Migrationspolitik:Faeser bereitet schärfere Grenzkontrollen vor

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Will stationäre Kontrollen an Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz installieren: Bundesinnenministerin Nancy Faeser. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die Bundesregierung will nun die Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz viel strenger überwachen. Ziel ist der Kampf gegen Schleuser und illegale Migration.

Von Markus Balser, Berlin

Die Bundesregierung bereitet überraschend verschärfte Grenzkontrollen an drei weiteren Außengrenzen vor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) meldete am Montag stationäre Kontrollen für die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz bei der EU-Kommission in Brüssel an. Wie ihr Ministerium mitteilte, sollen zudem Kontrollen der Bundespolizei, die direkt an der Grenze zu Österreich erfolgen, um weitere sechs Monate verlängert werden. An dieser Grenze wird bereits seit Herbst 2015 stationär kontrolliert.

Die Bundesregierung justiert damit erneut in der Migrationspolitik nach. Faeser begründete ihre Entscheidung mit der Begrenzung der irregulären Migration. Außerdem gehe es darum, "die Schleusungskriminalität noch stärker zu bekämpfen". Die Bundespolizei hatte zuletzt von einer Verschiebung der Balkanroute weg von Österreich und hin nach Tschechien und Polen gewarnt. An der dortigen Grenze waren zuletzt täglich Hunderte Migranten festgestellt worden. Insgesamt steigen die Zahlen der illegalen Migration deutlich an. Von Anfang Januar bis Anfang Oktober hat die Bundespolizei laut Bundesinnenministerium insgesamt etwa 98 000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland festgestellt.

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Die Flüchtlingszahlen steigen weiter

Zuletzt hatte ein schwerer Unfall mit sieben Toten in einem überfüllten Schleuserfahrzeug in der Nacht zum Freitag Bestürzung ausgelöst und gezeigt, welchen Gefahren Menschen auf der Flucht ausgesetzt sind. Die Flüchtlingszahlen steigen derweil weiter. Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland insgesamt 233 744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Viele Kommunen sehen sich bei der Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten an der Belastungsgrenze. Zwar liegen die Zahlen der Asylbewerber noch unter denen der Jahre 2015 und 2016. Hinzu kommt aber derzeit, dass seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind.

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Die neueste Wendung in der Migrationspolitik kommt dennoch überraschend. Forderungen der CDU-Innenminister von Sachsen und Brandenburg, Armin Schuster und Michael Stübgen, hatte die Bundesregierung unter Verweis auf Probleme beim freien Waren- und Personenverkehr bislang zurückgewiesen und lediglich Kontrollen abseits der Grenze verschärft - auch in Kooperation mit Nachbarländern. Die Regierung hat aber in der vergangenen Woche bereits auf einem anderen Gebiet ihre Maßnahmen verschärft: Faeser präsentierte einen Gesetzentwurf, der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber beschleunigen und erleichtern soll.

Andere Länder haben schon früher Kontrollen beantragt

Die Grenzkontrollen sollen auch das Zurückweisen an der Grenze ermöglichen. Zurückweisungen an Schengen-Binnengrenzen sind rechtlich nur dann zulässig, wenn zuvor die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurde. Allerdings kommt es nur selten vor, dass Asylbewerber direkt an der Grenze zurückgewiesen werden, etwa wenn ein Geflüchteter mit einer Einreisesperre belegt ist oder er keinen Asylantrag stellt.

Andere Länder sind diesen Schritt bereits gegangen. Frankreich hat etwa unter Verweis auf Terrorgefahren und irreguläre Migration über die zentrale Mittelmeerroute und die sogenannte Balkanroute Kontrollen an seinen Grenzen zu Belgien, Luxemburg, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz beantragt. Auch die Franzosen kontrollieren aber nicht überall rund um die Uhr, sondern eher punktuell und lageangepasst.

Auch in Deutschland sollen die Kontrollen an wechselnden Orten erfolgen, die weder den freien Warenverkehr noch etwa Pendler an der Grenze dauerhaft behindern sollten, hieß es am Montag in Regierungskreisen. Teils seien aber Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Verkehr je nach Kontrolldichte möglich. Man versuche, sie so weit wie möglich zu vermeiden, kündigte das Innenministerium an.

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Der Zeitpunkt der Ankündigung dürfte kein Zufall sein. Am Sonntag wurde in Polen gewählt. Die regierende PiS-Partei hatte Deutschland immer wieder zum Feindbild erklärt. Offenbar hat die Regierung versucht, mit der Anmeldung der Kontrollen die Wahl abzuwarten, um den hart geführten Wahlkampf nicht noch zusätzlich anzufachen.

Faeser machte am Montag auch klar, dass die Kontrollen kein Dauerzustand werden sollen. "Wir wollen schnellstmöglich zurück zu Binnengrenzen, an denen wir nicht kontrollieren müssen", sagte die Innenministerin. Dafür aber sei das geplante gemeinsame europäische Asylsystem mit einem umfassenden Schutz der EU-Außengrenzen der entscheidende Schritt. Wir müssen die EU-Gesetzgebung dazu jetzt abschließen."

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