Überbordender Güterverkehr:An der grauen Grenze

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Wegen der Tiroler Blockabfertigung bei Kiefersfelden stauten sich die Lastwagen am Montagfrüh bis über das Inntaldreieck auf die A8 zurück. (Foto: Matthias Köpf)

Die Blockabfertigungen auf der Inntalautobahn bei Kiefersfelden reizt Wirtschaftsverbände, Spediteure, Anwohner. Wenn es nach den Grünen aus Bayern und Tirol geht geht, dann soll es für das gemeinsame Problem eine gemeinsame Lösung geben.

Von Matthias Köpf, Kiefersfelden

Wenn die bayerischen Landtagsgrünen einen Ortstermin zur Verkehrspolitik veranstalten, dann fahren sie sogar zu einer Autobahnraststätte möglichst mit der Bahn. Knappe eineinhalb Stunden dauert die Zugfahrt von München bis Kiefersfelden, dann sind es noch 20 Minuten zu Fuß hinauf zur Raststätte Inntal West. Die Lastwagenfahrer, die währenddessen auf den kompletten 25 Kilometern Länge der Inntalautobahn und weiter zurück bis über das Inntaldreieck auf die A 8 im Stau stehen, können von so einer Fahrzeit nur träumen. Denn es ist Montag, und wenn um 5 Uhr früh das Tiroler Wochenend- und Nachtfahrverbot für Lkw endet, dann lässt die dortige Landesregierung die Lastwagen aus Bayern derzeit nur nach und nach ins Land. Diese Blockabfertigung an der Grenze bei Kiefersfelden ist seit Langem ein Streitpunkt zwischen Bayern und Tirol. Wenn es nach den Grünen geht, dann soll es für das gemeinsame Verkehrsproblem aber auch eine gemeinsame Lösung geben.

Entsprechend bekunden der bayerische Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann, Verkehrssprecher Markus Büchler und die fraktionsintern für den Raum Rosenheim zuständige Abgeordnete Claudia Köhler viel Verständnis für ihre grüne Parteifreundin Ingrid Felipe, die von der anderen Seite an die Grenze nach Kiefersfelden gekommen ist. Felipe ist stellvertretende Landeshauptfrau in Tirol und innerhalb der Landesregierung für europäische Verkehrsfragen und damit auch für die umstrittene Blockabfertigung zuständig. "Dosierungen", wie Felipe die Blockabfertigungen nennt, gebe es "nur in dem Ausmaß, wie es die Verkehrssicherheit tatsächlich erfordert". Sie dienten ausschließlich dazu, den Verkehr auf der Inntal- und auf der Brennerautobahn durch Tirol nach Italien überhaupt am Fließen zu halten, beteuert Felipe auch am Montag, während Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bisher nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass das dauernde Dosieren indirekt auch den schleppenden deutschen Planungsprozess für zwei weitere Bahngleise zum Brennerbasistunnel beschleunigen soll.

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Diese Tiroler Nadelstichpolitik reizt nicht nur Wirtschaftsverbände, Spediteure und Logistikunternehmen sowie die Menschen im bayerischen Grenzgebiet, die an solchen Vormittagen auf der Autobahn selbst nur mühsam vorankommen und auf den Nebenstrecken den Ausweichverkehr vor ihren Haustüren vorbeirollen haben. Auch die bayerische Staatsregierung und der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer übten stets heftige Kritik und drohten mit Klagen. Es könne nicht sein, dass Tirol seine Verkehrsprobleme mit der Blockabfertigung auf Bayern abwälze, hieß es zuletzt Ende Januar in einer Resolution der CSU-Landtagsfraktion, Ministerpräsident Markus Söder zweifelte zum wiederholten Mal an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Doch zumindest in einer Hinsicht klingt Söder ganz anders, seit in Berlin nicht mehr sein Parteifreund Scheuer das Verkehrsressort leitet, sondern die neue Ampelkoalition übernommen hat. Deren neuen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte Söder zuletzt auf, "nunmehr endlich zu handeln" und Lkw-Verkehr von München bis Verona zu verteuern.

