Skifahren in St. Moritz und Aspen:Schampus in der Luft

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Alpen gegen Rocky Mountains: Links St. Moritz im Oberengadin, rechts Snowmass bei Aspen im US-Bundesstaat Colorado (Foto: Reuters/imago)

Lohnt es sich, über den Atlantik zu fliegen, nur um auf die Piste zu gehen? Ein Vergleich der Skiorte St. Moritz und Aspen in acht Kategorien - auf höchstem Jetset-Niveau, versteht sich.

Von Dominik Prantl

Lohnt es sich wirklich, über den Atlantik zu fliegen, nur um auf die Piste zu gehen? Die Frage bekommt jeder zu hören, der einmal in Nordamerika zum Skifahren war, und sie ist berechtigt. Sind doch die alpinen Seilbahnunternehmer genauso überzeugt, die besten Skigebiete der Welt zu haben wie die Resortbetreiber der Rocky Mountains. Für einen Zweikampf auf höchstem Jetset-Niveau kommen dabei freilich nur zwei Orte infrage: Aspen in Colorado und St. Moritz im Engadin.

Der Winter

Natürlich vergessen die Werbespezialisten beider Orte niemals den Hinweis auf ihre 300 Sonnentage pro Jahr. St. Moritz rühmt sich sogar gerne als Erfinder des alpinen Wintertourismus, weil ein Hotelier vor 150 Jahren ein paar englische Sommergäste über die kalte Jahreszeit ins Oberengadin lockte, indem er ihnen eine Geld-zurück-Garantie im Falle schlechten Wetters versprach. Die regengeplagten Engländer fanden es wie erwartet total spitze (sonst hätte kein Schweizer die Geschichte überliefert), aber auch wenn St. Moritz seine Trockenheit auf 1800 Metern etwas überkandidelt als Champagner-Klima anpreist: In Aspen, wo die Wolken nach einem Trip über die Wüsten im Westen jede Menge Feuchtigkeit verlieren, fällt nun mal der berühmte "Champagne Powder". Zwar hält auch dieser besonders fluffige Schnee nicht den ganzen Winter, dennoch geht der Punkt knapp an die Amerikaner.

Die Landschaft

St. Moritz, das viele als einzigartig gekünstelt und maßlos empfinden, ist auch in Sachen Panoramen nicht zu übertreffen. Im Süden reihen sich Seen bis zum Malojapass, im Südwesten bilden der Viertausender Piz Bernina und sein Nachbar Piz Palü die Höhepunkte. Die von Inn und Flaz geformten Einschnitte sind keine engen Täler, sondern weite Ebenen. Dagegen ist kein Ankommen. Auch wenn Aspen (gelegen auf 2500 Meter) in Sachen Weitläufigkeit mithalten kann und in der Umgebung mehr Viertausender bietet, wähnt man sich angesichts sanfter Gebirgsketten und der Baumgrenze bei 3500 Metern eher im Bayerischen Wald. Ausgleich.

St Moritz, Schweiz
:Jetset auf dem Berg

Dass sich im Winter in St Moritz Reiche und Schöne treffen, kann diejenigen kalt lassen, die lieber die Schönheit der Pisten erkunden - denn dort bleibt der Rummel aus.

Auf der Piste

Mit Zahlen kommt man hier nicht weit. Zwar bieten beide Orte vier Urlaubsberge mit jeweils eigenem Charakter bis oberhalb von 3000 Metern, aber die Europäer messen in Pistenkilometern, die Amis in Fläche. St. Moritz hat die komfortableren Sessellifte, Aspen als Schauplatz der Spaßsportveranstaltung "X-Games" mehr Parks und Pipes. Abenteurer finden in den Rockies Baumparcours und die konkaven Hänge namens Bowls, im Engadin Gletscher und felsdurchsetzte Varianten. Aspen holt sich dennoch die Führung, weil es sogar im Vergleich mit den selten überfüllten Engadiner Bergen eines einfach mehr gibt: Platz zum Skifahren.

