Nahost-Konflikt:"Wir haben Israel im Stich gelassen"

Lesezeit: 3 min

Johann Wadephul, CDU-Fraktionsvize, will, dass die Regierung Ihr Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen im Bundestag erklärt. (Foto: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)

Die Union will die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung über eine Gaza-Resolution in der UN-Generalversammlung nicht auf sich beruhen lassen. Sie fordert eine Erklärung im Bundestag.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, sagte der Süddeutschen Zeitung, die Enthaltung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen sei "eine schwere Fehlentscheidung der Bundesregierung".

Deutschland hatte sich am vergangenen Freitag in einer Sondersitzung der UN-Generalversammlung zwar für einen Änderungsantrag Kanadas eingesetzt, der eine klare Verurteilung des Terrorangriffs der Hamas sowie eine deutliche Formulierung zur sofortigen Freilassung der von der islamistischen Terrorgruppe verschleppten Geiseln zum Ziel hatte. Nachdem dieser die nötige Zweidrittelmehrheit äußerst knapp verfehlt hatte, enthielt sich die Bundesregierung aber in der Abstimmung über die von Jordanien eingebrachte Resolution.

"Wir erwarten dazu eine Erklärung vor dem Parlament in der nächsten Woche", sagte Wadephul. Die Frage sei, "ob wir weiter von dem Konsens ausgehen können, der Grundlage des fraktionsübergreifenden Israel-Antrags war". Diese Frage stelle sich bedauerlicherweise. Denn mit der Enthaltung "haben wir Israel und die USA zugleich im Stich gelassen". Die USA und 13 weitere Staaten hatten gegen die rechtlich nicht bindende Resolution gestimmt, unter ihnen die EU-Mitglieder Kroatien, Österreich, Tschechien und Ungarn.

Kein Frieden mit der Hamas

Die UN-Resolution habe "keine einzige Maßnahme enthalten, um den Hamas-Terror zu beenden", kritisierte Wadephul. Deswegen hätte die Bundesregierung nie zustimmen können. Mit der Hamas "gibt es keine friedliche Beilegung des Konflikts", fügte er hinzu. Die Resolution der UN-Generalversammlung verlangt dagegen eine sofortige humanitäre Feuerpause, die zu einer Einstellung der Feindseligkeiten führen müsse.

Vereinte Nationen
:Scholz verteidigt Enthaltung bei Nahost-Resolution der UN

Der Text nennt die Terrorgruppe Hamas nicht explizit. Israels Botschafter und der Zentralrat der Juden kritisieren das deutsche Abstimmungsverhalten.

Von Paul-Anton Krüger

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erwägen die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP zusammen mit der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, einen weiteren gemeinsamen Antrag zu beschließen, der das Verhältnis zu Israel sowie den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland zum Inhalt haben soll und auch auf den 9. November Bezug nehmen soll, den Tag der Reichspogromnacht, in der die Nazis 1938 Synagogen niederbrannten und jüdische Einrichtungen und Bürger attackierten. Daran will die Union trotz der Irritation über die Enthaltung der Bundesregierung aber offenbar festhalten.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte nach der Abstimmung in der UN-Generalversammlung erklärt, gemeinsam mit "unseren Partnern haben wir intensiv darauf hingearbeitet, zu einer ausgewogenen Nahost-Resolution zu kommen". Man habe erreichen können, dass wichtige Punkte wie eine klare Verurteilung aller Terrorakte und zumindest ein Ruf nach Freilassung der Geiseln in den Text Eingang gefunden hätten.

Einsatz für humanitären Zugang nach Gaza

In der Resolution ist eine allgemeine Verurteilung "aller Gewaltakte gegen palästinensische und israelische Zivilisten, einschließlich aller Terrorakte" enthalten. Mit Blick auf die von der Hamas und ihren Verbündeten verschleppten Geiseln fordert die UN-Generalversammlung lediglich die "sofortige und bedingungslose Freilassung aller widerrechtlich gefangengehaltenen Zivilisten". Weder wird die Hamas adressiert noch taucht der Begriff Geiseln auf.

Die Bundesaußenministerin sagte weiter, weil die Resolution den Terror der Hamas nicht klar beim Namen nenne, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordere und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftige, "haben wir mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen". Neben Deutschland enthielten sich weitere 14 EU-Mitgliedstaaten, darunter Italien, die Niederlande und Polen. Frankreich, Spanien und Belgien waren unter den 121 Staaten, die der Resolution zustimmten, ebenso Irland, Luxemburg, Malta, Portugal und Slowenien.

Baerbock begründete die Enthaltung auch damit, dass die Hamas versuche, einen "Keil des Hasses" zwischen die westlichen und die gemäßigten arabischen Staaten zu treiben, die Friedensverträge mit Israel geschlossen haben oder im Zuge der von den USA vermittelten Deklaration "Abraham Accords" ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben oder dies erwogen haben, wie zuletzt auch Saudi-Arabien. Das "Drehbuch und Kalkül der Terroristen" dürfe nicht aufgehen, sagte sie. Ein "zentraler Bestandteil der Sicherheit Israels" sei daher, dass "wir das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser sehen". Deshalb setze sich Deutschland für eine Verbesserung der humanitären Lage der Menschen in Gaza ein.

Scholz verteidigt Enthaltung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), mit dem das Votum abgestimmt war, hatte am Rande seiner Afrika-Reise das Abstimmungsverhalten gegen Kritik des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor, und des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, verteidigt. Auch von der FDP gab es Kritik an der Entscheidung, allerdings war das Bundesfinanzministerium von Parteichef Christian Lindner über die Abstimmung zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt informiert worden und hatte dem nicht widersprochen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrieg in Nahost
:"Die Hamas ist eine erneuerte Version des IS"

Die Terrororganisation hat Israel mit dem Massaker am 7. Oktober tief erschüttert. Was treibt die Machthaber im Gazastreifen eigentlich an? Und wer unterstützt sie?

Von Alexandra Föderl-Schmid und Peter Münch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: