Reaktionen:Keine Grüße nach Moskau

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verzichtete nach der Wahl auf Glückwünsche an Putin. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Ablehnende Reaktionen auf die Wahlfarce in Russland: Weder Kanzler noch Bundespräsident wollen Putin Glückwünsche übermitteln.

2018, bei der letzten Präsidentschaftswahl in Russland, hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Kremlchef Wladimir Putin noch gratuliert. Jetzt aber hat Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin dem Tagesspiegel gesagt: "Es wird kein Schreiben an Putin geben." In einer zuvor von ihr auf der Plattform X verbreiteten Erklärung des Bundespräsidenten heißt es: "Heute denke ich an die Menschen in Russland, die dort für Freiheit und Demokratie kämpfen und in ständiger Gefahr vor Putins Regime leben. Wir vergessen diese Mutigen nicht." Steinmeiers Sprecherin schrieb dort außerdem von den "sogenannten Präsidentschaftswahlen in Russland".

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird Putin nicht gratulieren. "Es war keine demokratische und faire Wahl", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. "Der Bundeskanzler hat nicht gratuliert", fügte sie hinzu. "Russland ... ist heute eine Diktatur und wird von Wladimir Putin autoritär beherrscht.

Das Auswärtige Amt wählte am Sonntag eine ähnliche Formulierung. Auf X schrieb das Ministerium: "Die Pseudowahlen in Russland sind weder frei noch fair, das Ergebnis überrascht niemanden." Putin habe seine Gegner ins Gefängnis werfen lassen und andere daran gehindert, gegen ihn anzutreten. Am Montag sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): "Die Wahl in Russland war eine Wahl ohne Wahl." Auf die Frage, ob man Putin künftig als Präsident oder Machthaber bezeichne, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag, dass man in letzter Zeit nur noch den Namen Putin ohne Amtsbezeichnung benutze.

Der Außenamtssprecher kritisierte auch, dass Russland in anderen Staaten völkerrechtswidrig Wahlbüros eröffnet habe. Dies betreffe etwa den abtrünnigen moldawischen Landesteil Transnistrien, aber auch die abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien. "Die Ergebnisse solcher Scheinwahlen werden wir nicht anerkennen", betonte er. Dies gelte auch für Abstimmung für russische besetzte und annektierte Gebiete im Osten der Ukraine.

"Tragische Farce"

Auch die Europäische Union erkennt die Wahl nicht als frei und fair an. In einer offiziellen Erklärung wirft die EU der russischen Regierung große Einschränkungen bei der Abstimmung vor, die durch den Überfall auf die Ukraine verschärft worden seien. Bedauert wird, dass keine internationalen Wahlbeobachter zugelassen worden seien. Damit sei eine unabhängige Bewertung des Votums verweigert worden. Zudem heißt es, die Wahlergebnisse in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten seien unwirksam.

Das französische Außenministerium kritisierte: "Die Bedingungen für eine freie, pluralistische und demokratische Wahl sind ein weiteres Mal nicht erfüllt worden." Frankreich verurteilte zudem die Organisation von angeblichen Wahlen auf ukrainischem Boden: "Die illegale Organisation angeblicher 'Wahlen' in den temporär von Russland besetzten ukrainischen Gebieten stellt eine neue Verletzung internationalen Rechts und der Charta der Vereinten Nationen dar." Frankreich werde das Abhalten und die Ergebnisse der Scheinwahlen niemals anerkennen. Auch die Einrichtung von Wahllokalen in separatistischen Gebieten in Georgien und der Republik Moldau ohne die Zustimmung der dortigen Behörden verurteilte das Ministerium.

Polen erklärte, es habe extreme Repressionen gegen die Gesellschaft gegeben, die eine freie und demokratische Wahl unmöglich gemacht hätten. Aus der Ukraine hieß es, Putin müsse in Den Haag vor Gericht. Ähnlich äußerten sich auch die baltischen Staaten: "Recht kann nicht aus Rechtlosigkeit entstehen, und international anerkannte Legitimität kann nicht aus Zwang, Unterdrückung und Betrug entstehen", erklärte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis am Montag in Vilnius. "Deshalb betrachten wir dieses gefälschte und vorgetäuschte Verfahren nicht als Wahl und nennen es auch nicht so, da es sich leider eher um eine tragische Farce handelt."

Auch die Außenministerien in Estland und Lettland verurteilten die "sogenannten Wahlen in Russland" als weder frei noch fair. "Putin fehlt jegliche demokratische Legitimität, er ist ein Autokrat und das schon seit Langem. Hier hat sich nichts geändert", teilte Estlands Außenminister Margus Tsahkna mit. Der Kremlchef sei es, der Russland führe und als Präsident Entscheidungen treffe, für die er auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden müsse. "Putins richtiger Platz ist in Den Haag."

Aus dem Weißen Haus in Washington hieß es in einer ersten Reaktion ebenfalls, die Wahl sei offensichtlich weder frei noch fair gewesen.

Glückwünsche übersendete hingegen Peking. Die chinesische Seite gratuliere dazu, sagte der am Montag neu vorgestellte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. China und Russland seien "strategische Partner in der neuen Ära". Unter der Führung von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Putin würden die Beziehungen der beiden Länder weiter voranschreiten, sagte er.

Bei der von Manipulationsvorwürfen und Protesten begleiteten Wahl sprach die Wahlkommission Kremlchef Putin am Sonntagabend nach Auszählung von fast einem Viertel der Stimmzettel ein Ergebnis von vorläufig knapp 87 Prozent zu. Kritiker wiesen darauf hin, dass dies nur durch Repressionen, Zwang und Betrug erreicht wurde.

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