Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg:Söder baut auf Kernkraft und neue Allianzen

Lesezeit: 3 min

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag im Landtag bei seiner Regierungserklärung. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Ministerpräsident betont die Hilfsbereitschaft der Bayern, spricht aber auch von den Folgen für den Freistaat - gerade in der Energieversorgung. Die Opposition wirft ihm Versagen vor und kritisiert die Verflechtung der CSU mit Russland.

Von Andreas Glas und Johann Osel, München

In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag die Hilfsbereitschaft des Freistaats für die Ukraine betont - und sich zugleich für die rasche Unterstützung von Privathaushalten und Wirtschaft in Bayern ausgesprochen, um die finanziellen Folgen des Krieges abzufedern. "Ja, es geht um die Ukraine. Aber es geht auch um die soziale Lage der Menschen bei uns", sagte Söder. Kritik an Flüchtlingsversorgung und Energiepolitik in Bayern wies er zurück. Stattdessen nutzte Söder seine Erklärung im Landtag, um den Bund in die Pflicht zu nehmen. "Der Bund darf Länder und Kommunen nicht allein lassen", sagte der Ministerpräsident mit Blick auf die Flüchtlingshilfe. Was die hohen Benzinpreise betrifft, erneuerte er unter anderem seine Forderung nach einer höheren Pendlerpauschale und niedrigeren Steuern auf Kraftstoffe.

Laut Söder waren bis zum Dienstag insgesamt 50 000 Geflüchtete aus der Ukraine in Bayern angekommen. Dass bei der Hilfe "nicht alles perfekt und nicht alles sofort" funktioniere, sei ganz natürlich. Dennoch kündigte Söder einen Krisengipfel mit Landräten und Oberbürgermeistern an, um die weitere Organisation zu beraten. Die Konferenz soll an diesem Mittwoch stattfinden.

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Mit Blick auf den hohen russischen Gasanteil im Freistaat, sagte Söder: "Dies waren nationale Entscheidungen." Zu behaupten, dass Bayern diese Abhängigkeit selbst produziert habe, sei "im schlechtesten Fall falsch und im besten Fall politisch fragwürdig". Um sich nun von Russland unabhängig zu machen, mache es jedoch "keinen Sinn, abzuschalten, was noch läuft", sagte Söder - und erneuerte sein Plädoyer für einen befristeten Betrieb der noch laufenden deutschen Kernkraftwerke über 2022 hinaus. In Bayern, wo derzeit nur noch das Werk Isar 2 bei Landshut läuft, könne vielleicht auch das Ende 2021 abgeschaltete Kraftwerk in Gundremmingen "wieder ans Netz". Der Ministerpräsident beteuerte seine Absicht, auch die erneuerbaren Energien in Bayern weiter anzuschieben, vor allem bei Photovoltaik, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie. Er kündigte zudem eine Reise "in die Golfregion" an, um dort "für uns Reserven für erneuerbare Energien mit zu erschließen". Deutschland müsse eine "Wasserstoffnation" werden.

Bei der Windenergie hielt Söder auch am Dienstag an der 10-H-Regel fest, die hier den Ausbau blockiert. Demnach muss jedes Windrad zu den nächsten Wohnhäusern mindestens einen Abstand haben, der seiner zehnfachen Höhe entspricht. Zwar wiederholte Söder seine Ankündigung aus dem vergangenen Juli, den Bau von mindestens 500 neuen Windräder zu ermöglichen, etwa in Staatswäldern oder in sogenannten Vorranggebieten. Für den Moment brauche es allerdings "eine Brücke", nämlich das "Laufenlassen der Kernkraft".

"Wind und Sonne können nicht von Diktatoren vereinnahmt werden."

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte, "Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik", es zeige sich, "wie leichtfertig wir mit unserem fossilen Energiehunger ausländische Kriegskassen füllen". Wenn man sich die Zahlen Bayerns anschaue, so eben die Importe von Öl und Gas aus Russland, "muss man schon schlucken". Doch "Wind und Sonne können nicht von Diktatoren vereinnahmt werden, Wind und Sonne gehören niemanden, sie sind für uns alle da". Und hierbei habe die Staatsregierung eindeutig nicht genug getan, Söders Ausführungen in der Regierungserklärung seien "etwas unterkomplex" gewesen. Alleine schon bei der 10-H-Regel handele man "grob fahrlässig". Dass nun Atomkraftwerke "als Allheilmittel verkauft werden", wo deren Strom doch Gas nicht ansatzweise ersetzen könne, habe "mit seriöser Energiepolitik nichts zu tun". Von Söder hätte sich Schulze "wenigstens ein kleines selbstkritisches Wort" zur Verflechtung der CSU mit Russland gewünscht. Sie erinnerte an den Moskauer Staatsbesuch von Horst Seehofer 2017. Auch sei es nicht lange her, dass Söder Außenministerin Annalena Baerbock wegen deren Kritik an der Gaspipeline Nord-Stream 2 "Naivität" vorgeworfen habe.

AfD-Fraktionsvize Gerd Mannes sagte, die Krise lege "Defizite der Regierung schonungslos offen", doch der Ministerpräsident "scheint heimlich unsere Anträge zu studieren". So sei die AfD zum Beispiel stets für den "bewährten Strommix aus konventionellen Kraftwerken, Kernenergie und erneuerbaren Energien" eingetreten oder habe für die Wehrpflicht plädiert, während die Wehrfähigkeit von der Union "regelrecht sabotiert" worden sei. Söder hatte zuvor gefordert, das geplante 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr nicht zu zerreden. Und "vielleicht war die Abschaffung der Wehrpflicht ein großer Fehler", sie habe auf jeden Fall zu Einsparungen geführt.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn warf Söder vor, in der Krisenzeit "keine Verantwortung für das große Ganze" zu zeigen, sondern "parteipolitischen Eigenbutz" und Opposition zu Berlin "um jeden Preis". Zudem verfolge die Staatsregierung einen "energiepolitischen Irrweg". Julika Sandt, Fraktionsvize der FDP, berichtete von ihren Erfahrungen in den Anfangstagen der Fluchtbewegung am Münchner Hauptbahnhof: "Krisenmanagement sieht wirklich anders aus." Ihr fehle ein Krisenstab. ​

Am Vormittag hatte sich auch das Kabinett mit dem Thema beschäftigt. Bayern drängt den Bund auf eine umfassende Registrierung ankommender Flüchtlinge, "damit das alles nicht dem Zufall überlassen bleibt", wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach der Sitzung sagte. Die Registrierung durch die Bundespolizei an den Grenzen sei schon deshalb wichtig, weil sonst eine "vernünftige Verteilung" auf die Bundesländer nicht funktioniere. Das und ein kluges Management gerade von Bundesseite mahnte in der Landtagsdebatte auch Fabian Mehring (Freie Wähler) an. Ansonsten drohe die "Welle der Hilfsbereitschaft" womöglich abzuebben wie 2015 allmählich der Fall.

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