Ukraine-Krieg:Rechte wollen die Krise für sich nutzen

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Eine radikale Minderheit bringe sich in Stellung, sagt das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Und Russland bemühe sich um mehr Einfluss. (Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Der Verfassungsschutz beobachtet, dass staatsfeindliche Kräfte versuchen, von steigenden Energiepreisen zu profitieren. Die Bundesregierung will mit weiteren Entlastungen entgegenwirken.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Björn Finke, Brüssel, Berlin/Brüssel

Angesichts von Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg warnt der Verfassungsschutz vor einem wachsenden Zulauf für rechte Kräfte. Seine Behörde beobachte, "dass eine radikalisierte Minderheit aus Rechtsextremisten, Delegitimierern, Reichsbürgern und Verschwörungsgläubigen sich in Stellung bringt", sagt Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Diese wollten die Themen besetzen und zur Mobilisierung missbrauchen. Auch Russland nehme vermehrt Einfluss.

So rücke die Kleinstpartei "Freie Sachsen" verstärkt die soziale Frage in den Vordergrund, während die AfD sich vermehrt mit der Inflation beschäftige. Ziel sei es häufig, "Unmut und wachsende Probleme im Alltag der Bevölkerung zu instrumentalisieren, um so langfristig das Vertrauen in Staat, Regierung und Demokratie zu unterminieren", schreibt das Kölner Bundesamt. Erschwerend komme hinzu, dass Russland Instrumente wie Cyberangriffe und Desinformation einsetze, um die Gesellschaft in Deutschland zu spalten. So versuche Moskau, mit der gezielten Verbreitung von Falschinformationen zu Gasknappheit und Preissteigerungen die Ängste zusätzlich zu schüren. "Russische Propaganda wird im extremistischen Milieu voraussichtlich noch zunehmen", warnt der Verfassungsschutz.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies am Mittwoch auf die geplanten Hilfen für Bürger. Große soziale Unruhen seien nicht zu befürchten, "weil zu den Belastungen auch Entlastungen kommen". Je besser es gelinge, sozialen Verwerfungen zu begegnen, desto weniger verfingen russische Versuche der Destabilisierung. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem dritten Entlastungspaket, muss sich allerdings auch mit einem akuten Problem herumschlagen: Nach EU-Recht muss sie auf die Umlage zur Rettung angeschlagener Gasimporteure auch Mehrwertsteuer erheben, sehr zum Ärger von Millionen Gaskunden.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte versucht, dies durch eine Ausnahmegenehmigung aus Brüssel zu umgehen. Doch in einem Brief an Lindner vom Mittwoch erklärt EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, wieso diese nicht gewährt werden kann. Zugleich bietet der Italiener aber Alternativen an.

Berlin könne die Einnahmen wieder zurückgeben, heißt es

In dem zweiseitigen Schreiben, das der SZ vorliegt, heißt es, die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, deren überarbeitete Version erst im April in Kraft trat, verlange, dass für solche Abgaben und Aufschläge der gleiche Mehrwertsteuersatz gelten müsse wie für das eigentliche Produkt, also das Gas. Eine vorgesehene Ausnahmeklausel zu nutzen, funktioniere nicht.

Gentiloni schlägt aber andere Lösungen vor, wie eine zusätzliche Belastung für die Bürger vermieden werden könne. So könnte die Bundesregierung einfach den Mehrwertsteuersatz für Gas ein wenig senken - und zwar so sehr, dass die Gasumlage keine zusätzlichen Mehrwertsteuer-Einnahmen mehr bringt. Oder die Regierung nutzt die Zusatzeinnahmen durch die Umlage, um die Haushalte an anderer Stelle zu entlasten. Berlin könnte diese Unterstützung so entwerfen, dass sie vor allem den ärmsten Bürgern zugutekomme, regt Gentiloni an.

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