NSU:Der wehrhafte Rechtsstaat? Da lachen ja die braunen Brüder

Bundesgerichtshof verhandelt zu NSU

Nicht jeder teilt das Urteil gegen den NSU-Helfer André Eminger nur wegen Unterstützung einer Terrorvereinigung.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Nun ist auch das letzte NSU-Urteil rechtskräftig: André Eminger hat nichts mehr zu befürchten. Also alles in Ordnung? Leider nur juristisch.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Es ist zu Ende. Der Bundesgerichtshof hat die juristische Grabplatte auf den NSU-Prozess gelegt, über all die Toten und auch die Untoten, die die Mordserie der rechtsradikalen Terrorbande NSU hinterlassen hat. Nun ist auch das letzte Urteil rechtskräftig. Man könnte erleichtert sein darüber, wenn es nicht so bitter wäre. Denn diese letzte Entscheidung bedeutet vor allem eines: Sie gibt dem rechtsradikalen Netzwerk rund um den NSU die Gewissheit, dass ihm der Staat nichts mehr anhaben kann. Die braunen Kameraden werden wieder das Triumphgeheul anstimmen so wie schon 2018 beim Urteil im NSU-Prozess. Sie werden sich nun umso ungenierter verhalten.

Sehr selten gelingt es der Justiz, so konsequent an der Wirklichkeit vorbei zu entscheiden wie das Oberlandesgericht München im Fall des Angeklagten André Eminger. Eine Entscheidung, die nun der Bundesgerichtshof auch noch gehalten hat: Eminger, der engste Vertraute des Terrortrios, bekennender Nationalsozialist, einer, der als Ikone der Szene hofiert wird, muss nicht mehr vor Gericht, wie das die Bundesanwaltschaft gefordert hatte.

Der Bundesgerichtshof prüfte nur, ob die Würdigung der Beweise "möglich" ist

Die Münchner Richter hatten Eminger geglaubt, dass er jahrelang nichts von den Morden seiner Freunde gewusst hat - obwohl er sie mit Geld, Wohnungen und Bahncards unterstützte, obwohl er für sie Wohnmobile anmietete, mit denen sie zu einem Sprengstoffanschlag und zu Raubüberfällen fuhren, und obwohl er Beate Zschäpe sogar als seine Frau ausgab, um sie vor der Polizei zu tarnen. Den beiden toten NSU-Mördern hat er bei sich im Wohnzimmer einen Hausaltar eingerichtet. Dieser Mann soll nichts als ein Freund, ein guter Freund gewesen sein - so als hätten die NSU-Mörder ihn beim Malkurs in der Volkshochschule kennengelernt und nicht auf Skinhead-Konzerten. Man muss das alles nicht für lebensnah halten.

Aber der Bundesgerichtshof hat bei der Revision nur geprüft, ob diese Würdigung der Beweise durch das OLG "möglich" ist, nicht ob sie "zwingend" ist. Und für möglich hält der BGH offenbar vieles, vielleicht auch, dass sich der Neonazi Eminger gleich morgen beim Aussteigerprogramm anmeldet.

André Eminger ist statt zu zwölf Jahren wegen Beihilfe zum versuchten Mord nur zu zweieinhalb Jahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Er lebt seit 2018 als freier Mann. Dass einer wie er so billig davonkommt, ist für seine Freunde nur eine Bestätigung: Schweigen zahlt sich aus. Eminger hatte als einziger der fünf Angeklagten im NSU-Prozess konsequent geschwiegen. "Brüder schweigen" stand auf seinem T-Shirt, eine Aufforderung auch an die Zeugen aus der Szene. Die hielten sich daran.

Weitere Verfahren gegen NSU-Helfer wird es kaum geben

Die neun Ermittlungsverfahren gegen rechtsradikale Helfer des NSU, die noch bei der Bundesanwaltschaft liegen, kann man nun getrost vergessen. Denn wenn es die Justiz noch nicht mal schafft, den engsten Vertrauten des NSU zu verurteilen, was will sie dann gegen die Leute ins Feld führen, die dem NSU nur hin und wieder zur Hand gingen?

Rein rechtlich ist nun alles in Ordnung. Die Justiz hat den Mammutprozess mit einem 3000-Seiten-Urteil abgeschlossen, doppelt und dreifach abgesichert, nach dem Motto: Viel hilft viel. Alle Urteile sind rechtskräftig. Und im wahren Leben? Nur die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sitzt in Haft, verurteilt zu lebenslänglich. Alle anderen NSU-Helfer sind frei. Sie schwimmen wie die Fische im Wasser unter Corona-Leugnern und Pegidisten. Und längst formieren sich wieder rechtsradikale Mörderbanden, die über die Mär vom wehrhaften Rechtsstaat nur lachen.

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