Eine solche Erhöhung der "Korridormaut" verlangt Tirol schon seit Jahren. Denn laut einer Studie im Auftrag der Landesregierung nimmt die Mehrzahl der jährlich rund 2,5 Millionen Lkw, die sich im Transitverkehr über den Brenner wälzen, damit gar nicht die kürzeste Route über die Alpen, sondern schlicht die billigste. Damit sich solche Umwege nicht mehr lohnen, soll eine Neuregelung auf europäischer Ebene für bestimmte Strecken Maut-Aufschläge um bis zu 50 Prozent möglich machen.

Der bayerische Grünen-Fraktionssprecher Ludwig Hartmann und die stellvertretende Tiroler Landeshauptfrau Ingrid Felipe demonstrieren angesichts der Blockabfertigung bei Kiefersfelden Einigkeit in der Verkehrspolitik. (Foto: Matthias Köpf)

Darauf setzen neben neuerdings Söder, der am Donnerstag - ebenfalls im Zug - zum neuen österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach Wien reisen wird, auch die bayerischen und die Tiroler Grünen. "Kostenwahrheit auf der Straße", nennt das Felipe, und zwar von München bis Verona, denn "das ist eigentlich der bedrängte Lebensraum". Sie vernimmt da nach eigenen Worten plötzlich "ganz neue Töne", denn zuletzt hätten sich ja vor allem Scheuer und die CSU widersetzt. Dass da genau jetzt etwas in Bewegung komme, sei "schon interessant", sagt Felipe, doch die weitere Kritik an der bayerischen und deutschen Seite überlässt sie ihren hiesigen Parteifreunden.

"Wenn das andersrum wäre und Bayern diesen Lkw-Druck hätte, die würden es genauso machen", sagt etwa Ludwig Hartmann über die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern. Auch Grünen-Verkehrssprecher Markus Büchler sieht für die Tiroler Blockabfertigung "nachvollziehbare Gründe" - im Gegensatz zu einer Maßnahme, die schon seit 2015 hier auf der A 93, auf der A 8 bei Salzburg und auf der A 3 bei Passau regelmäßig Staus in Richtung Österreich verursacht. "Die eigentliche Schikane sind die Einreisekontrollen herüben", sagt Büchler, der als "Teilzeit-Österreicher" nach eigenen Angaben oft über die Grenze fährt und die Kontrollen auch in den Zügen als "völlig überflüssig" ansieht.

Durch die wechselseitigen Vorwürfe habe man zuletzt jedenfalls "vor allem Zeit verloren, auf europäischer Ebene eine gute Lösung zu finden", kritisiert Hartmann und nennt als weiteren Teil einer solchen Lösung die Notwendigkeit, "ganz klar den Brennerzulauf voranzubringen, damit der Güterverkehr auf die Schiene kommt" - und das möglichst nicht erst hier in der Grenzregion, denn auch anderswo in Deutschland seien die Autobahnen zu voll.

Auch da hat Söder zuletzt den Bund aufgefordert, die Planungen voranzutreiben. Die von der Bahn vorgesehene Hochleistungstrasse aus zwei zusätzlichen Gleisen stößt jedoch auf heftigen Widerstand beim Bund Naturschutz und bei insgesamt 20 lokalen Bürgerinitiativen allein im Landkreis Rosenheim. Sie halten im Gegensatz zu den Bahn-Planern die beiden bisherigen Gleise für ausreichend. Die Grünen sehen sich da im Konflikt mit dem BN und dessen Vorsitzenden Richard Mergner, der aus Büchlers Sicht in diese Frage "auf der falschen Seite" stehe. Für mehr Klimaschutz brauche man die Bahn und für die Bahn brauche man Gleise, sagt Büchler. Künftige Zugzahlen dürfe man da nicht kleinrechnen, sondern müsse sie sich ganz im Gegenteil zum Ziel setzen.

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