Bad Wiessee:Die "Saurüsselalm" sorgt für Ärger

Lesezeit: 3 min

Die Saurüsselalm auf einem Werbeplakat im Tal in Bad Wiessee. (Foto: Klaus Wiendl)

Seit Kurzem lockt die neue Gastro-Alm viele Besucher ins Söllbachtal. Das gefällt nicht allen. Die einen fürchten Gentrifizierung, die anderen glauben, dass das Angebot gebraucht wird.

Von Matthias Köpf, Bad Wiessee

Der Wandererparkplatz unterhalb des Söllbachtals ist seit einiger Zeit öfter mal überfüllt, es wird wild rangiert, die Anwohner der schmalen Zufahrt sind mindestens genervt. Ähnliches ließe sich von vielen Parkplätzen hier am Tegernsee behaupten, doch im Fall des Söllbachtals gehen die Interpretationen gerade besonders weit auseinander. Denn ungefähr eine Dreiviertelstunde Fußweg weiter drinnen im Tal ist vor zwei Monaten die einst einsam gelegene und rein landwirtschaftlich genutzte Söllbachaualm endgültig zur "Saurüsselalm" und damit zum neuesten gastronomischen Ereignis hier am Westufer des Tegernsees geworden. Während die einen nun den vollen Parkplatz als Folge dieser Alm-Gentrifizierung ansehen, sieht die Gemeinde Bad Wiessee die Sache ganz anders. Für sie sind die vielen Autos vor allem ein Beleg dafür, dass das neue Angebot ganz dringend gebraucht wird. Und nicht zuletzt von dieser Frage könnte es am Ende abhängen, ob die Genehmigung für den Umbau überhaupt rechtens ist.

Starke Zweifel daran haben unter anderem der Verein zum Schutz der Bergwelt und die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal, die sich damit im vergangenen Jahr an die Staatsregierung gewandt hatten. In seiner Antwort schrieb das Bauministerium, es sei "noch nicht hinreichend deutlich geworden", dass die Gastrohütte zur Versorgung zahlreicher Wanderer und Mountainbiker "objektiv erforderlich" sei. Im Landratsamt in Miesbach, das die Genehmigung ausgestellt hatte, kam ein ähnliches Schreiben an, das allerdings noch etliche weitere "Empfehlungen" des Ministeriums enthält.

Demnach reiche es laut der einschlägigen Rechtsprechung wohl nicht aus, wenn die Gemeinde Bad Wiessee die Notwendigkeit des neuen Angebotes mit der leichten Erreichbarkeit des Standorts begründe. "Gerade die im Betriebskonzept genehmigten geschlossenen Gesellschaften für Weihnachts- oder Firmenfeiern incl. Transportservice bergen die Gefahr, dass die besondere Erholungsneigung des Standorts ausgenutzt wird, um eine gesonderte Nachfrage zu erzeugen", schreibt das Ministerium weiter. In diesem Fall wäre also nicht zuerst die Nachfrage dagewesen, wie sie für eine baurechtliche Genehmigung eines solchen Vorhabens weitab jeder geschlossenen Ortschaft nötig ist. Sondern das neue Angebot hätte diese Nachfrage erst erzeugt.

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Das aber träfe sich ziemlich genau mit den Zielen der Gemeinde Bad Wiessee, die sich gerade alle Mühe gibt, ihr angestaubtes Siebzigerjahre-Image loszuwerden und ihren mutmaßlich meist Münchner Ausflugsgästen auch eine leichte Wanderung zu einem irgendwie almigen Ausflugslokal zu bieten. Der 202o ins Amt gewählte Bürgermeister Robert Kühn braucht dafür aber den örtlichen Großgrundbesitzer Franz Haslberger. Kühns Vorgänger Peter Höß hatte sich mit dem fordernden Freisinger Baustoffunternehmer über den Ausbau des einstigen Ausflugslokals "Bauer in der Au" völlig zerstritten. Haslberger hat das Lokal für die Öffentlichkeit dann praktisch ganz geschlossen und darf den so erst entstandenen Mangel nun mit seiner neuen, von Helmut Kohls ehemaligem Leibkoch und heutigen Nobel-Caterer Martin Frühauf bewirtschafteten "Saurüsselalm" beheben.

Aus dem Landratsamt in Miesbach heißt es, man habe die Hinweise aus München ernst genommen, die Gemeinde Bad Wiessee noch einmal um Angaben zu den Wandererzahlen gebeten und die Bedenken des Ministeriums so bereits zerstreut. Demnach haben am Söllbachtal schon vor Eröffnung der Saurüsselalm übers ganze Jahr 29 500 Autos geparkt, was bei durchschnittlich halb vollen Autos jährlich fast 74 000 Besucher in dem Gebiet bedeute - aus Sicht der Gemeinde und ihres Anwalts genügend Bedarf für die neue Hütte, obwohl etwas weiter im Gebirge auch die beliebte Aueralm liegt. Die Saurüsselalm sei bisher im Schnitt von 300 Ausflüglern pro Tag besucht worden.

Doch einmal pro Woche soll es auch einen Hüttenabend bis in die Nacht und gelegentlich auch geschlossene Gesellschaften geben dürfen. "Hier wird die besondere Alleinlage der Alm im Rahmen der Kulturlandschaft genutzt, um eine außergewöhnliche Gaststätte zu betreiben. Es ist bedenklich, wenn die abgeschiedene Lage im Außenbereich mit Kleinbussen angefahren wird, um geschlossene Gesellschaften bewirten zu können", analysiert das Bauministerium. Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege rügt da sogar eine "rücksichtslose Unkultur". Es sei "völlig unnötig und unerträglich, dass der Natur da eine Gastronomie mit Hüttenabenden zugemutet wird, zu der sich dann Partygäste mit Kleinbussen befördern lassen", sagt Geschäftsführer Rudolf Neumaier. Überhaupt lese sich das Schreiben des Ministeriums ans Landratsamt so, als ob die Gemeinde zugunsten des Investors eine Genehmigung zusammentrickse.

Auch der Verein zum Schutz der Bergwelt und die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal kritisieren gerade das nächtliche Partymachen besonders scharf - zumal die Natur und auch die Tiere in einem bisher völlig abgeschiedenen Rückzugsraum gestört würden. Aus Sicht des Miesbacher Landratsamts sind die Shuttlebusse aber erklärtermaßen wohl sogar besser, als wenn eine ganze Schar Gäste in gehobener Feierlaune nach Mittenacht selbst durch den Wald Richtung Parkplatz ziehen würde.

Die Kritiker wird das Landratsamt so kaum überzeugen. Selbst das Ministerium weist in seinem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass der Verein zum Schutz der Bergwelt als Naturschutzverband anerkannt ist und ihm daher ein Klagerecht zusteht. Der Verein könnte das fast als Einladung interpretieren. Ob er sie annehmen wird, dazu hält er sich bedeckt.

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