Fastnacht in Franken:Auch eine Fliege kann eine subtile Botschaft sein

Eine Eiskönigin, eine Kaiserin und ein Ministerpräsident als, nun ja, Ministerpräsident: Mit ihren Kostümen wollen Politiker in Veitshöchheim meist etwas aussagen. Nicht immer gelingt das.

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(Foto: Nicolas Armer)

Es ist "Fastnacht in Franken", zum 33. Mal, die erfolgreichste Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks - und dementsprechend ein Pflichttermin für die bayerische Politik. Links ist die Würzburgerin Barbara Stamm zu sehen, bis vor gut einem Jahr Landtagspräsidentin, für ewig die heimliche Schirmherrin dieser Faschingssitzung, die in guten Teilen ja eine einzige Selbstvergewisserung der Franken ist. Ebenfalls seit Langem Stammgast, von Geburt an Franke: Markus Söder. Seit er aber Ministerpräsident ist, seit zwei Jahren also, kommt er nicht mehr aufwendig verkleidet, sondern nur noch im Smoking.

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Variabel ist nur die Gestalt seiner Fliegen: Im vergangenen Jahr wählte Söder eine schwarze mit Streifen in Orange - als Hinweis auf seinen Koalitionspartner, die Freien Wähler. Diesmal gibt sich der CSU-Chef (hier mit seiner Frau Karin) als nachdenklicher Landesvater, die schwarze Fliege zieren Quadrate in Rot, Grün, Orange und Gelb. "Das ist ein ganz kleines Zeichen, dass Bayern bunt ist", sagt Söder. Ein Signal in Zeiten, da die Demokratie angegriffen werde - er sagt nicht, dass er damit die AfD meint. "Demokraten halten zusammen, auch im Fasching", sagt Söder. Veitshöchheim, das ist für Politiker immer auch eine Gelegenheit, Botschaften im Volk zu platzieren. Oder zumindest mit einem auffälligen Kostüm bei ihm zu punkten.

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Günther Beckstein zum Beispiel ist ein Meister darin. Der frühere Ministerpräsident kommt als Ludwig van Beethoven - in diesem Jahr wird schließlich der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Dummerweise hält der BR-Reporter auf dem roten Teppich Beckstein für den jungen Graf Dracula. Nein, blutrünstig war der CSU-Politiker auch zu seinen härtesten Zeiten als Innenminister nicht. Aber, kann schon mal passieren, so ein Fauxpas.

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Genauso, wenn dann ein weiterer Beethoven vor einem steht, in diesem Fall sein Namensvetter Ludwig Hartmann. Der Grünen-Fraktionschef im Landtag hat eine Spieluhr dabei als Geschenk für das Stoff-Nilpferd Amanda später in der Sendung. Von der BR-Reporterin animiert, spielt Hartmann draußen am Eingang schon einmal die Melodie vor. Ah, die "Kleine Nachtmusik", erkennt sie gleich. Oh nein, es ist Beethovens neunte Sinfonie, die "Ode an die Freude", die Hymne Europas. Knapp daneben. Die Doppelspitze der Grünen-Fraktion hat sich in diesem Jahr nicht gemeinsam kostümiert. Hartmanns Kollegin Katharina Schulze kommt als Eiskönigin Elsa aus dem erfolgreichen Disney-Film. Das sei das Ergebnis einer Umfrage auf Instagram wie auch bei ihrem Patenkind, verrät Schulze - die habe ein eindeutiges Votum ergeben. Schulze identifiziert sich mit Elsa als "coole, starke Frau", plädiert dafür, die Hälfte der Macht müsse den Frauen gehören. Damit lässt sie freilich andere, ebenfalls naheliegende politische Interpretationen aus: Klimawandel, schmelzendes Eis und so - just an dem Tag, als bekannt wird, dass in der Antarktis eine nie dagewesene Rekordtemperatur von mehr als 20 Grad gemessen wurde.

