Zuwanderung:Scholz stellt Maßnahmen gegen irreguläre Einwanderung in Aussicht

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CSU-Chef Söder nannte Bundeskanzler Scholz einen "Meister des Schweigens" - Stunden später äußerte er sich in Nürnberg zur Migrationsdebatte. (Foto: imago)

In die Migrationsdebatte kommt Bewegung: Der Bundeskanzler mahnt zu effektiveren Abschiebungen und kann sich mehr Grenzkontrollen vorstellen. Derweil attackiert die FDP die Grünen heftig - und die Union erhöht den Druck.

In die Migrationsdebatte kommt Bewegung: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mögliche zusätzliche Maßnahmen in Aussicht gestellt, um irreguläre Einwanderung zu begrenzen. "Das sind sehr viele, die nach Europa und nach Deutschland kommen, und die Zahl hat dramatisch zugenommen", sagte er bei einer SPD-Kundgebung in Nürnberg. Scholz bekannte sich zum Grundrecht auf Asyl, mahnte aber auch effektivere Abschiebungen an. Außerdem kündigte er "je nach aktueller Lage" mögliche Kontrollen an der Grenze zu Polen an.

Scholz nannte die Situation angesichts gestiegener Zahlen "schwierig". Das auszusprechen sei unverzichtbar und richtig in einer Gesellschaft, die über Probleme frei diskutiere. "Deutschland bekennt sich zum Asylrecht", betonte er. Wer komme und sich nicht auf Schutzgründe berufen könne oder Straftaten begangen habe, müsse aber abgeschoben werden.

Scholz Äußerungen kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Ampelkoalition und die Union gegenseitig zu gemeinsamen Lösungen aufrufen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) etwa sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wenn wir nicht wollen, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet, dann sind alle demokratischen Parteien verpflichtet, bei der Suche nach Lösungen zu helfen."

Habeck sagte am Samstag bei einem Grünen-Parteitag in Neumünster in Schleswig-Holstein: "Was wir machen müssen, sind konkrete Maßnahmen, die den Menschen helfen, den Kommunen helfen, die insgesamt dem politischen System helfen." Hohle Sprüche und Phrasen würden nicht weiterhelfen. Habeck sprach sich auch für Abkommen mit Herkunfts- und Transitländern aus. Das bedeute aber, "diesen Ländern auch etwas zu geben".

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Liberale üben heftige Kritik an den Grünen

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte den bisherigen Kurs der Grünen scharf. "Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Hier müsse dringend ein Umdenken der Grünen stattfinden.

In München warf CSU-Chef Markus Söder auf einem Parteitag Kanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) Untätigkeit und Fehler vor. Scholz tue in der Krise das, was er am besten könne: Er sei ein "Meister des Schweigens", sagte der bayerische Ministerpräsident. Dabei brauche es jetzt politische Gestaltung. "Die Lage ist zu ernst, um zu schweigen." Und über Faeser sagte Söder: "Sie irrlichtert, sie wirkt zunehmend überfordert." Söder forderte erneut eine "Integrationsgrenze", anders ließen sich die Herausforderungen nicht stemmen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Süddeutschen Zeitung, es brauche in der Migrationspolitik jetzt "so einen Konsens wie 1993". Damals war auf Grundlage eines Kompromisses von Union und FDP mit der oppositionellen SPD das Asylgrundrecht eingeschränkt worden. "Ich persönlich würde dann sofort öffentliche Zuspitzungen im Streit mit den Ampel-Parteien sein lassen - und ich wäre sofort bereit zu sagen: Kommt, wir setzen uns an einen Tisch! Damit die Flüchtlingszahlen runtergehen", sagte Linnemann.

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:"Kommt, wir setzen uns an einen Tisch!"

Wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann künftig die Rolle seiner Partei sieht, warum es noch keine Zusammenarbeit bedeutet, wenn die Union auch auf die Zustimmung der AfD setzt, und welch ungewöhnliches Angebot er der Regierungskoalition macht.

Interview von Boris Herrmann, Nicolas Richter, Robert Roßmann, Fotos: Friedrich Bungert

Am Freitag hatte die oppositionelle Union im Bundestag bereits einen eigenen Antrag für einen "Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik" mit verschiedenen Forderungen vorgelegt. Hintergrund ist der zuvor vom Bundeskanzler vorgeschlagene Deutschland-Pakt. Die Union moniert, dass der Ankündigung keine konkreten Schritte folgten.

Möglichkeit zusätzlicher Grenzkontrollen wird geprüft

Mögliche Bewegung deutete sich in der umstrittenen Frage zusätzlicher Grenzkontrollen an. Bundesinnenministerin Faeser lässt einem Sprecher zufolge derzeit !grenzpolizeiliche Maßnahmen" an den Grenzen zu Polen und Tschechien prüfen.

Solche zusätzlichen Kontrollen müssten mit der Überwachung des gesamten Grenzgebiets durch die Schleierfahndung gut zusammengreifen, sagte Faeser in der Welt am Sonntag. "Dafür haben wir die Präsenz der Bundespolizei an der polnischen und der tschechischen Grenze bereits stark verstärkt." Sie warnte zugleich: "Man sollte aber nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt." Wenn eine Person an der Grenze um Asyl bitte, müsse der Asylantrag in Deutschland geprüft werden. Entscheidend bleibe also der Schutz der EU-Außengrenzen, "den wir mit dem gemeinsamen Asylsystem erreichen".

Aus Ländern und Kommunen kamen zuletzt zunehmende Warnungen vor einer Überlastung. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204 000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu kommt, dass wegen des russischen Kriegs mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.

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