Nike statt Adidas:DFB nennt Politiker-Reaktionen "kenntnisfrei" und "total daneben"

Lesezeit: 3 min

Die DFB-Spitze in Lyon (von links): Sportdirektor Rudi Völler, DFB-Präsident Bernd Neuendorf, DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, DFB-Sportgeschäftsführer Andreas Rettig. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Die Verbandsspitze um Präsident Neuendorf reagiert "fassungslos" auf die Kritik am Ausrüsterwechsel von Adidas zu Nike - und stellt die Gegenfrage: Hätte der DFB aus Patriotismus auf Hunderte Millionen Euro verzichten sollen?

DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist angesichts der Kritik vieler Politiker am Millionendeal seines Verbandes mit dem US-Konzern Nike "ein Stück weit fassungslos". Er werde sich sicher nicht dafür entschuldigen, dass der Deutsche Fußball-Bund ab 2027 nicht mehr Adidas trägt, sagte Neuendorf am Samstag am Rande des Test-Länderspiels gegen Frankreich in Lyon (2:0). Die Hintergründe erklären würde er aber gerne - vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der sich vom finanziell angeschlagenen DFB mehr "Standortpatriotismus" gewünscht hatte.

Habecks Aussagen seien "sehr eigenartig" gewesen, sagte der frühere SPD-Landespolitiker Neuendorf: "Hier geht es um Wettbewerb, hier geht es um Marktwirtschaft." Der DFB habe schlichtweg das deutlich bessere Angebot angenommen. "Es geht darum, dass wir den Verband nicht schädigen, und das hätten wir mit Sicherheit getan, wenn wir auf dieses Angebot nicht eingegangen wären", sagte Neuendorf. Für einen Austausch mit dem Grünen-Politiker Habeck stehe er "gerne zur Verfügung".

Auch Habeck ist zu einem Gespräch bereit

Auch der Wirtschaftsminister zeigte sich am Sonntag gesprächsbereit. "Reden immer gern - dann vielleicht auch über Sport, Tradition und Kapital, und gern auch über die Förderung des Jugendsports", sagte er der dpa. Zum Nike-Coup hatte er zuvor geäußert, er könne sich "das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht".

Auch DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vize Hans-Joachim Watzke bezeichnete diese, wie auch die meisten anderen Politiker-Reaktionen als "total daneben". Es gebe "Leute, die haben vor fünf Jahren noch gesagt ,Vaterlandsliebe kotzt mich an' und entdecken jetzt auf einmal den Patriotismus", sagte Watzke bei Sky. Der DFB hatte am Donnerstag mitgeteilt, den bis Ende 2026 gültigen Vertrag mit Dauerpartner Adidas auslaufen zu lassen und sich von 2027 bis 2034 vom US-Giganten Nike ausrüsten zu lassen. Wie viel Nike bezahlt, verrät der DFB nicht. Angeblich soll die Summe fast doppelt so hoch sein wie die, die Adidas aktuell bezahlt: Die liegt bei zirka 50 Millionen Euro.

In der Folge hatte sich eine Diskussion entwickelt, zu der Neuendorf nun anmerkte, vieles werde ohne jegliches Hintergrundwissen gesagt. CDU-Chef Friedrich Merz etwa nannte die Entscheidung "unverständlich" und "unpatriotisch". Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein meinte: "Der Weltmeister trägt Adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke." Watzke merkte im Interview an, "das einzige Vernünftige, was ich gelesen habe", sei der Satz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewesen, der gesagt hatte, das Thema sei die Sache des Verbandes. So sehen das auch Experten: "Wenn ein gemeinnütziger Fußball-Verband quasi das Doppelte und über acht Jahre fast 400 Millionen Euro mehr erlösen und zumindest einen größeren Teil davon in die Entwicklung des Kinder-, Jugend- und Frauen-Fußballs stecken kann, dann ist das allein schon alternativlos", sagte etwa der Sportökonom Christoph Breuer.

SZ PlusDFB-Deal mit Nike
:Ein Trikottausch wird zum Politikum

Mehr als eine halbe Milliarde Euro für acht Jahre: Durch einen Mega-Deal mit Nike versucht der DFB seine angespannte Finanzlage zu verbessern. Doch tatsächlich löst er damit immense Irritationen aus - und Unverständnis bis in die Bundesregierung.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Das Gegeneinander von Politik und DFB ist keine drei Monate vor der Heim-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) bemerkenswert, wirklich harmonisch wirkte das Verhältnis in den vergangenen Monaten nie. "Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen. Das muss ich ehrlich sagen, ist eine neue Qualität", sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig bei ran. "Da hätte man vielleicht doch das ein oder andere Mal besser geschwiegen."

Kritisiert wurde der DFB allerdings nicht nur für die grundsätzliche Entscheidung, sondern auch für den Zeitpunkt. Erst gut eine Woche vorher hatten Adidas und der DFB die Trikots für die Heim-EM präsentiert. Die Kampagne mit dem pinkfarbenen Auswärtstrikots kam gut an. Zudem wohnt das Nationalteam während der EM auf dem sogenannten Homeground von Adidas im fränkischen Herzogenaurach. Die Partnerschaft wird Ende 2026 nach über 70 Jahren enden.

"Dass das in der Öffentlichkeit so ein großes Thema ist, das war klar und das kann ich gut nachzuvollziehen", sagte Watzke. "Als ich damit konfrontiert worden bin, habe ich auch erst mal Luft holen müssen. Das war eine gewachsene Beziehung zwischen dem DFB und Adidas." Doch auch für Watzke gab es keinen Spielraum für eine andere Entscheidung. Die Differenz der Angebote sei "so gigantisch groß" gewesen. "Da gab's einfach keine andere Lösung. Wenn man ausschreibt, dann ist es halt so, dass irgendwann mal einer böse ist", sagte Watzke. Es könnten nicht Regeln geschaffen und anschließend in der Politik kommentiert werden, "dass das unpatriotisch sei. Das fand ich einfach total daneben", sagte Watzke.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFußball
:Adidas verliert im Weltfußball an Boden

Der DFB wechselt nach mehr als 70 Jahren überraschend den Ausrüster. Von 2027 an werden die Nationalteams Nike und nicht Adidas tragen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist ein Affront gegen das Unternehmen aus Herzogenaurach.

Von Uwe Ritzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: