Corona-Krise:Banken wollen laxere Regeln für Staatshilfen

Lesezeit: 2 Min.

Die Idylle kann trügen: Blick aufs Frankfurter Bankenviertel. (Foto: Michael Probst/AP)

Die EU-Kommission könnte juristischen Spielraum sehr flexibel ausschöpfen, um den Steuerzahler im Ernstfall wieder in die Haftung zu nehmen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Markus Zydra, Frankfurt, Berlin/Frankfurt

Es zeichnet sich ab, dass das große Versprechen der Regierungen aus der Finanzkrise, niemals wieder mit Steuergeldern klamme Banken zu sanieren, in der Corona-Krise nicht eingehalten werden könnte. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung dringen einzelne Geldhäuser, aber auch Regierungen darauf, die strengen Bedingungen für Staatshilfen jetzt schon vorsorglich zu lockern und zugleich die Richtlinie zu Abwicklung klammer Banken aufzuweichen.

Sollten sie damit erfolgreich sein, würden erneut Steuerzahler die Verluste aus Bankgeschäften übernehmen müssen. Bereits im März, als sich das Coronavirus in Europa noch nahezu ungebremst ausbreitete, hatte die EU-Kommission mitgeteilt, sie prüfe, "ob es nötig sein wird, die Regeln für staatliche Finanzspritzen für Banken flexibler zu machen". Diese Prüfung läuft dem Vernehmen nach inzwischen auf Hochtouren. Im Kern soll das EU-Beihilferecht als Türöffner dienen, dort habe die EU-Kommission großen Ermessensspielraum.

"Es darf auf keinen Fall einen Blankoscheck für Staatshilfen an die Banken geben, das Beihilferecht gibt das auch gar nicht her", sagt Sven Giegold, EU-Parlamentarier der Grünen. Man könne nicht ausschließen, dass im Falle einer Zuspitzung der Corona-Krise ein Staat im Einzelfall auch Banken helfen müsste. "Aber das muss immer konkret geprüft werden." Vor allem Banken in Italien und Griechenland gelten als enorm krisenanfällig. In deren Bilanzen liegen bis heute faule Kredite in Milliardenhöhe, die noch aus Zeiten von vor der Finanzkrise stammen. Zuletzt brachte die EZB deshalb die Gründung einer Bad Bank ins Gespräch, wo diese Altlasten entsorgt werden könnten.

Erneute Staatshilfen an Banken würden das politische Versprechen aus der Finanzkrise 2008/2009 brechen. In Deutschland kostete die damalige Rettung deutscher Banken die Steuerzahler bisher rund 68 Milliarden Euro. Darin enthalten sind ausgereichte Garantien, Kredite und Kapitalspritzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte damals versprochen, es solle sich nie wiederholen, dass Verluste aus Bankgeschäften sozialisiert werden müssten. Die Europäische Kommission und die Bundesregierung teilten am Mittwoch auf Anfrage mit, dass sie gegen eine Änderung der damals beschlossenen Regeln zur Abwicklung klammer Banken sind.

"Das Bundesfinanzministerium ist strikt gegen die Aufweichung der Richtlinie", sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) . Auch die Europäische Kommission teilte mit, sie habe "nicht die Absicht", die Regeln zur Bankenabwicklung anzutasten. Die Banken seien heute in weit besserer Verfassung als damals und verfügten über "ausreichend Liquiditätspuffer", sagte ein Sprecher der Behörde. Gleichwohl räumte er ein, dass die Banken "indirekt" von der Corona-Krise getroffen werden könnten.

Auch in Deutschland wird befürchtet, dass die absehbare Pleitewelle bei Unternehmen, aber auch der Ausfall von Hauskrediten mittelfristig viele Banken in Schieflage bringen könnte. Dabei gehen die Sorgen der Banken um großflächige Kreditausfälle bereits so weit, dass die Geldhäuser es abgelehnt hatten, bei den staatlich abgesicherten KfW-Krediten für bestimmte Unternehmen überhaupt nur einen kleinen Teil der Ausfallhaftung zu übernehmen. Weil sie sich weigerten, sprang der Staat ein. Deutsche Steuerzahler haften in diesen Fällen jetzt zu einhundert Prozent, wenn Hausbanken Kredite der staatlichen Förderbank KfW an ihre Kunden durchreichen. Pikant ist, dass die Hausbanken dafür noch einen kleinen Zins nebst Gebühr von den notleidenden Firmen kassieren, die sich mit den Schnellkrediten vor der Pleite retten wollen.

Zugleich sind Bund, Länder und Kommunen damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen. Erst im Jahr 2019 hatte das Bundesfinanzministerium die Deutsche Bank und die Commerzbank ermutigt, eine Fusion zu prüfen. Beide Banken hatte jahrelang versucht, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Die Bilanz der Finanzkrise sei "verheerend", so der Vorstand der "Bürgerbewegung Finanzwende", Gerhard Schick. Es sei jetzt sichtbar, wie stark die Bürger belastet wurden. "Eine vierköpfige Familie hat mehr als 3000 Euro für die Pleitebanken bezahlt."

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMontagsinterview
:"Als Gesellschaft können wir es nicht mehr lange stemmen"

Wirtschaftsprofessorin Michèle Tertilt spricht über gefährdete Jobs, überlastete Frauen und Männer, die plötzlich Kinder betreuen müssen.

Von Kathrin Werner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: