Krieg in Nahost:Israels Armee verstärkt Einsätze am Boden

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Am Montag hat Israel Gaza-Stadt bombardiert, viele Palästinenserinnen und Palästinenser verließen daraufhin ihre Häuser. (Foto: Abed Khaled/AP)

Mehr als 600 Ziele im Gazastreifen sollen in den vergangenen Tagen getroffen worden sein, auch Kampfjets und Drohnen dürften mehr Einsätze geflogen haben. Währenddessen wächst die Sorge, dass sich der Krieg ausweitet.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Krieg wird nicht nur mit Waffen ausgetragen, sondern auch mit Worten. Nüchtern im Ton trug der israelische Militärsprecher Daniel Hagari an diesem Montagvormittag seine Informationen vor, sprach von "Fortschritten", nicht von Erfolgen, und auch nicht von einer großen Bodenoffensive. Aber das, was er vortrug, hörte sich größer an als das, was sich hinter der Bezeichnung "Ausweitung der Bodenoperation" verbirgt.

Tatsächlich hat die israelische Armee den Einsatz ihrer Bodentruppen noch einmal intensiviert. Wie viele israelische Soldaten sich im Gazastreifen befinden, wie viele Panzer - dazu wurden jedoch keine Angaben gemacht. Mitgeteilt wurde lediglich, die Soldaten hätten "Dutzende Terroristen" getötet, die sich in Gebäuden und Tunneln verschanzt hätten. Den israelischen Angaben zufolge wurden in den vergangenen Tagen mehr als 600 Ziele im Gazastreifen getroffen, auch die Kampfjets und Drohnen dürften mehr Einsätze geflogen haben.

Was mit Worten nicht gesagt wurde, zeigen Bilder. Die israelische Armee veröffentlichte Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie sich Panzer den Weg durch den Wüstensand bahnen und Straßen entlangfahren, vorbei an zerstörten Gebäuden. Auch Videos von der Küste des Gazastreifens gibt es. Aufnahmen deuten darauf hin, dass sich die israelische Armee bereits in den Vororten von Gaza-Stadt befindet.

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Kommentar von Tomas Avenarius

Auf einem von einem Palästinenser auf Social Media veröffentlichten Video ist zu sehen, wie ein israelischer Panzer ein Fahrzeug unter Beschuss nimmt. Das passierte in der Salah-a-Din-Straße, offenbar blockiert die israelische Armee diese wichtige Verbindungsstraße in Richtung Süden. Die Hamas wiederum verbreitete über die sozialen Medien ein Video, das ein israelisches Militärfahrzeug zeigen soll, ein offenbar toter Mann wird an einem Strick hinterhergeschleift.

Es gab an diesem Tag aber auch wieder Bilder der Zerstörung aus dem Gazastreifen, wo nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums bereits 8000 Palästinenser gestorben sein sollen. Der palästinensische Rote Halbmond teilte mit, kurz vor einem Angriff hätten israelische Behörden am Sonntag zur Evakuierung des Al-Kuds-Krankenhauses aufgerufen, in dem sich 14 000 Menschen in Sicherheit gebracht hätten. Aber auch aus dem Süden des Gazastreifens wurden Gefechte gemeldet zwischen militanten Palästinensern und israelischen Soldaten.

Von israelischer Seite gab es keine genauen Informationen, wo sich was zugetragen hat. Die Zurückhaltung hat auch damit zu tun, dass man Rücksicht nehmen will auf die Angehörigen der mindestens 239 Geiseln, die sich in der Gewalt der Hamas befinden. Denn sie fürchten, dass eine Bodenoffensive die Chancen auf Freilassung verringert. Seit Montag ist traurige Gewissheit, dass eine der deutschen Geiseln tot ist. Die 22-jährige Shani Louk, die ein Musikfestival an der Grenze zum Gazastreifen besucht hatte, galt seit dem Terrorüberfall der Hamas als vermisst. Ihre Leiche wurde bisher nicht gefunden, aber ein Splitter ihres Schädelknochens. Der israelische Präsident Isaac Herzog sprach der Familie sein Beileid aus. Nach Angaben israelischer Behörden sind zwölf Deutsche unter den Geiseln.

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In vorsichtigen Worten deutet Israels Ministerpräsident eine Vereinbarung mit der Hamas an. Das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt stellt angeblich den Betrieb ein - nach israelischen Angaben lehnte die Hamas eine Treibstofflieferung für das Haus ab.

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Jordanien bittet die USA um die Stationierung von Patriot-Raketen

Drei Geiseln präsentierte die Hamas am Montagnachmittag in einem Video und setzte damit auch auf die Macht der Bilder: Die Frauen sahen mitgenommen aus und baten den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, ihre Freilassung zu ermöglichen. Am Abend teilte Israels Militär mit, es habe im Zuge der Bodenoperationen eine seiner Soldatinnen aus Geiselhaft befreit, es gehe ihr gut.

Die Hamas setzte ebenfalls ihre Offensive fort - mit intensivem Raketenbeschuss. Es gab am Montag in zahlreichen Orten Alarm, bis weit ins Landesinnere flogen Raketen, sogar in Jerusalem heulten die Sirenen. Raketenbeschuss gab es auch im Norden, hier dürfte sich die Hisbollah wieder in den Konflikt eingeschaltet haben. Ein israelischer Soldat starb.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verglich am Abend Israels Krieg gegen die Hamas mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis. Damals habe man trotz ziviler Opfer nicht gesagt, rottet die Nazis nicht aus. Er antwortete dies auf die Frage eines Journalisten, ob die Luftangriffe auf den Gazastreifen eine Kollektivstrafe für den Hamas-Terror sei, die alle Menschen dort treffe.

Jordanien befürchtet bereits die Ausweitung des Krieges und hat die USA um die Stationierung von Patriot-Raketen gebeten. Die USA verstärkten unterdessen ihre Marineeinheiten im östlichen Mittelmeer. Über dem Roten Meer wurde ein Geschoss abgefangen, das von Huthi-Rebellen aus Jemen Richtung Israel abgefeuert worden sein soll. Auch mit Rücksicht auf arabische Reaktionen dürfte die israelische Armee auf den Begriff "große Bodenoffensive" im Gazastreifen verzichten.

Zumal sich die Zusammenstöße im Westjordanland intensivieren, auch hier gibt es mehrere Fronten: zwischen israelischen Sicherheitskräften und Gruppen radikaler Palästinenser, zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern. Die Bilder von Übergriffen der Siedler zeigten Wirkung und hatten kritische Worte zur Folge: Die Bundesregierung in Berlin rief Israel dazu auf, alles zu unternehmen, um die Palästinenser vor den Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Auch diesen Kampf um Boden gibt es.

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