Russland:Rekordergebnis und Festnahmen bei Putins Wahl

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Julia Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, steht nach der Stimmabgabe für die Präsidentschaftswahl in Russland am Spreeufer umgeben von Anhängern und Fotografen. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Bei der von Repressionen begleiteten Präsidentschaftswahl in Russland soll Wladimir Putin weit mehr als 80 Prozent der Stimmen erzielt haben. Zuvor kommt es dort zu Protesten. In Berlin nimmt Julija Nawalnaja, die Witwe des toten Kremlgegners, an einer Aktion vor der russischen Botschaft teil.

Von Silke Bigalke und Leopold Zaak, Moskau

Bei der dreitägigen Abstimmung zur russischen Präsidentschaftswahl dürfte Wladimir Putin ein Rekordergebnis erzielt haben. Ersten Zahlen der zentralen Wahlkommission zufolge kommt er auf mindestens 87 Prozent der Stimmen. Das wären zehn Prozentpunkte mehr als 2018. Bei der Wahl, die weder frei noch fair war, gingen die Behörden am Sonntagabend von mindestens 70 Prozent Beteiligung aus. Auch das wäre mehr als bei allen vorherigen Wahlen. Bis Erscheinen dieser Ausgabe waren knapp die Hälfte der Stimmen ausgezählt.

Putin, dem nun der Weg zu einer fünften Amtszeit freisteht, trat am Abend mit Mitarbeitern seines Wahlstabs auf die Bühne und dankte allen Wählern. Russland habe viele Aufgaben vor sich, sagte er. Das Wahlergebnis sei Ausdruck des Vertrauens der Russen, dass diese Ziele erreicht werden. "Aus den Stimmen der Bürger Russlands setzt sich der einheitliche Wille des Volkes zusammen", sagte Putin.

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Als Zeichen des Protests gegen die manipulierte Präsidentenwahl haben am Sonntag zahlreiche Menschen in Russland um Punkt zwölf Uhr ihre Stimme abgegeben. Zu dem Protest hatte noch Alexej Nawalny aufgerufen.

Von Silke Bigalke
Wladimir Putin, dem nun der Weg zu einer fünften Amtszeit freisteht, trat am Abend auf die Bühne und dankte allen Wählern. (Foto: Maxim Shemetov/REUTERS)

Die Abstimmung in diesem Jahr lief unter noch repressiveren Bedingungen ab als frühere Wahlen in Russland. Unabhängige Herausforderer wurden nicht zugelassen, Putin trat gegen drei dem Kreml loyale Scheinkandidaten an. Zahlreiche Russen nutzen die Abstimmung dennoch für vorsichtige Zeichen des Protests. Viele nahmen an der Aktion "Mittag gegen Putin" teil, zu der das Team von Alexej Nawalny aufgerufen hatte. Der Oppositionelle war vor etwa vier Wochen in einem russischen Straflager gestorben, hatte zuvor aber noch seine Idee für das Wahlwochenende öffentlich gemacht. Wer ein Zeichen gegen Putin setzen wollte, sollte am Sonntag um Punkt zwölf zu seinem Wahllokal kommen. Vor Wahllokalen in zahlreichen russischen Städten zeigten Wählerschlangen am Sonntagmittag, dass viele Menschen nicht einverstanden sind mit ihrem Präsidenten.

Nach seinem Auftritt beantworte Putin am Sonntagabend Fragen von Journalisten, darunter auch eine zu Nawalny. Wenige Tage vor dessen Tod, so Putin, sei ihm gesagt worden, dass es die Idee gebe, Nawalny gegen im Westen Inhaftierte auszutauschen. Er, Putin, habe einem solchen Austausch zugestimmt. Und er habe gesagt, Nawalny solle niemals wieder nach Russland zurückkehren.

Proteste gegen die Wahl waren gefährlich

Innerhalb Russlands sind Aktionen wie "Mittag gegen Putin" riskant. Die Moskauer Staatsanwaltschaft etwa hatte im Vorfeld mit Strafverfahren wegen Behinderung der Wahl gedroht. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft. Für Russen im Exil war die Teilnahme ungefährlicher, es bildeten sich Schlangen vor russischen Botschaften in vielen europäischen Städten.

