Vereinte Nationen:Scholz verteidigt Enthaltung bei Nahost-Resolution der UN

Lesezeit: 3 min

Insgesamt 45 Länder enthalten sich bei der Abstimmung über die Nahost-Resolution in der Vollversammlung der Vereinten Nationen. (Foto: Bebeto Matthews/dpa)

Der Text nennt die Terrorgruppe Hamas nicht explizit. Israels Botschafter und der Zentralrat der Juden kritisieren das deutsche Abstimmungsverhalten.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Enthaltung Deutschland bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung zu einer umstrittenen Resolution zum Krieg im Nahen Osten verteidigt. Deutschland habe "hart daran gearbeitet, einen Beschluss der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu erreichen, der der Situation gerecht wird", sagte Scholz am Rande seines Besuchs in Nigeria. "Als uns das nicht gelungen ist, haben wir uns der Stimme enthalten." Es sei in den Verhandlungen vor allem darum gegangen, nicht außer Acht zu lassen, "dass es sich um eine Aggression handelte, eine brutale mörderische Aggression der Hamas, die viele Menschen, Kinder, Babys, Großväter und Großmütter getötet hat", betonte Scholz. "Das kann nicht akzeptiert werden, und wir werden Israel ganz deutlich dabei unterstützen, seine eigene Sicherheit zu verteidigen."

Ähnlich äußerte sich am Montag in Berlin der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Deutschland habe Verbesserungen an dem von Jordanien eingebrachten Text erreicht. Allerdings sei es nicht gelungen, einen von Kanada vorgelegten Änderungsantrag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit durchzusetzen. Dieser hatte eine klare Verurteilung der Hamas ebenso zum Ziel wie eine Formulierung, die deutlicher dazu aufgerufen hätte, die von der Hamas verschleppten Geisel sofort und bedingungslos freizulassen. In der von 120 Staaten angenommenen Resolution ist lediglich von der "Freilassung von Zivilisten, die illegal festgehalten werden" die Rede. Auch gibt es in dem Text keine explizite Verurteilung der Hamas.

Baerbock bemängelt auch, dass Israels Selbstverteidigungsrecht nicht bekräftigt wird

Baerbock hatte nach der Abstimmung am Freitag in New York erklärt, weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nenne, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordere und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigte, haben sich die Bundesregierung "mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen", ebenso wie etwa die G-7-Staaten Italien, Japan und Großbritannien sowie die Mehrheit der EU-Staaten. 45 Staaten hatten sich enthalten, 14 stimmten gegen die Resolution, unter ihnen die USA und die EU-Mitglieder Kroatien, Österreich, Tschechien und Ungarn. Andere EU-Staaten, vor allem Frankreich, Spanien und Belgien stimmten dagegen für den Text. Frankreichs Botschafter bei den UN sagte, sein Land stimme dem Text zu, weil "nichts das Leiden von Zivilisten rechtfertigen könne". Somit zeigten sich sowohl die Europäische Union als auch die G7 gespalten.

Die UN-Resolution werde der Lage nicht gerecht, erläuterte Bundeskanzler Olaf Scholz die deutsche Enthaltung am Rande seines Besuchs in Nigeria. (Foto: KOLA SULAIMON/AFP)

Ein weiteres Argument aus dem Auswärtigen Amt für die Enthaltung ist der Versuch, zu verhindern, dass es zu einer Spaltung der moderaten arabischen Staaten und dem Westen kommt. Die Terror-Angriffe der Hamas hätten "weltweit tiefe Gräben aufgerissen", sagte Baerbock. Das sei "Drehbuch und Kalkül der Terroristen, die einen Keil des Hasses zwischen uns treiben wollen". Es sei ein "zentraler Bestandteil der Sicherheit Israels, dass wir das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser sehen", fügte sie hinzu. Deshalb setze sich die Bundesregierung für eine Verbesserung der humanitären Lage der Menschen in Gaza ein.

Zugleich müsse man an die Zeit nach dem Krieg denken und die Notwendigkeit einer politischen Lösung nach der Ablösung der Hamas-Herrschaft über den Gazastreifen, so der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die Bundesregierung hat sich bisher etwa im Zuge des sogenannten Kleeblattformats mit Frankreich, Jordanien und Ägypten für Frieden und Stabilität in Nahen Osten eingesetzt und dabei immer an einer Zweistaatenlösung festgehalten, zugleich aber die Annäherung arabischer Staaten im Zuge der von den USA vorangetriebenen Abraham Accords begrüßt. Saudi-Arabien hat seine Gespräche mit Israel über eine Normalisierung der Beziehungen aber gestoppt.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kritisierte das Votum der Bundesregierung. Man brauche Deutschlands Unterstützung in den Vereinten Nationen, sagte er. "Ein Abstimmungsverhalten, sich zu enthalten, weil man nicht direkt sagen kann, dass Hamas für diese grausame Massaker verantwortlich ist, ist nicht genug." Seit Jahren reflektiere das Abstimmungsverhalten Deutschlands bei den UN "nicht das besondere Verhältnis unserer beider Staaten", sagte Prosor der Rheinischen Post. Israel werde seit Jahren dämonisiert und delegitimiert. "Wir sind aber ein demokratischer Staat. Nur werden wir oft wie keiner behandelt."

Die FDP nennt das Votum "nicht nachvollziehbar". Doch ihr Chef war informiert

Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Wenn es in der UN darauf ankommt, hat Deutschland ausgerechnet jetzt keine klare Haltung gegen die Relativierung des Hamas-Terrors", sagte dessen Präsident, Josef Schuster, der Bild-Zeitung. Er erkenne zuweilen dieses Land nicht wieder, fügte Schuster mit Blick auf öffentlich aufflammenden Judenhass und Israelfeindlichkeit in Deutschland hinzu.

Kritik kam auch aus der Ampel-Koalition selbst. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte "das Votum des Außenministeriums enttäuschend und nicht nachvollziehbar". FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte dazu am Sonntagabend in der ARD, er habe mit Baerbock dazu noch nicht sprechen können. "Ich nehme nur wahr, dass die Hamas das Votum feiert und Israel stark kritisiert."

Über die Kritik aus den eigenen Reihen gab es bei den anderen Koalitionspartnern Verwunderung. Das Abstimmungsverhalten sei zwischen Außenministerin Baerbock und Kanzler Scholz abgestimmt gewesen, wie der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner bestätigte. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung war aber auch Lindners Haus auf dem in solchen Fällen üblichen Weg, also auf hoher Ebene, und mit mehreren Stunden Vorlauf über die Entscheidung informiert worden, hatte jedoch keine Einwände geltend gemacht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrieg in Nahost
:"Die Hamas ist eine erneuerte Version des IS"

Die Terrororganisation hat Israel mit dem Massaker am 7. Oktober tief erschüttert. Was treibt die Machthaber im Gazastreifen eigentlich an? Und wer unterstützt sie?

Von Alexandra Föderl-Schmid und Peter Münch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: