Palästinenser in Deutschland:Sanktionen für Hamas-Unterstützer gefordert

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Wird Innenministerin Nancy Faeser Organisationen wie das Netzwerk "Samidoun" jetzt schnell verbieten lassen? (Foto: Stefanie Loos/AP)

Auf deutschen Straßen wird der Terror gegen Israel gefeiert. Jetzt fordern Experten der Ampelparteien und der CDU von Innenministerin Faeser Vereinsverbote.

Von Markus Balser und Christoph Koopmann, Berlin/München

Der Jubel ist groß. Menschen verteilen Süßigkeiten, schwenken palästinensische Flaggen, skandieren "Free Palestine" - nur Stunden, nachdem Terroristen der palästinensischen Hamas Hunderte Israelis getötet haben. Rege beteiligt an der Demonstration am Samstag in Berlin-Neukölln ist das Netzwerk "Samidoun", eine Organisation, die sich offiziell als Solidaritätsbewegung für inhaftierte Palästinenser bezeichnet. Sie stellt Videos ins Internet von den Straßenszenen.

Auf den Kanälen von Samidoun im Netz wird klar, dass es nicht nur um humanitäre Zwecke geht: Die Angriffe der Hamas umschreibt man hier mit "Palästina befreit sich", so steht es in einem Aufruf zu einer Pro-Palästina-Demonstration in Duisburg diese Woche, die Samidoun auf Instagram teilt. In einem Statement zum "palästinensischen Widerstand" auf der Website ist von Israel nur die Rede als "der zionistische Feind". Am Ende steht: "Gnade den Märtyrern."

Faeser müsse "jetzt handeln", verlangt die Grüne Lamya Kaddor

Deshalb mehren sich jetzt die Forderungen, das Samidoun-Netzwerk zu verbieten. Politiker der Ampelparteien und der Union fordern in seltener Einigkeit, dass das Bundesinnenministerium auch Verbote gegen weitere Organisationen prüft, die der Hamas nahestehen.

"Die Bundesregierung darf nicht akzeptieren, dass hierzulande Netzwerke agieren können, die solche barbarischen Terrortaten, wie wir sie derzeit in Israel von Raketenangriffen über bewaffnete Überfälle, Geiselnahmen, Demütigungen bis hin zu Leichenschändungen erleben, unterstützen", sagte die Innenpolitikerin Lamya Kaddor von den Grünen. "Die Bundesinnenministerin muss jetzt handeln und vereinsrechtliche Maßnahmen bis hin zu Verboten in den Blick nehmen", mahnt Kaddor.

Innenexperte Manuel Höferlin von der FDP sagt: "Es ist unfassbar, dass auf den Straßen Deutschlands offen die brutalen Attacken auf Israel gefeiert und terroristische Angriffe hierzulande bejubelt werden. International aber auch national benötigen wir schnellstmöglich Sanktionen gegen die Unterstützergruppierungen." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse Verbote prüfen. SPD-Co-Parteichefin Saskia Esken hatte sich am Montag bei Welt TV bereits klar für Verbote ausgesprochen.

Auch der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries sagt, es müssten "alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden für ein Verbot der Organisationen sowie ihrer Symbole, aber auch von Äußerungen, die die Existenz und Sicherheit Israels in Frage stellen". Das gelte für Samidoun genauso wie für die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), zu der Samidoun enge Kontakte pflegen soll.

Hamas-Flaggen und andere Kennzeichen sind in Deutschland bereits verboten

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben die Anhänger der palästinensischen Terrororganisation PFLP in Deutschland wegen ihrer Kontakte und ihrer israelfeindlichen wie antisemitischen Propaganda schon länger im Blick. Ebenfalls zum Netzwerk der radikalen Palästinenser gehört die "Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland", in der sich nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden vor allem Hamas-Anhänger tummeln.

Die Hamas selbst ist in Deutschland nicht verboten, gilt aber offiziell als Terrorgruppe. Die Verwendung ihrer Kennzeichen, etwa Flaggen, ist seit 2021 strafbar. Das Innenministerium hat in den vergangenen gut 20 Jahren auch mehrere Vereine verboten, die Spenden für die Hamas gesammelt hatten. Die Organisation soll laut Verfassungsschutz etwa 450 Mitglieder und Anhänger in Deutschland haben.

Der Blick der deutschen Innenpolitiker geht auch in Richtung der internationalen Unterstützer der Hamas: Die libanesische Hisbollah hat der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) bereits 2020 verboten. Und das aus Iran gesteuerte Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ist schon seit Jahren im Visier des Verfassungsschutzes. Der Inlandsnachrichtendienst hält das Zentrum - neben der Botschaft - für den wichtigsten Außenposten des iranischen Regimes in Deutschland und für ein zentrales Propagandazentrum für ganz Europa. Teheran unterstützt die Ziele der Hamas. Deutsche Behörden hatten den Vizechef des IZH bereits 2022 ausgewiesen, er soll Terrororganisationen und Terrorfinanzierer unterstützt haben. Noch immer ist das IZH jedoch nicht verboten.

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Der CDU-Innenpolitiker de Vries sagt, das Verbot sei "überfällig". "Alle Fakten liegen auf dem Tisch." Aber es gebe in der Ampelkoalition "keine Strategie, keinen Maßnahmenplan und keinen politischen Willen", Islamismus und muslimischen Antisemitismus wirksam zu bekämpfen. Dabei ist auch die Grüne Lamya Kaddor dafür, Sanktionen bis hin zum Verbot des IZH in den Blick zu nehmen.

Das Innenministerium aber bleibt allgemein. Vor dem Hintergrund der Hamas-Attacken und der Solidaritätsaktionen in Deutschland seien die Sicherheitsbehörden "seit Samstag zusätzlich sensibilisiert und treffen, wo dies erforderlich ist, weitere Maßnahmen". Der Verfassungsschutz habe auch das IZH "sehr genau im Blick". Zu möglichen Vereinsverboten will sich Faesers Haus aber grundsätzlich nicht äußern. Sicherheitsbehörden nähmen die islamistische Szene noch stärker ins Visier, um Reaktionen auf den Terror der Hamas sofort zu erkennen und jede Unterstützung zu unterbinden, sagte Faeser am Abend den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, ohne auf konkrete Maßnahmen wie Verbote einzugehen. "Alle polizeilichen Möglichkeiten müssen genutzt werden, um sofort hart einzuschreiten", sagte Faeser an die Adresse der Länder.

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