Landtagswahlen in Hessen waren für die CDU nie eine einfache Angelegenheit. 2018 verloren die Christdemokraten mehr als zehn Prozentpunkte. Am Morgen danach kündigte Angela Merkel ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz an. Es war auch der Anfang vom Ende ihrer Kanzlerschaft. Noch am selben Tag tauchte Friedrich Merz nach jahrelanger Absenz wieder auf der politischen Bühne auf - inzwischen ist er der CDU-Chef.
Dass es bei den Christdemokraten diesmal deutlich besser laufen wird, hatte sich schon vor der Wahl abgezeichnet. Die Partei rangierte in allen Umfragen mit enormem Vorsprung auf Platz eins. Und am Sonntagabend ging sie dann tatsächlich als der große Sieger vom Feld. Fast zwanzig Prozentpunkte vor der politischen Konkurrenz - das muss man erst einmal schaffen. An diesem Montag um 13 Uhr wollen Friedrich Merz und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein gemeinsam in der Berliner CDU-Zentrale auftreten. Man muss kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass beide das hessische CDU-Ergebnis als großartig preisen werden - nicht nur im Vergleich zu den desaströsen Resultaten der SPD.
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Für Merz ist das Ergebnis trotzdem zweischneidig. Gute Ergebnisse bei Landtagswahlen schaden einem Bundesvorsitzenden natürlich nicht. Mit dem Ergebnis von Hessen wird es für den CDU-Chef aber noch schwieriger, seinen Führungsanspruch in der Partei geltend zu machen. Die CDU ist schon traditionell eine besonders föderal aufgestellte Partei. Und in Hendrik Wüst und Daniel Günther hatte es Merz bereits mit zwei vergleichsweise jungen, aufstrebenden und erfolgreichen Ministerpräsidenten zu tun, die auch auf Bundesebene mitreden wollen.
Jetzt kommt auch noch Boris Rhein dazu. Er war bei der Wahl vom Sonntag zum ersten Mal Spitzenkandidat, jetzt hat auch er seine Feuertaufe bestanden - und das mit einem bravourösen Ergebnis. Wüst, Günther und Rhein sind allesamt mehr als 15 Jahre jünger als Merz. Und sie regieren bisher alle drei mit den Grünen, die Merz zum "Hauptgegner" in der Bundesregierung erklärt hat.
In Rhein, Günther und Wüst wird es Merz künftig mit drei selbstbewussten Ministerpräsidenten zu tun haben, die das anders sehen. Die drei halten auch nichts von Merz-Auftritten wie denen zum "Sozialtourismus", zu den "kleinen Paschas", zur "Alternative für Deutschland mit Substanz" oder zu den abgelehnten Asylbewerbern, die sich hier angeblich so zahlreich die Zähne machen lassen, dass Deutsche keine Arzttermine mehr bekommen. Und alle drei haben als Ministerpräsidenten einen großen Apparat, auf den sie zurückgreifen. Merz hat nur die vergleichsweise ärmlich ausgestattete CDU-Zentrale. Und im Gegensatz zu Wüst, Günther und Rhein war er in seinem langen politischen Leben noch keinen einzigen Tag Minister oder gar Ministerpräsident - ihm fehlt es also an Erfahrung in der Exekutive.
Die guten Ergebnisse der AfD und der Freien Wähler werden die CSU noch schwer beschäftigen
Und dann ist da ja noch Markus Söder. Der tut sich mit den Grünen zwar genauso schwer wie Merz. Aber Söder kann jetzt aufatmen. Er hat, wenn auch mit großen Mühen, die bayerische Landtagswahl überstanden und wird Ministerpräsident bleiben. Und die Kanzlerkandidatur? Ein CDU-Ministerpräsident hat intern schon vor Wochen mit Blick auf die K-Frage gelästert, Söder habe sich noch nie von seinen eigenen Wahlergebnissen beeindrucken lassen. Seine Lesart werde immer sein, dass es reichen wird.
Ganz so einfach wird es für Söder allerdings trotzdem nicht werden. Er hatte die Erwartungen an das CSU-Ergebnis in den vergangenen Wochen zwar nach unten geschraubt. Dass die Freien Wähler und die AfD in Bayern aber derart stark werden konnten, das wird die CSU in den kommenden Wochen noch schwer beschäftigen. Und dass ein in der CSU ungeliebter Ministerpräsident wie Daniel Günther mit seiner Landespartei auf mehr als 43 Prozent kommt, für Söders CSU die 40-Prozent-Marke aber unerreichbar geworden scheint, schmerzt die Christsozialen. Im historischen Vergleich hat Söder erneut ein extrem schlechtes Ergebnis eingefahren.
Und Merz? Der hatte schon bei seinem Amtsantritt als CDU-Chef gesagt, dass die erste entscheidende Nagelprobe für ihn erst die Europawahl sein wird. Die findet im Juni kommenden Jahres statt. Die drei Landtagswahlen in Ostdeutschland folgen erst im September. Die Aussichten für die CDU sind dabei - Stand jetzt - wegen der erstarkten AfD dramatisch schlecht. Auch deshalb dürfte sich in der CDU vorher keiner von Merz' Konkurrenten aus der Deckung wagen - wer will schon ohne Not mit schlechten Ergebnissen in Verbindung gebracht werden.
Aber bis dahin ist ja noch ein ganzes Jahr. Und so wird die CDU-Spitze bei ihrer Sitzung an diesem Montag in Berlin erst mal gemeinsam feiern. Und das Ergebnis in Hessen ist ja auch tatsächlich ein Anlass dafür. Die CDU ist in dem Bundesland jetzt alleine ungefähr so stark wie alle drei Ampelparteien zusammen. In Bayern kommen SPD, Grüne und FDP sogar nur noch auf gut ein Viertel der Stimmen. Das lässt die Union hoffen, auch im Bund wieder erfolgreich sein zu können. Allerdings wird dort - wenn die Ampelkoalition bis dahin durchhält - erst im Herbst 2025 wieder gewählt.