Haushaltsdebatte:Die Einsamkeit des Sparers

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Hubertus Heil hat schon ahnen können, dass das kein guter Tag für ihn wird: Der Arbeitsminister muss am Freitag im Bundestag über Kürzungen sprechen. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Arbeitsminister Hubertus Heil ruft mit seinen Sparplänen für Arbeitslose und Jobcenter Kritik im Bundestag hervor. Nicht nur die Opposition ist unzufrieden.

Von Roland Preuß, Berlin

Hubertus Heil versucht die Richtung gleich mal mit einem Angriff vorzugeben. "Arbeit macht den Unterschied, und Arbeit lohnt sich", sagt der Bundesarbeitsminister am Freitag im Bundestag - um sich dann Friedrich Merz und die Unionsfraktion vorzuknöpfen. Einige würden wegen der geplanten Anhebung des Bürgergelds jetzt so tun, als gelte das nicht mehr. "Das ist falsch - die Regelsätze beim Bürgergeld sichern das Existenzminimum, nicht mehr und nicht weniger", sagt Heil.

Der Arbeitsminister von der SPD verteidigt vor dem Parlament seinen Etat, mit fast 172 Milliarden Euro der größte Posten im Bundeshaushalt. Und einer der umstrittensten. Nach Heils Worten polemisiert Merz mal wieder gegen angebliche Faulenzer, will den Bürgergeldbeziehern ans verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum - und das, obwohl die Union der Methode, wie das Bürgergeld angehoben werden soll, im vergangenen Jahr selbst zugestimmt hat. Der deutlichen Erhöhung des Mindestlohnes, in dieser Wunde bohrt Heil auch, dagegen nicht.

Heil wirft Merz vor, "gesellschaftliches Gift" auszustreuen

Merz hatte wiederholt die geplante Anhebung des Bürgergeldes Anfang 2024 um etwa zwölf Prozent kritisiert, diejenigen, die arbeiten, müssten am Ende des Monats "mehr Geld in der Tasche haben" als diejenigen, die soziale Transferleistungen bekommen, sagte er. Heil sagt nun zu Merz: Es sei "gesellschaftliches Gift, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen bedürftige Menschen auszuspielen." Mit dieser Vorlage ist Heil noch erfolgreich im Bundestag. "Das ist nicht richtig und das wissen Sie", wird der grüne Sozialpolitiker Markus Kurth wenig später Merz zurufen, die Linken-Fraktionsvize Gesine Lötzsch ihm vorwerfen, er hetze "Arme gegen die Armen auf".

Die Union aber denkt nicht daran, sich weiter mit diesen Argumenten zu beschäftigen. Fraktionsvize Hermann Gröhe zielt lieber auf die ungeschützten Stellen, die Heils Sparpläne bei Jobcentern und Bürgergeld bieten. "Sie fahren Ihre eigene Reform gegen die Wand", ruft Gröhe. "Sie können den Jobcentern nicht mehr Aufgaben und weniger Geld geben." Heil schwäche die Möglichkeiten, Arbeitslose in Arbeit zu bringen.

Unter den Sparvorgaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte Heil entschieden, für die Verwaltung und Arbeitsmarktprogramme der Jobcenter 400 Millionen Euro weniger vorzusehen. Weitere 900 Millionen Euro will er dadurch einsparen, dass arbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren künftig von den Arbeitsagenturen betreut werden statt von den Jobcentern. Damit müsste für die Kosten nicht mehr der Bund aufkommen, sondern die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung.

"Sie zerschlagen Hilfsnetze für jugendliche Arbeitslose", sagt Gröhe

Hier hatten schon Proteste von Jobcentern, Kommunalverbänden und sogar parteiübergreifend der Landesarbeitsminister die Vorlage für Gröhe geliefert. "Sie kennen alle die Brandbriefe", sagt Gröhe. "Sie zerschlagen Hilfsnetze für jugendliche Arbeitslose."

Eigentlich hatte die Bundesregierung mit dem Bürgergeld das Versprechen verknüpft, dass Arbeitslose besser gefördert und weniger sanktioniert werden. Arbeitslose ohne Berufsausbildung sollten öfter die Chance erhalten, Schul- und Berufsabschluss nachzuholen, statt von einem prekären Job zum nächsten vermittelt zu werden. Solche späten Bildungskarrieren aber kosten Geld, etwa für Fortbildungskurse oder Zuschüsse an Arbeitgeber. Hinzu kommt der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, der die Jobcenter allein schon mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr kosten dürfte.

Die Kritik der Union an all dem könnte Heil egal sein, wenn die Koalitionäre geschlossen hinter ihm stehen würden. Doch so ist es nicht. Kein einziger Redner von SPD, Grünen und FDP verteidigt am Freitag die Pläne des Ministers, im Gegenteil. Die Kritik an den geplanten Umstrukturierungen "müssen wir ernst nehmen", sagt der grüne Arbeitsmarktexperte Kurth.

Sparmaßnahmen oder Verschiebebahnhof, fragt sich die FDP

Die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Raffelhüschen sagt, es müsse geklärt werden, ob es sich bei Heils Vorhaben um wirkliche Sparmaßnahmen "oder einen Verschiebebahnhof handelt", also ein Abwälzen der Kosten auf die Beitragszahler der Sozialkassen. Sogar SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt fordert eine "anständige Finanzierung" der Jobcenter. "Da ist noch was zu tun".

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Hubertus Heil hat schon ahnen können, dass das kein guter Tag für ihn wird. Am Morgen wird ein Bericht des Bundesrechnungshofes bekannt, der seine Sparpläne ebenfalls kritisch sieht. Auf die Bundesagentur für Arbeit, so heißt es da, kämen durch die Übernahme der jungen Arbeitslosen von 2025 an "weitere Belastungen von mindestens 1 Mrd. Euro jährlich zu" - bei Einsparungen von 900 Millionen für den Bundeshaushalt. "Dann", sagt die FDP-Haushälterin Raffelhüschen, "hätten wir gar nichts gewonnen."

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