UN-Generalversammlung:Appell an die Weltöffentlichkeit

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Vor einem Jahr hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij per Videoschalte auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesprochen. Jetzt wird er persönlich in New York erwartet. (Foto: Jason Decrow/dpa)

Der Krieg gegen die Ukraine steht im Zentrum der UN-Generalversammlung. Präsident Selenskij wirbt weiter für internationale Solidarität.

Von Daniel Brössler, Berlin

Unter anderen Umständen wäre es die ganz große Party. Deutschland begeht das 50. Jubiläum seiner Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, und die Bundesregierung lässt es sich nicht nehmen, das vor Beginn der diesjährigen Generalversammlung zu würdigen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) laden im UN-Gebäude am East River zu einem Empfang. Die beiden deutschen Staaten waren erst 1973, knapp drei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, in die UN aufgenommen worden. Seither habe sich Deutschland, bekräftigte Baerbock nach ihrer Ankunft in New York, "von einem Feindstaat zu einem der größten Unterstützer der Vereinten Nationen gewandelt". Überlagert wird das Jubiläum allerdings von der Rückkehr des Krieges nach Europa. Es ist die zweite Generalversammlung seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Niemand werde sich an das "unermessliche Leid" gewöhnen, das Russland über die Menschen in der Ukraine bringe, sagte Baerbock nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken. Das gelte nicht nur für Schützengräben, sondern für jedes Dorf, in dem die russische Armee wüte. "Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, das ist nicht normal. Daran wird sich keiner gewöhnen", sagte Baerbock, "Dorfbewohner wurden in Kellern eingesperrt. Das ist nicht normal, und keiner und niemand in der Welt wird sich daran gewöhnen." Während der Woche in New York muss sich erweisen, inwieweit das Wunsch und inwieweit es Wirklichkeit ist.

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Im schwieriger werdenden Kampf um internationale Solidarität will der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in New York jedenfalls selbst das Wort ergreifen und sich vor der Generalversammlung an die Weltöffentlichkeit wenden. Auch in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Krieg in der Ukraine wird eine Wortmeldung Selenskijs erwartet - was zu einer direkten Konfrontation mit dem russischen Regime in Gestalt von Außenminister Sergej Lawrow führen dürfte. Auch Bundeskanzler Scholz hat sich in dieser offenen Sitzung, in der auch Nichtmitglieder zugelassen sind, auf die Redeliste setzen lassen. Für ihn bieten die Tage in New York eine Gelegenheit, diplomatische Initiativen der vergangenen Monate fortzuführen. Mit gemischten Ergebnissen versucht Scholz, die Länder des "Globalen Südens" für eine Front gegen den russischen Aggressor zu gewinnen.

Einsetzen wollen sich Scholz und Baerbock in New York auch für eine Reform der - wie sich im Fall der Ukraine zeigt - vielfach blockierten Vereinten Nationen. Die UN stünden "unter Anpassungsdruck", hieß es dazu aus der Bundesregierung. Darüber, dass der Sicherheitsrat mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs als ständigen Mitgliedern mit Vetorecht die Kräfteverhältnisse in der Welt nicht mehr abbildet, wird seit Jahrzehnten geklagt. Mittlerweile sei das Problem aber "akuter denn je". Der Globale Süden sei "einfach nicht mehr bereit, dieses Ungleichgewicht hinzunehmen". Deutschland hofft allerdings auch selbst immer noch auf einen ständigen Sitz und verweist unter anderem auf seine Stellung als zweitgrößter Geldgeber.

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