Naher Osten:Angst vor einem Flächenbrand

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Der Containerfrachter "Al Jasrah" - hier ein Bild von 2020 - wurde im Roten Meer angegriffen. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Außenministerin Baerbock warnt ihren Kollegen aus Libanon vor einer Eskalation im Konflikt mit Israel. Zuvor wurde ein Containerschiff im Roten Meer beschossen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Die Besatzung der Al Jasrah hat offenbar noch einmal Glück gehabt. Das 368 Meter lange Containerschiff, das von der deutschen Reederei Hapag Lloyd betrieben wird und unter der Flagge Liberias fährt, war am Freitag im Roten Meer angegriffen worden. Nach allem, was bekannt ist, schlug eine Drohne an Deck ein. Das Schiff befand sich nach britischen Militärangaben 110 Kilometer südwestlich der jemenitischen Hafenstadt Hodeidah.

Abgefeuert hat die Waffe mutmaßlich die von Iran unterstützte Huthi-Miliz, die den Norden Jemens einschließlich größerer Teile der Westküste zum Roten Meer hin kontrolliert. Sie gehört wie die Hisbollah im Libanon zu dem von Iran als "Achse des Widerstands" titulierten Netz schiitischer Gruppen, das von den Revolutionsgarden koordiniert und gesteuert wird. Die Islamische Republik setzt sie seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ein, um Israel und seine Verbündeten zu attackieren.

Die Huthis hatten zuletzt fast täglich Schiffe im Roten Meer angegriffen oder versucht zu kapern, in einigen Fällen erfolgreich. Zugleich feuerten sie Drohnen und ballistische Raketen auf Ziele in Israel. Diese wurden zum großen Teil von amerikanischen und französischen Kriegsschiffen abgeschossen - aber auch von Saudi-Arabien, das dazu unter anderem Kampfjets des Typs Eurofighter Typhoon einsetzte.

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Westliche Staaten, vor allem die USA, versuchen das Regime in Teheran mit diplomatischen Bemühungen und massiver Militärpräsenz davon abzuhalten, den Krieg zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen so zu eskalieren, dass er die gesamte Region in Flammen setzt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte jüngst den iranischen Außenminister Hossein Amir Abdollahian in einem Telefonat vor einer Ausweitung des Krieges gewarnt.

Die USA schmieden eine Marine-Koalition

Ob sich das noch abwenden lässt, ist offen. An Bord der Al Jasrah löste die Drohne einen Brand aus, verletzt wurde nach Angaben der Reederei niemand. Ziel der Attacke war aber offenbar, das Schiff zu versenken. Zumindest wurden nach US-Militärangaben wenig später zwei ballistische Rakete von Jemen aus abgefeuert. Eine davon landete im Meer, die andere traf die MSC Palatium III, ein weiteres Containerschiff. Doch galten beide wohl der Al Jasrah.

Durch das Rote Meer und die nur 29 Kilometer breite Meerenge Bab al-Mandab fahren jeden Tag Dutzende Handelsschiffe, die nicht nur für Israels Versorgung wichtig sind. Hier verläuft eine wichtige Handelsroute nach Asien, es verkehren Öltanker aus den Golfstaaten mit Ziel Europa. Um diese strategisch bedeutende Schifffahrtsroute zu schützen, stellen die USA derzeit eine möglichst breite maritime Koalition auf.

Der Bundesregierung liegt eine Bitte aus Washington vor, sich an der Operation zu beteiligen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte am Freitag in Berlin, die USA hätten bei der Marine angefragt, ob sie in der Lage sei, im Roten Meer zu unterstützen, "ohne dass das konkret mit Forderungen hinterlegt war". Diese Anfrage werde derzeit "geprüft und mit allen notwendigen verantwortlichen Stellen in der Regierung besprochen". Das Auswärtige Amt wertete die Attacken immerhin als "massiven Eingriff in die Sicherheit der internationalen Seeschifffahrt". Die Reedereien Hapag-Lloyd und Maersk gaben am Freitag bekannt, ihre Containerfahrten durch das Rote Meer vorerst auszusetzen.

Die Scharmützel an Israels Grenze zu Libanon haben ein gefährliches Niveau erreicht

Warnungen gab Baerbock am Freitag auch ihrem Gast in Berlin mit auf den Weg, Libanons Außenminister Abdallah Bou Habib. Vom Territorium seines Landes aus wird Israel Tag für Tag angegriffen, mit Mörsergranaten, modernen Panzerabwehrraketen, Drohnen, ballistischen Raketen. Abgefeuert werden sie von der Hisbollah. Die von den iranischen Revolutionsgarden kontrollierte Schiiten-Miliz gilt als mit Abstand stärkste militärische Kraft in Libanon.

Die Lage an der Grenze sei "brandgefährlich", sagte Baerbock. Israel reagiert inzwischen mit Luftangriffen. Allerdings versucht bislang keine der beiden Seiten, den militärischen Schlagabtausch zu einem unbegrenzten Krieg zu eskalieren. Das könnte sich ändern, wenn Iran die Hisbollah zum Großangriff drängt, um eine vernichtende militärische Niederlage der Hamas zu verhindern, die Teheran ebenfalls unterstützt. Oder aber, wenn Israel seine bisherige Zurückhaltung aufgibt - womit jüngst Generalstabschef Herzi Halevi gedroht und auch Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett von Premier Benjamin Netanjahu.

Gantz sagte laut seinem Büro in einem Telefonat mit Baerbock, dass sich Israel nicht mit der derzeitigen Realität an seiner Nordgrenze abfinden könne und wolle. Die internationale Gemeinschaft müsse zusammenarbeiten, um die Bedrohung der Bürger Nordisraels durch die Hisbollah und Iran zu beenden. Israel fürchtet vor allem, dass Angehörige der Radwan-Einheit, der militärischen Elite der Hisbollah, versuchen könnten, auf israelisches Territorium vorzudringen, ähnlich der Hamas-Attacke vom 7. Oktober.

Infiltrationsversuche von Libanon aus hat es wiederholt gegeben; die israelische Armee hat sie bislang abgewehrt. Sie sah sich aber gezwungen, als Vorsichtsmaßnahme mehr als 40 israelische Orte entlang der Grenze zu evakuieren, in denen zuvor mehr als 80 000 Menschen lebten. Die Hisbollah spiele mit dem Feuer, wenn sie Raketen über die Grenze schieße oder ihre Einheiten in unmittelbarer Grenznähe in Stellung bringe, sagte Baerbock. Alle Seiten müssten jetzt äußerste militärische Zurückhaltung an den Tag legen.

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Israel dringt darauf, dass die Vorgaben der UN-Resolution 1701 endlich eingehalten werden, die der Sicherheitsrat nach dem Ende des Libanon-Krieges im Jahr 2006 verabschiedet hat - dazu drängte Baerbock auch ihren libanesischen Kollegen, der seinerseits Israel Verstöße vorwarf. Die Resolution sieht eine demilitarisierte Zone vor, die von der UN-Demarkationslinie, Blaue Linie genannt, nach Norden auf libanesischem Gebiet bis zum Fluss Litani reicht. Dieses Gebiet wird zwar von UN-Blauhelmen der Unifil-Mission überwacht, allerdings unterhält die Hisbollah dort Waffenlager und hat einige ihrer kampfstärksten Einheiten stationiert. Als mögliche Lösung gilt eine stärkere Präsenz der libanesischen Armee - das ist nach dem Beschluss des Sicherheitsrates möglich.

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