Mobilität:Tiefergelegt

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Ein Auslaufmodell: Der Autobriefkasten in der Heerstraße 2 in Berlin. (Foto: Georg Ismar)

Vor 25 Jahren hat die Post den Autobriefkasten eingeführt. Was damals als modern galt, wirkt heute aus der Zeit gefallen. Einer in Berlin ist aber eine Anlaufstelle für Fußballfans.

Von Georg Ismar, Berlin

In den Bergen ist es ein Ritual von Rennrad- und Motorradfahrern, hoch oben auf einem Passschild einen Aufkleber zu hinterlassen. Am Mont Ventoux zum Beispiel ist gar nicht mehr zu lesen, wo man hier eigentlich auf 1909 Metern Höhe gelandet ist. Die Heerstraße in Berlin liegt am Ende des Kaiserdamms zwar auch auf einer Anhöhe mit Blick auf Siegessäule und den Fernsehturm am Alexanderplatz, aber es ist doch eher überraschend, dass sich hier in der märkischen Tiefebene ein Schild finden lässt, das auch übersät ist mit Aufklebern. Um zu zeigen, man hat diesen Ort mal besucht. Auf dem gelben Schild steht in schwarzen Lettern: Autobriefkasten.

Darunter steht ein Briefkasten mit viel kürzeren Beinen als üblich, als Fußgänger müsste man sich ziemlich bücken. Rechts sind die Briefe für die Postleitzahlen 10000 - 16999 einzuwerfen, in den Schlitz daneben alle anderen. Geleert wird einmal täglich um 17 Uhr. Der Einwurfschlitz befindet sich in 95 Zentimetern Höhe, etwa 55 Zentimeter niedriger als bei normalen Briefkästen. Und er ist zur Straße ausgerichtet, nicht zum Bürgersteig, an den Seiten geschützt durch zwei weiße Poller, damit es nicht zu Unfällen beim Briefeinwurf kommt.

Für Radfahrer war im Berlin der 1990er-Jahre nicht viel Platz

Hier braucht man nicht auszusteigen. Man hält mit dem Auto an, kurbelt das Fenster herunter - und ab die Post. Es muss sich vor allem in der Fußballszene herumgesprochen haben, dass sich an der Heerstraße 2 ein selten gewordener Ort in Deutschland befindet, er liegt an der Strecke Richtung Berliner Olympiastadion. Es finden sich vor allem Aufkleber von Fanklubs von Hertha BSC Berlin, aber auch vom Karlsruher SC. Generell stellt sich da natürlich die Frage: Passt der Autobriefkasten noch in die Zeit? Als er eingeführt wurde, regierte in Gerhard Schröder der selbsternannte Autokanzler, und Radfahren in der auf möglichst viel Autoverkehr ausgerichteten Hauptstadt war wirklich etwas für die Risikofreudigeren.

Der Erste seiner Art wurde 1998 am Alexanderplatz in Berlin vorgestellt. Hören wir mal rein, was Manfred J. Helbig, Präsident der Direktion Berlin der Deutschen Post, damals zur Vorstellung des ersten Berliner Autobriefkastens sagte: "Mit den Briefkästen für Autofahrer entsprechen wir den Wünschen vieler Kunden", sagte Helbig. "Wie oft habe ich schon nach einem Parkplatz gesucht, nur um einen Brief einzuwerfen?" Diese leidige Parkplatzsuche solle nun der Vergangenheit angehören. Immer mehr Menschen würden schließlich ihre Besorgungen mit dem Auto erledigen, da wollte die Post im neuen Drive-in-Zeitalter bloß nicht hintanstehen. Helbigs Fazit: "Der Autobriefkasten ist eine Attraktion."

25 Jahre später ist er unter den bundesweit 108 400 Briefkästen eher ein Auslaufmodell. Auch weil es immer wieder unschöne Zwischenfälle gab: In Lüdenscheid zum Beispiel wurde ein Autobriefkasten mehrfach von Fahrzeugen beschädigt und so versetzt, dass er für Autos unerreichbar wurde. In Berlin waren zunächst 15 Autobriefkästen geplant, die Kosten pro Standort wurden mit 3000 bis 4000 Mark beziffert. 2002 gab es noch neun in Berlin, heute nur noch drei - auch der am Alexanderplatz ist längst Geschichte. Bei der Post scheint man der einstigen Attraktion keine große Zukunft mehr zuzubilligen. Ein Sprecher betont: "Eine Ausweitung ist nicht geplant."

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