Jenseits der Pisten

In beiden Orten wurden bereits alpine Ski-Weltmeisterschaften ausgetragen (die nächste wird im Februar in St. Moritz stattfinden), in St. Moritz aber auch schon Olympische Winterspiele. Denn das Oberengadin ähnelt weit mehr einem multifunktionalen Sportplatz als das Umland von Aspen. Die Seen verwandeln sich im Winter in riesige Eislauf-Arenen oder Snow- Polo-Felder, die Ebenen beherbergen ein weitläufiges Loipennetz, dessen Ausläufer bis an die Gletscher reichen. Es gibt Mondscheinskitouren und Philosophenwege, Rodelbahnen und Kutschenfahrten. Am schnellsten ist man freilich als Bobpassagier in der einzigen Natureisbahn der Welt unterwegs. Klarer Punkt für St. Moritz.

Die Einheimischen

Sorry, aber die US-Amerikaner sind einfach ein Stück lässiger als wir verkrampften Europäer. Zumindest, wenn es um den Small Talk im Lift geht (wo kein Mensch etwas Gutes über Donald Trump sagen möchte). Der Sympathiezähler und die erneute Führung gehen in Schweizer Sachlichkeit und ohne großes Geschwätz an Aspen.

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Berge, Pisten, Liftanlagen, die aufgeblasen sind. Und noch dazu doppelte Motive. In seinen cleveren Bildserien aus Aspen gaukelt Walter Niedermayr eine Realität vor, die es so nicht gibt.

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Der Ort

Zwar hat St. Moritz als Wiege des Wintersports die längere Geschichte. Doch wurde das in allen Belangen etwas jüngere Aspen nicht wie andere Resorts der USA für den Skisport aus dem Boden gestampft, sondern ging aus einer alten Silberminenstadt mit Backsteinhäusern hervor. Beide Orte sind etwa gleich groß, liegen ähnlich hoch und haben mit den Villenvierteln Suvretta hier und dem Red Mountain dort ihre Ghettos für die Reichen und noch Reicheren dieser Welt. Und weil zum Geld auch Kunst gehört, kann St. Moritz Ausstellungen über Nietzsche und Segantini auffahren, Aspen ein Art Museum oder den Künstlertreff Anderson Ranch. Wer Whisky mag, geht ins historische Wahrzeichen Hotel Jerome oder ins Waldhaus am See. Einen leichten Vorteil hat Aspen höchstens deshalb, weil die grenzgeniale Countryband Leftover Salmon selbst an einem Nebensaison-Samstag im Belly Up spielt. Ansonsten ist der Punkt reine Geschmackssache.

Die Preise

Man glaubt es nicht! Vorteil St. Moritz. Zwar kriegt man für den Preis eines Cappuccinos im El Paradiso (7 CHF, was genau 7 US-Dollar entspricht) fast ein Bier im rustikalen Sam's Smokehouse (7,75 USD), und der Smokehouse Burger (21 USD) ist auch deutlich günstiger als das Alpschweinschaschlik (32 CHF), aber beim Tagesskipreis stockt einem der Atem: 145 Dollar gegen 79 Franken! Gut, eine Woche im Drei-Sterne-Hotel mit Frühstück und Linienflug nach Aspen ist im Paket für 1549 Euro pro Person zu haben. Aber für den Preis kommt man auch in der Schweiz gut unter.

Die Anreise

Weniger wegen des Zeitaufwands als rein ökologisch das K.-o.-Kriterium für Aspen. Laut myclimate.org beträgt der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid auf einem Linienflug von München über Houston nach Aspen und zurück 3,9 Tonnen. Pro Kopf. Dafür kommt man mit dem Auto alleine ungefähr 17 000 Kilometer weit, also knapp halb um die Welt oder 30-mal von München nach St. Moritz und zurück. Wer stattdessen einmal im Leben in Amerika Ski fahren möchte und sowieso gerade durch die USA tourt, soll ruhigen Öko-Gewissens in Aspen vorbeischauen. Ansonsten tut es aber auch einfach das Skigebiet um die Ecke.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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