Tennis:Münchner Millionen-Braut

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Bislang Haupt-Schauplatz der BMW Open: der Center Court des MTTC Iphitos. (Foto: Jürgen Hasenkopf/Imago)

Die BMW Open werden aufgewertet: Von 2025 an erhalten Profis dort doppelt so viele Punkte wie bisher, zudem sollen deutlich mehr Zuschauer Platz haben. Die Profiserie der Männer will sich so auch vor Konkurrenz schützen - aus Saudi-Arabien.

Von Gerald Kleffmann

Jetzt, da seit vergangenem Freitag der Vertrag unterzeichnet und seit Mittwoch offiziell ist, dass die BMW Open von 2025 an in eine neue Ära aufbrechen, hält Fabian Tross kurz inne. Er, der Anwalt in München, und Peter Bosch, der Diplom-Ingenieur und Wirtschaftsexperte, seit dem Sommer CEO der VW-Tochter Cariad, sind ja seit Jahrzehnten involviert bei dem Profitennisturnier. "Mit acht Jahren war ich das erste Mal Ballkind", erinnert sich Tross.

Er und Bosch, schon damals Mitglieder beim MTTC Iphitos, kümmerten sich um die Linienrichter, dann um Spieler und VIP-Gäste und vieles mehr. Sie übernahmen als Duo auch hohe Ehrenämter, Bosch wurde Präsident des Klubs, Tross Geschäftsführer der Iphitos-Sportveranstaltungs-GmbH. Mit ihrer Führung wurde der MTTC jünger, moderner, und sie hatten stets diesen Traum: Die BMW Open, seit 1949 mit internationalem Status versehen, sollen wachsen.

Ihr Begehr wurde erhört: Von 2025 an stuft die ATP das Turnier nicht mehr als 250er Event ein; der Sieger bekommt stets 250 Weltranglistenpunkte. Es zählt dann zur gehobeneren 500er Kategorie, wie die Turniere in Hamburg und Halle. Nur die neun 1000er, die Masters-Turniere, sowie die vier Grand Slams (2000 Punkte für den Sieger) sind wichtiger. "Das ist für mich auch wahnsinnig emotional", sagt Tross. Nur Doha und Dallas wurden weltweit nun ebenfalls zu 500ern aufgewertet.

Pokalübergabe: Fabian Tross (rechts), Geschäftsführer der Iphitos-Veranstaltungs-GmbH, mit BMW-Open-Sieger Holger Rune aus Dänemark im vergangenen April. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Der traditionsreiche MTTC, 1892 gegründet, erlebt nun fürwahr eine Erfolgsgeschichte. Der zweijährige Einsatz um die Aufwertung und warum gerade in diesen Zeiten der Zuschlag erteilt wurde, erzählt aber auch viel darüber, wie es im Profitennis generell zugeht. In der Welt des Sports hat der Verteilungskampf um Wettbewerbe und Athleten, seit das unermesslich reiche Saudi-Arabien die Bühne betrat, an Schärfe gewonnen. Und auch das Münchner Turnier spielt in diesem real gewordenen Monopoly-Spiel eine Rolle.

"Die Braut aufhübschen", heißt es in der Wirtschaftssprache, wenn Firmen durchgeforstet werden, um sie für Investoren interessanter und wertvoller zu machen. Bei der ATP Tour geht es nur um den umgekehrten Fall: Man will gewappnet sein gegenüber Angriffen. Tross verweist auf die Entwicklungen im Golf, wo Saudi-Arabien mit der LIV Tour eine milliardenschwere Konkurrenztour zur US PGA Tour aufgezogen hat. Auch ans Tennis pirscht sich Saudi-Arabien heran, noch nicht mit Wucht, aber unübersehbar.

Aktuell streckt der Wüstenstaat die Fühler nach einer Masters-Lizenz aus. Die NextGen Finals, das Endturnier der besten Jungprofis, findet ab 28. November erstmals in Dschidda statt. "Je stärker jedes Turnier wird, desto schwerer haben es aber mögliche Konkurrenztouren", betont Tross. "Überspitzt formuliert, wenn Saudi-Arabien überlegt, wir machen jetzt eine Tour mit Novak Djokovic, kann das die ATP Tour schwächen." Umso wichtiger sei es für die ATP, sich gut aufzustellen.

