Bafög-Reform:Akademikerkinder unter sich

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An der Uni Köln blicken die Erstsemester im Herbst 2023 gespannt ihrer Zukunft entgegen. (Foto: Christoph Hardt/IMAGO/Panama Pictures)

Wer kein Geld von zu Hause bekommt, kann nur auf Sparflamme studieren - und schon gar kein lustiges Studentenleben führen. Warum auch die Bafög-Reform an dieser Ungleichheit nur wenig ändert.

Von Kathrin Müller-Lancé

Die Inflation macht alles teurer, natürlich auch für Studierende. Für ein WG-Zimmer müssen sie im Durchschnitt mit 479 Euro Miete pro Monat rechnen, in München sogar mit 760 Euro, noch vor einem Jahr waren es 720 Euro gewesen. So geht es aus einer Analyse des Moses-Mendelssohn-Institutes aus diesem Jahr hervor. Was die Untersuchung auch zeigt: In 73 deutschen Universitätsstädten sind die Durchschnittsmieten für WG-Zimmer höher als die Wohnkostenpauschale des Bafög - sie liegt bei 360 Euro. Das heißt: Für viele, die auf die staatliche Studienbeihilfe angewiesen sind, wird es bei der Wohnungssuche richtig knapp. Sie müssen an anderer Stelle sparen oder sich zusätzlich einen Nebenjob suchen, wobei der zum Teil auch wieder aufs Bafög angerechnet werden kann.

In ihrem Koalitionsvertrag versprach die Ampelregierung ein "grundlegend reformiertes Bafög". Der Gesetzentwurf, den das Kabinett verabschiedet hat, sieht durchaus ein paar Änderungen vor: So sollen Studierende zum Beispiel in Zukunft ohne Angabe von Gründen dank eines "Flexibilitätssemesters" länger studieren können, ohne ihren Bafög-Anspruch zu verlieren. Außerdem sollen die Freibeträge für die Einkommen der Studierenden und deren Eltern steigen. Und: Studierende aus Haushalten, die Sozialleistungen empfangen, sollen eine einmalige Studienstarthilfe von 1000 Euro bekommen.

Ausgerechnet die regelmäßigen Zahlungen aber, die Sätze für den Grundbedarf und die Wohnkostenpauschale, will die Regierung nicht erhöhen - und das, obwohl nicht nur die Mieten, sondern auch der Strom, selbst der Döner teurer geworden sind. Der Bafög-Höchstsatz stieg zuletzt im Herbst 2022, seitdem liegt er (inklusive Wohnkostenpauschale) bei 934 statt 861 Euro pro Monat. Die Reformpläne der Regierung halten viele deshalb für unzureichend, auch die Bundesländer. Der Bundesrat forderte am vergangenen Freitag in einer Stellungnahme, bei der Reform nachzubessern.

Viele können sich weder Praktikum noch Auslandssemester leisten

"Existenzängste machen den Kopf voll", sagt auch Wolf Dermann vom Netzwerk Arbeiterkind.de, das Studierende mit nicht akademischem Hintergrund berät. Er erzählt von Studierenden, die erst gar nicht über Praktika oder Auslandsaufenthalte nachdenken, weil sie sich das nicht leisten können, die ihren Freunden sagen, sie hätten keine Zeit fürs Kino oder den Club - auch wenn ihnen eigentlich nicht die Zeit, sondern das Geld fehlt. 2021, als wegen der Corona-Pandemie vielen die Nebenjobs wegbrachen, waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mehr als ein Drittel der Studierenden armutsgefährdet. Das heißt, sie verfügten über weniger als 1251 Euro pro Monat. Studierende, die aus Arbeiterfamilien kommen, klagen häufiger über finanzielle Unsicherheit als Studierende, deren Eltern Akademiker sind.

Die Starthilfe von 1000 Euro könne durchaus "ein Segen" sein für junge Menschen, sagt Wolf Dermann, zum Beispiel, um sich zum Studienstart einen neuen Laptop zu kaufen, um die Immatrikulationskosten oder die Kaution fürs WG-Zimmer zu bezahlen. Aber um wirklich mehr Chancengleichheit an die Hochschulen zu bringen, brauche es eine grundlegende Reform, eine, bei der die Bedarfssätze transparent auf der Grundlage von Warenkörben berechnet werden, bei der das Geld rechtzeitig ankommt und nicht erst mit Monaten Verzögerung, wie es gerade zu oft der Fall ist.

Die Stellungnahme des Bundesrates liegt nun bei der Regierung, die entscheiden kann, wie sie darauf reagiert. Der Bundestag muss die Reform noch bis zur Sommerpause im Juli verabschieden, damit die Änderungen zum Wintersemester 2024/25 in Kraft treten können.

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