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Denn eine Grundregel für Landespolitiker in Veitshöchheim ist: Verbinde dein Outfit mit einer Botschaft. Mit einer hintergründigen am besten. Das klappt freilich nicht immer, wie Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) demonstriert, der als Sherlock Holmes kommt. "Immer auf der Suche nach Lehrkräften" sei er, sagt der mit einer Lupe ausgestattete Detektiv Piazolo also, und ein scharfer Blick sei wichtig, "damit der Schulunterricht möglichst gut ist". Hui, das ist schon reichlich subtil - und das auswendig gelernte Sprücherl gleich zweimal vor der Kamera daherzusagen, macht die Botschaft sicher noch viel überzeugender.

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Grundregel zwei: Jahrestage und Jubiläen bieten sich als Kostümanregung an. Und so kommt in die Mainfrankensäle von Veitshöchheim gleich eine ganze Hundertschaft von Politikern im Stile der 1920er-Jahre verkleidet, es haben nun ja wieder 20er-Jahre begonnen. Manfred Weber von der CSU zum Beispiel. Vor einem Jahr kam er noch im EU-Kostüm, da war er der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für die Europawahl. Im Sommer wurde er dann wider Erwarten doch nicht EU-Kommissionspräsident, seine Enttäuschung darüber ließ Weber nach außen hin in einen Bart fließen - und diesen wieder etwas gestutzt kommt er nun als britisch anmutender Gentleman daher. Eines sei anders als bei den Briten, gibt ihm sein Parteichef Söder mit auf den Weg: "Ich hoffe, du bleibst uns erhalten."

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Im Stil der 1920er-Jahre kostümiert hat sich auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner, und von allen entsprechend verkleideten Politikern ist die CSU-Frau mit Abstand die auffälligste - in ihrem violettem Kleid samt blauer Federboa und Zigarettenspitze.

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Auch SPD-Landeschefin Natascha Kohnen ist mit ihren Kostümen ein Jahrhundert zurückgegangen, sie taucht am Eingang mit den Oberbürgermeister-Kandidatinnen von Würzburg und Schweinfurt auf. An "100 Jahre Frauenwahlrecht" will das Trio erinnern. In vier Wochen ist Kommunalwahl. Der BR verzichtet an dieser Stelle auf die Einblendung "Wahlwerbesendung".

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Und damit zur FDP: Martin Hagen, der Fraktionschef der Liberalen im Landtag, erscheint als Joker. Der lacht ja auch dann, wenn es gerade nicht so lustig ist, und so viel hatte Hagen zuletzt nicht zu lachen. Vielfach kritisiert wurde er, als er öffentlich jubilierte, als in Thüringen ein Parteifreund mit den Stimmen der CDU und der rechten AfD als Ministerpräsident gewählt wurde. Kleinlaut ruderte er anderntags zurück und bat um Entschuldigung. Hagens eigene Interpretation seines Kostüms ist im Übrigen: In diesen verrückten Zeiten sei er, der Joker, "der einzige Normale".

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Ärger wegen eines Tweets zur Thüringer Wahl, der vielen Parteifreunden gar zu freudig geriet, hatte auch Dorothee Bär (CSU), Digitalministerin in Berlin. Den löschte sie schnell, das hält die Kabarettisten der "Fastnacht in Franken" in Veitshöchheim aber nicht davon ab, ihr das um die Ohren zu hauen. Wie schön ist es da doch, sich in eine royale Traumwelt hinweg zu träumen: Bär kommt als Kaiserin Sisi. An der Seite von Franzl, ihrem Gatten. Der heißt in Wirklichkeit Oliver, ist auch nicht Kaiser von Österreich und König von Ungarn, sondern nur Landrat von Hof. Aber auch die echte Sisi hat sich ja zeitlebens in ihre eigene Welt geflüchtet.

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Und bei der "Fastnacht in Franken" zeigt sich, wie schnelllebig Politik manchmal ist: Kerstin Schreyer erzählt, dass sie eigentlich als Robin Hood kommen wollte. Noch Mitte Januar war das so, da war sie auch noch Sozialministerin. Dann wurde die CSU-Politikerin im Zuge einer Kabinettsumbildung einigermaßen überraschend zur Bau- und Verkehrsministerin - und so steht sie nun als Lukas, der Lokomotivführer, in Veitshöchheim. Die Eisenbahn ist schließlich jetzt ihre Zuständigkeit. Einarbeiten muss sie sich freilich noch: Schreyer verwechselt sich zeitweilig selbst mit Jim Knopf.

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