Subventionen:Milliarden für weitere Chipfabrik

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Die Bundesrepublik sei ein attraktiver Standort, gerade auch bei Schlüsseltechnologien, findet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Foto: Marijan Murat/dpa)

Der taiwanische Konzern TSMC will eine Fertigungsanlage in Dresden bauen. Die Bundesregierung gewährt hohe Subventionen, um Lieferengpässe wie zu Corona-Zeiten künftig zu vermeiden.

Von Claus Hulverscheidt und Helmut Martin-Jung, Berlin/München

Dass die Politik riesige Geldbeträge ausgibt, ist nach anderthalb Krisenjahrzehnten oft kaum noch eine Meldung wert. Und doch sind fünf Milliarden Euro immer noch eine Summe, mit der sich so einiges anstellen ließe. Man könnte beispielsweise eine 7000 Kilometer lange Bahnstrecke damit bauen. Oder, je nach Größe, 50 oder gar 100 Schulen errichten. Oder aber eine Fabrik zur Produktion von Computerchips bezuschussen, wie es jetzt die Bundesregierung entschieden hat: Nach dem US-Halbleiterhersteller Intel nämlich soll auch der taiwanische Großkonzern TSMC Subventionen in Milliardenhöhe erhalten, wenn er, wie am Dienstag angekündigt, eine umfassende Fertigungsanlage in Deutschland aufbaut.

Konkret will TSMC gemeinsam mit den deutschen Technologiefirmen Bosch und Infineon sowie dem niederländischen Chiphersteller NXP eine Halbleiterfabrik in Dresden errichten. Geplant sind Investitionen in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro, etwa fünf Milliarden davon sollen aus der Staatskasse kommen. Mitte Juni hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits Intel Subventionen in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro zugesagt. Der US-Konzern will am Standort Magdeburg insgesamt rund 33 Milliarden Euro in die Chip-Fertigung investieren.

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Die gigantischen Staatshilfen machen einmal mehr deutlich, dass Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SPD) offenbar keine Summe zu hoch ist, um Deutschland und Europa schrittweise aus der immensen Abhängigkeit von Chip-Lieferungen aus Asien und den USA zu lösen. Chips gelten als wichtigstes Bauteil der Zukunft, sie stecken schon heute nicht nur in Autos und Computern, sondern in zahllosen Alltagsgeräten - von medizinischen Apparaten über Waschmaschinen bis hin zum Fön. Die Subventionen sind zudem eine Reaktion auf den sogenannten Inflation Reduction Act der US-Regierung, der massive Steuervorteile für zukunftsträchtige Schlüsselindustrien vorsieht und Unternehmen aus aller Welt anlocken soll. Bundeskanzler Scholz sagte, die Ansiedlung von TSMC in Dresden sei ein wichtiger Schritt zur "Zukunftsfähigkeit Deutschlands". "Deutschland entwickelt sich jetzt wahrscheinlich zu dem großen Standort für die Halbleiterproduktion in Europa", so Scholz.

Welch gravierende Folgen es hat, wenn gerade Halbleiterlieferungen ausbleiben, hatte sich während der Corona-Pandemie gezeigt, als deutsche Autohersteller wegen des Chipmangels die Produktion teilweise einstellen mussten. Im Falle einer noch größeren Krise, etwa eines chinesischen Überfalls auf Taiwan, wären die Folgen wohl noch dramatischer. Die EU will deshalb den stark geschrumpften Anteil Europas an der weltweiten Halbleiterproduktion bis 2030 wieder auf 20 Prozent erhöhen.

TSMC baut genau jene Chips, die die deutsche Autoindustrie dringend benötigt

Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, kurz TSMC, ist bei diesem Vorhaben der vielleicht wichtigste Partner. Der Konzern ist mit Kunden wie Apple, AMD oder dem Grafikspezialisten Nvidia nicht nur der weltweit größte unabhängige Auftragsfertiger für Chips, sondern auch technologisch führend. So beherrscht TSMC modernste Produktionsprozesse, bei denen Milliarden von Halbleitern auf Flächen von der Größe eines Fingernagels untergebracht werden. In Dresden sollen allerdings keine High-End-Produkte hergestellt werden, sondern solche mit etwas gröberen Strukturen - und damit genau jene Chips, die der deutschen Autoindustrie während der Pandemie gefehlt hatten. Die Standortentscheidung des Konzerns ist damit in der Praxis womöglich noch bedeutsamer für Deutschland als das dreimal so große Investitionsvorhaben von Intel.

Entsprechend begeistert zeigte sich Habeck. "Eine robuste heimische Halbleiterproduktion ist von besonderer Bedeutung für unsere globale Wettbewerbsfähigkeit, denn Halbleiter halten unsere Welt am Laufen und machen die Transformation hin zur Klimaneutralität erst möglich: Ohne sie läuft kein Computer, fährt kein Auto, können weder Wind- noch Solaranlagen Energie produzieren", erklärte der Minister. "Die Investition von TSMC wird daher substanziell dazu beitragen, die Versorgung Deutschlands und Europas mit Halbleiterchips zu sichern." Zudem erweise sich die Bundesrepublik einmal mehr als attraktiver Standort, gerade auch bei Schlüsseltechnologien. "Das bedeutet aber nicht, dass wir in unseren Bemühungen nachlassen dürfen. Wir arbeiten daran, die Rahmenbedingungen für solche Großinvestitionen weiter zu verbessern, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen", so der Minister.

Habeck zufolge sind in Deutschland derzeit mehr als zwei Dutzend Großprojekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt rund 80 Milliarden Euro geplant. Dazu zählen auch Vorhaben, die noch nicht öffentlich bekannt sind. Nach Angaben aus Regierungskreisen kommen die investitionswilligen Firmen aus den Bereichen Mikroelektronik, Batteriezellfertigung, Stahlerzeugung, Arzneimittelforschung, Biochemie, Wasserstofferzeugung, Schiffs- und Rüstungs- sowie Schuh- und Lederwarenindustrie. "Diese Unternehmen wollen hier investieren und werden Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen. Die Projekte nehmen Schritt für Schritt Gestalt an", hieß es in den Kreisen.

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