Verfahren gegen X:Musk bekommt, was Musk verdient

Lesezeit: 2 min

Elon Musk bekommt Ärger von der EU, weil seine Plattform X sich nicht an Internet-Regeln hält. (Foto: Reuters/Reuters)

Der Tesla-Chef hat aus Twitter den Höllenschlund X gemacht. Dass die EU nun an der Plattform ihre neuen Internet-Regeln durchexerziert, ist so logisch wie richtig.

Kommentar von Max Muth

Die Social-Media-Plattform namens X hat soeben zweifelhaften Ruhm erlangt. Die App, die bis vor einiger Zeit noch Twitter hieß, ist das erste Unternehmen, das ein Verfahren der Europäischen Union wegen Verstößen gegen den Digital Services Act (DSA) am Hals hat.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Der DSA gilt für die meisten Unternehmen in der EU erst von 2024 an, für einige besonders große - sogenannte "sehr große Online-Plattformen" - aber schon seit August dieses Jahres. Dass der Verfahrenshammer der EU nun auf das Haupt von X-Chef Elon Musk niedergeht, ist nur folgerichtig. Der irrlichternde Tesla-Boss mit seiner strauchelnden Plattform ist ein allzu leichtes Opfer. Schuld daran ist niemand anders als Musk selbst.

Die Bots sind aufdringlicher denn je

Binnen etwas mehr als einem Jahr hat Musk aus einer gelegentlich profitablen, respektierten, von manchen innig geliebten Plattform einen defizitären Höllenschlund aus Verschwörungstheorien und dubiosen Bitcoin-Influencern gemacht.

Im Namen des Kampfes gegen Bots, also unechte Nutzerkonten, hat Musk ein Abomodell eingeführt, das es schwieriger macht, zwischen Bots und echten Menschen zu unterscheiden. Wer X nach wie vor nutzt, weiß: Bots, die Nutzern wahlweise Pornografie oder Kryptowährungen andrehen wollen, sind heute aufdringlicher denn je.

Musk hoffte, das X mit seinem Abomodell unabhängiger von Werbeeinnahmen zu machen. Das schlug fehl. Selbst wenn die kürzlich in Medien kolportierte Zahl von einer Million zahlender Kunden stimmen sollte, gleicht das nicht im Ansatz die Verluste aus, die durch flüchtende Werbekunden entstehen. Musk hat viele vergrault. Die Anzeigeneinnahmen dürften noch sinken, nachdem Musk allen Werbekunden Ende November ein gepflegtes "Fuck You" entgegenschleuderte und sie der Erpressung bezichtigte.

Musk dürfte gewusst haben, dass seine Abos X nicht so bald retten werden. Um den Cashflow zu verbessern, schmiss er direkt nach Amtsantritt als CEO gut drei Viertel der alten Twitter-Belegschaft raus. Darunter waren viele Mitarbeitende, die wegen Content-Moderation oder Compliance mit staatlichen Vorgaben zu tun hatten.

All diese Schritte rächen sich jetzt.

Folgerichtig verbreitete sich nach der Attacke auf Israel am 7. Oktober Hamas-Propaganda ungebremst auf X. Zum einen zählt Terrorpropaganda in Musks absolutistischem Verständnis des Begriffs zur Meinungsfreiheit. Zum anderen dürfte es einfach nicht mehr genügend Mitarbeiter gegeben haben, die die Propaganda löschen konnten, bevor sie sich verbreitete.

Überraschung: Wer Mitarbeiter feuert, hat danach weniger Mitarbeiter

Ebenso wenig wäre überraschend, wenn der Transparenzreport, den X nach den ersten Anfragen an die EU schickte, tatsächlich starke Defizite aufwiese. Denn auch die für solche Berichte zuständigen Mitarbeiter hat Musk Anfang des Jahres vor die Tür gesetzt .

Diese Plattform unter diesem Management ist gefundenes Fressen für die Kommission, die nun zeigen kann, dass sie es ernst meint mit den Regeln für das Internet. Für den neuen Digital Services Act ist das Verfahren der erste Ernstfall. Kritiker des Regelwerks befürchten, dass gerade die Regeln zu Desinformation, Hatespeech und Fake News zu unklar oder unpräzise sind, um vor Gericht standzuhalten.

Doch im Fall von X dürfte das egal sein. Diese Plattform hat so gut wie jede Regel gebrochen, egal in welcher Auslegung.

Bis die Kommission die maximal vorgesehene Strafzahlung von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes gegen Musks Unternehmen verhängen darf, dürfte es allerdings noch dauern. Zunächst steht ihre umfassende Untersuchung an. Doch schon diese dürfte den X-Besitzer ordentlich nerven. Die Ermittler dürfen nämlich Zugang zu den Unternehmenssitzen der Firma verlangen und müssen Einblick in den Programmcode und die Algorithmen der Plattform bekommen. Außerdem kann die EU wichtige Manager des Unternehmens zu Befragungen vorladen.

Einem genervten Musk ist alles zuzutrauen. Vielleicht kommt er ja auf eine Überlegung zurück, die ihm vor gut einem Jahr einmal nachgesagt wurde: X in Europa abzuschalten. Bei der aktuellen Verfassung des Dienstes wäre das für die EU ein Verlust, der sich verschmerzen lässt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNeurips-Konferenz
:Wo uns künstliche Intelligenz hinführt

Obstsortierende Roboter und die große Frage nach der gefährlichen Superintelligenz: Vier Thesen von der wichtigsten KI-Konferenz der Welt in New Orleans.

Von Jannis Brühl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: