigung oder Körperverletzung -, "die wollten den nicht alleine gehen lassen, als gute Freunde. Deswegen sind sie abgehauen". Er sei "nicht so ein Mensch, dass ich da nachfrage". Erst 2007 habe er sich erkundigt, ob das nicht längst verjährt sei, da habe ihm Zschäpe von Banküberfällen berichtet. Trotzdem habe er damals die Sache mit dem Ausweis der Ehefrau eingefädelt, aus "Verblendung". Er half dem NSU noch bis 2011. Neuigkeiten zu Tatorten und Opfern in Bayern ergibt die Befragung zunächst nicht.
Schuberls vorläufiges Fazit, die Sitzung dauert länger: Er fühle sich "verarscht", es sei "völlig unplausibel", dass er unpolitisch einfach so ein Mördertrio unterstützt habe. Er sei halt "nicht Nazi gewesen, weil ich Leute erschießen wollte", entgegnet Eminger, er sei "trotzdem ein normaler Mensch. Und ich will nicht so behandelt werden, als hätte ich das gemacht."