Eine These lautet, es gebe zu viele kleine Turniere, die das Produkt verwässern

Den Prozess des Aufhübschens hat Andrea Gaudenzi initiiert. Der frühere Profi aus Italien sitzt seit 2020 der ATP vor, und auch wenn er nicht unumstritten ist und dem Vernehmen nach in diesem Jahr nur knapp im Amt bestätigt wurde, so bleibt er seinem Plan treu: "One Vision" nannte er sein Konzept, dieses besagte im Grunde, dass er wie ein Controller durch die Turnierlandschaft pflügte und alle Veranstaltungen sowie ATP-anhängigen Tochterfirmen auf Nutzen und Profit prüfte. Auch Studien gab er in Auftrag. Heraus kam: Das Tennis holt nicht das aus sich raus, was es könnte, vor allem hinsichtlich Vermarktung und TV-Rechten. Es gebe zu viele kleine Turniere, die das Produkt verwässerten. Zudem vermarkteten sich zu viele Turniere selbst. Als ganze Tour-Gruppe ließe sich mehr Geld bei der Vergabe von Rechten generieren.

In einer ersten Maßnahme wertete Gaudenzi die Masters-Serie auf, fünf Events wurden auf zwölf Tage gestreckt. Ab 2025 geht es an den Unterbau. Die 250er Turniere wurden wenig überraschend als schwächstes Glied ausgemacht. Einige werden verschwinden, konkret Atlanta, Newport und Lyon. Tross gibt zu, dass München nur eine Wahl hatte: "Entweder wir werden wie Barcelona, das in derselben Woche Mitte April ist, ein 500er Turnier - oder wir sind weg." Vielleicht nicht sofort, aber perspektivisch sicher.

So begann, wie Tross es sagt, "der Kampf" um den 500er-Status. Als gemeinnütziger Verein hätte man den Nachteil gehabt, "gegen die Großen ankommen zu müssen". Boris Beckers früherer Manager Ion Tiriac etwa, dem wahrscheinlich halb Rumänien gehört, ging mit Bukarest ins Rennen. Gespräche wurden aufgenommen, mit der Stadt München, mit dem Freistaat Bayern, mit Sponsoren, mit den Klubmitgliedern. "Jeder musste mitziehen", sagt Tross, der federführend dieses ambitionierte Projekt begleitete. Im vergangenen Mai erfolgte die Ausschreibung der ATP.

"Das 500er Geschäftsmodell funktioniert viel besser als das 250er Geschäftsmodell"

Acht Bewerber blieben bis zu den US Open im September übrig, und obwohl München, wie Tross sagt, "vom finanziellen Rahmen her die kleinste Bewerbung" war, erhielt es den Zuschlag. Tradition, Sponsoren, Zuverlässigkeit als Partner, Beliebtheit bei Spielern, Medieninteresse, auch diese Aspekte fielen ins Gewicht. Die Freude bei Tross ist auch deshalb riesig, weil "man wusste: Entweder man kommt jetzt in diese geschlossene Gesellschaft rein oder würde nie wieder reinkommen". Geholfen hat offenbar auch ein Deal im Hintergrund. Der Österreicher Florian Leitgeb (Champ AG), der die Lizenz für Lyon hielt, gab diese zurück und stieg bei Iphitos mit ein. Somit wurde dem Vernehmen nach eine Bedingung der Tour erfüllt, dass nämlich eine europäische 250er Lizenz wegfällt, ehe München zum Zuge kommt.

Furcht, dass man sich übernehmen könnte, hat Tross nicht. "Das 500er Geschäftsmodell funktioniert viel besser als das 250er Geschäftsmodell", sagt er. Finanziell werde das Turnier ganz andere Summen aus den Fernseh- und Datenrechten erhalten. "Sie gehen in einem ähnlichen Faktor hoch wie die Kosten." Das Preisgeld steigt von 600 000 auf zweieinhalb Millionen Euro. Die Zuschauerkapazität wird deutlich erhöht.

Im ersten Schritt wird vor dem schönen Klubhaus erst mal ein temporär stehendes Stadion errichtet, für 5000 bis 6000 Zuschauer. Der bisherige insgesamt 4300 Zuschauer fassende Center Court wird das zweite Stadion. "Langfristig ist schon ein Stadion-Neubau geplant", sagt Tross. "Weil sich die ATP auch ein Dach wünscht." Noch fehlt die Baugenehmigung, die Stadt sehe aber das Projekt positiv. Seit zwei Jahren arbeitet Iphitos mit dem renommierten Architekturbüro Speer & Partner zusammen. Die Kölner Veranstalteragentur MMP bleibt vorerst an Bord, wie auch Turnierdirektor Patrik Kühnen. Mischa Zverev, Bruder von Alexander Zverev, soll stärker eingebunden werden.

Tross, der zukünftig ohne Bosch die Verantwortung trägt, weil sein kongenialer Partner aus beruflichen Gründen sein Amt jüngst abgab, glaubt an den Erfolg des Turniers und versichert: "Es kommen extrem gute Spieler zu uns." So würde die Rechnung aufgehen, für München und die ATP Tour.

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