Julija Nawalnaja, Witwe von Alexej Nawalny, wartet in der Nähe der russischen Botschaft in Berlin, um wählen zu gehen. (Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP)

Julija Nawalnaja, die Witwe des Oppositionellen, nahm in Berlin an der Aktion teil, gemeinsam mit Tausenden anderen Menschen. Ebenso wie Kremlkritiker Michail Chodorkowskij reihte sie sich in die Schlange vor der russischen Botschaft ein. Natürlich habe sie den Namen "Nawalny" auf den Stimmzettel geschrieben, sagt sie vor der Presse, als sie Stunden später aus dem Wahllokal kam. Chodorkowskij, der eigentlich im Londoner Exil lebt, erklärte, bei dieser Aktion "können wir einander in die Augen sehen, Gleichgesinnte sehen und erleben, dass die, die gegen Putin sind, zahlreich sind. Wir haben die Mehrheit." Wie viele Menschen in der langen Warteschlange tatsächlich abgestimmt haben, ist allerdings unklar. In einem Post auf der Plattform X bedankte sich Nawalnaja später bei den Menschen, die mit ihr sechs Stunden lang in der Schlange vor dem Wahllokal gestanden und ihr gesagt hätten, dass sie ihnen die Hoffnung zurückgegeben habe. "In Wirklichkeit ist es natürlich das Gegenteil, nicht ich gebe euch Hoffnung, sondern ihr gebt mir Hoffnung, dass nicht alles umsonst ist, dass wir weiter kämpfen werden", so Nawalnaja.

Plattform X

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Männer und Frauen kippten grüne Farbe in die Wahlurnen

Neben Putin standen die Kandidaten der drei kremltreuen Staatsduma-Parteien, Wladislaw Dawankow, Leonid Sluzkij und Nikolaj Charitonow auf den Stimmzetteln. Den vorläufigen Zahlen zufolge kam der Kommunist Charitonow mit etwas mehr als vier Prozent auf Platz zwei. Wer seinen Stimmzettel ungültig machen wollte, der kreuzte häufig alle vier Namen an, jedenfalls kursierten zahlreiche Fotos solcher Stimmzettel in unabhängigen russischen Medien und sozialen Netzwerken. Viele schrieben demnach auch Nawalnys Namen darauf. Der Oppositionelle hatte sich einen weiteren Weg überlegt, die Wahl zu stören. Noch vor seinem Tod programmierte sein Team die App "Foton-2024": Ein Zufallsgenerator wählt dabei den Kandidaten aus, für den man stimmen sollte - Hauptsache, nicht für Putin.

Bereits am Samstag gab es Proteste gegen die Scheinwahl. In einigen Städten kippten Männer und Frauen grüne Farbe in die Wahlurnen, um die Stimmzettel ungültig zu machen. Andere legten kleinere Brände. Das Bürgerrechtsportal OWD-Info zählte bis Sonntagabend 80 Festnahmen, die mit der Wahl in Verbindung stehen. Unabhängige Beobachter erhielten keinen Zutritt zu den Wahllokalen. Die Bürgerrechtsbewegung Golos, deren Arbeit die russischen Behörden massiv einzuschränken versuchen, veröffentlichte dennoch erste Berichte über Manipulationen. Beispielsweise habe es mancherorts "unnatürlich" ähnliche Zahlen zur Wahlbeteiligung in benachbarten Wahllokalen gegeben, heißt es darin. Viele Wähler haben elektronisch abgestimmt, was den Behörden mehr Kontrolle und mehr Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

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Neben der Sorge vor Protesten beschäftigten den Kreml an diesem Wahltag die Militäraktionen der Ukraine. Das Verteidigungsministerium meldete, man habe 35 Drohnen abgefangen. Auch in den Grenzregionen Kursk und Belgorod, wo bereits vor einigen Tagen proukrainische Freiwilligenverbände gegen das russische Militär kämpften, kam es wieder zu Gefechten und Angriffen.

In dieser Woche griff die Ukraine das Nachbarland so massiv an wie noch nie seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren. Offensichtlich war das Ziel, die Wiederwahl Putins zu stören. "Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben", sagt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij am Sonntagabend in einer Videoansprache.

Wladimir Putin sagte am Sonntagabend, er sei offen für Gespräche über den Vorschlag Frankreichs für eine Feuerpause in der Ukraine während der Olympischen Spiele. Allerdings müssten dabei die Interessen des russischen Militärs an der Front berücksichtigt werden. Die Olympischen Spiele finden vom 26. Juli bis zum 11. August in Paris statt.

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