Soziale Medien:SPD zieht sich von der Plattform X zurück

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SPD-Chef Lars Klingbeil veröffentlicht nur noch selten Posts auf X. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Parteiführung will ihren Kanal auf dem früheren Twitter nicht mehr bespielen - weil ihr dort zu viel Hass und Hetze begegnet. Andere Parteien dagegen bleiben. Besonders eine sieht hier die Chance, ihre Weltsicht zu verbreiten.

Von Markus Balser, Georg Ismar, Johann Osel, Roland Preuß, Henrike Roßbach und Robert Roßmann, Berlin

Beim jüngsten Parteitag zur Aufstellung der Europawahlkandidaten fiel das Schweigen des SPD-Parteivorstands bereits auf: Aussagen des Kanzlers und anderer prominenter Sozialdemokraten wie Spitzenkandidatin Katarina Barley kamen auf dem zentralen Parteikanal auf der Plattform X - vormals Twitter - schon nicht mehr vor. Nun zieht sich der Parteivorstand offiziell zurück von einem Kommunikationskanal, der lange auch im Willy-Brandt-Haus als essenziell galt, um Botschaften direkt an möglichst viele Menschen zu verbreiten.

"Nach der Übernahme des Kurznachrichtendienstes X durch Elon Musk hat sich die Plattform X massiv zum Negativen verändert", sagt eine SPD-Sprecherin und bestätigt damit einen Tagesspiegel-Bericht zum Rückzug. X habe Tausende Mitarbeiter entlassen, die zuständig dafür waren, gegen auf der Plattform verbreitete Hassbotschaften vorzugehen: "Die Verbreitung von Desinformation, Fake News und hasserfüllter Propaganda sind dort mittlerweile an der Tagesordnung" - gerade auch durch russische Trollfabriken.

Parteichefin Esken und Generalsekretär Kühnert haben ihre Konten gelöscht

Spannende Stimmen, die den Diskurs auf Twitter vor Musks Übernahme und der Umbenennung in X interessant und fruchtbar gemacht und eine Form von unabhängiger und kritischer Öffentlichkeit hergestellt hätten, hätten sich abgemeldet. "Wir investieren unsere Zeit in andere für politische Kommunikation relevantere Kanäle wie Tiktok, Instagram, Facebook, Youtube und Whatsapp", sagt die SPD-Sprecherin. Allerdings würden SPD-Politikern für ihre eigenen X-Konten keine Vorgaben gemacht. Auch die Bundestagsfraktion ist bisher weiter auf X aktiv und postete dort am Donnerstag Videoschnipsel von Olaf Scholz, als "eine Auswahl der besten Attacken des Klartext-Kanzlers" gegen Unions-Fraktionschef Friedrich Merz aus der Generaldebatte im Bundestag.

SPD-Chef Lars Klingbeil veröffentlicht dagegen kaum noch etwas auf X. Die Co-Vorsitzende Saskia Esken hat sich bereits im Oktober 2022 verabschiedet, auch Generalsekretär Kevin Kühnert hat seinen Account gelöscht. In den letzten Tagen haben sich auch mehrere Wissenschaftsorganisationen und Stiftungen verabschiedet.

Die Grünen wollen X nicht Demokratiefeinden überlassen

Kaum eine Partei nutzt das Portal weiter so intensiv wie die AfD. Die rechtsextreme Partei sieht keinen Grund für einen Rückzug. Für sie ist X ein wichtiger Kanal, um ihren Anhängern an den klassischen Medien vorbei ihre Weltsicht nahezubringen. Viele Tweets stehen für die Radikalisierung, man wirbt dort etwa für Massenabschiebungen oder wirft der Regierung "linken Totalitarismus" vor. Man sehe "keinen Grund, das einzige soziale Netzwerk, dass die Meinungsfreiheit noch hochhält, zu verlassen", heißt es aus der AfD-Zentrale. Es zeuge von wenig demokratischem Verständnis, wenn Organisationen und sogar Regierungsbehörden X verließen, "weil ihnen die Meinung der Nutzer nicht genehm ist".

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Anders als bei der SPD-Spitze gibt es bei den Grünen nach Auskunft einer Sprecherin bislang keine Rückzugsüberlegungen. Immer wieder werden auch Grünen-Spitzenpolitiker auf der Plattform Ziel von Hass und Hetze. Aber zögen sich demokratische Parteien und Politiker generell zurück, überlasse man das Feld vollends jenen Kräften, die der Demokratie schaden wollten, heißt es bei den Grünen. Erst vor wenigen Tagen hatte das Außenministerium von Annalena Baerbock eine prorussische Desinformationskampagne auf der Plattform aufgedeckt. Mit tausenden gefälschten Nutzerkonten soll die Kampagne mit Falschnachrichten Stimmung gegen die Politik der Ampelkoalition und der Bundesregierung gemacht haben.

In der CDU sei ein Ausstieg bei X "im Augenblick kein Thema", sagt eine Sprecherin. Auch in der Unionsfraktion sind keine Bestrebungen erkennbar. Und die FDP will ebenfalls bleiben. Man habe den verfassungsmäßigen Auftrag, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, teilt die Partei mit. "Um die Menschen auch tatsächlich erreichen zu können, müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit an ihrer Mediennutzung ausrichten. Das gilt insbesondere für enorm verbreitete Plattformen wie X." Das Feld wolle man nicht Kräften außerhalb der Mitte überlassen. Ähnlich hört es sich bei der CSU an: "X ist für uns als digitale Volkspartei eine wichtige Säule in der täglichen Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Medien."

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