Gazastreifen:Vier deutsche Staatsangehörige frei

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Die Geiseln wurden nach ihrer Freilassung unter anderem in das medizinische Zentrum in Petach Tikwa nahe Tel Avivs gebracht. (Foto: Erik Marmor/Getty Images)

Zwei Frauen und zwei Kinder mit deutschem Pass sind unter der ersten Gruppe von Geiseln der Hamas, die nach Israel heimkehrt. Die Bundesregierung hat sich für ihre Freilassung eingesetzt.

Von Tomas Avenarius und Paul-Anton Krüger

Yoni Asher hat seinen persönlichen Kampf doch noch gewonnen: Als am Freitagabend endlich die Namen der ersten 13 von der Hamas freigelassenen israelischen Geiseln bekannt wurden, waren auch die von seiner Ehefrau Doron Katz-Asher , 34, und seine zwei und vier Jahre alten Töchter Aviv und Raz dabei. Der Vater hatte seine Angehörigen am 7. Oktober auf einem von der Hamas verbreiteten Video erkannt, in dem zu sehen war, wie sie von Bewaffneten auf einem Pick-Up verschleppt wurden. In Interviews, unter anderen auch mit der Süddeutschen Zeitung, hatte Asher, 37, immer wieder gesagt: "Ja, ich bin sicher, dass sie leben. Und deshalb gibt es eine Chance, sie zu retten."

Ashers 67 Jahre alte Schwiegermutter Efrat Katz war bei dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober im Süden Israels ebenfalls entführt worden. Sie wurde von den Terroristen ermordet. Dies wurde aber erst später bekannt. Ashers Frau wie auch die beiden Töchter und die Schwiegermutter sind Doppelstaater mit deutscher Staatsangehörigkeit. Deshalb hatte der Unternehmer nichts unversucht gelassen, mit möglichst großer Öffentlichkeit und vielen Interviews die deutsche Regierung ins Boot zu holen.

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Er hatte bei Treffen der Angehörigen der Geiseln in Israel sowohl mit Bundeskanzler Olaf Scholz als auch mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gesprochen. Zudem hatte er bei einer Solidaritätsveranstaltung am Brandenburger Tor vor Tausenden von Menschen auf das Schicksal seiner Familie aufmerksam gemacht.

Eine offizielle Bestätigung der Bundesregierung für die Freilassung der Familie stand zunächst aus. Baerbock äußerte sich dann am Freitagabend beim Grünen-Parteitag in Karlsruhe: "Ich bin unendlich erleichtert, das soeben 24 Geiseln aus Gaza frei gekommen sind, darunter vier Deutsche." Ihr Dank gelte ihrem katarischen Ministerkollegen und dem Internationalen Roten Kreuz. Weiter seien aber mehr als 200 Menschen - auch Kinder - in den Händen der Hamas. So sehr dies ein Tag der Hoffnung sei, sei es noch kein Tag des Aufatmens.

Nach übereinstimmenden Informationen israelischer Medien und der Süddeutschen Zeitung hat die Familie von Yoni Asher zusammen mit Margalit Mozes, 78, die Grenze vom Gazastreifen in Rafah nach Ägypten überschritten und wurde von dort nach Israel gebracht. Alle vier sind auch israelische Staatsbürger und waren am 7. Oktober beim Terrorangriff der Hamas aus dem Kibbuz Nir Oz in den Gazastreifen verschleppt worden. Ägyptische Fernsehsender zeigten Bilder, wie die Geiseln die Grenze in Rafah passierten. Andere Bewohner von Nir Oz identifizierten darauf einen Großteil der insgesamt 13 freigelassenen Geiseln.

Die Bundesregierung hatte sich intensiv für die Freilassung der Geiseln mit deutscher Staatsangehörigkeit eingesetzt. Außenministerin Baerbock hatte unmittelbar nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober einen Sonderkrisenstab eingerichtet. Das Team unter Leitung des Krisenbeauftragten des Auswärtigen Amtes, Jens Jokisch, arbeitet seither rund um die Uhr an der Befreiung der Geiseln. Eng eingebunden sind die Sicherheitsbehörden, also Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst. Der Sonderstab hält engen Kontakt zu den Angehörigen der Verschleppten und mit den Akteuren, die an den Verhandlungen mit der Hamas und anderen militanten Palästinensergruppen beteiligt sind.

Das Auswärtige Amt hat dazu eigenes Personal nach Israel abgestellt, wo Militär und Geheimdienste daran gearbeitet haben, die Geiseln zu lokalisieren. Zudem stehen die Diplomaten in ständigem Austausch mit Katar, dessen Premier- und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani der wichtigsten Verhandlungsführer mit der Hamas ist; die politische Führung der Terrororganisation ist in Doha ansässig. Baerbock traf ihn zuletzt am 11. November in der saudischen Hauptstadt Riad, am Rande des gemeinsamen Gipfeltreffens von Arabischer Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit. Eng ist auch die Abstimmung mit Ägypten, dessen Militärgeheimdienst ebenfalls Kontakte zu militanten Gruppen im Gazastreifen hat.

Die Regierung ist mit Informationen zu den Verschleppten zurückhaltend

Baerbock hatte bereits bei ihrem ersten Besuch in Israel wenige Tage nach dem Terrorangriff Angehörige von Menschen getroffen, die von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden waren, ebenso bei den zwei weiteren Reisen in die Region seither und auch in Berlin. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich unter den etwa 240 Geiseln insgesamt eine niedrige zweistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger befindet, mehrere Frauen wurden zusammen mit ihren Kindern verschleppt. Alle Betroffenen haben auch einen israelischen Pass.

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Die Bundesregierung ist mit Informationen zu den Betroffenen sehr zurückhaltend, um die Geiseln und deren Familien zu schützen. Öffentlich gewordene Informationen können die Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln belasten, die im Gazastreifen festgehalten werden. Darauf haben an den Gesprächen beteiligte Diplomaten wiederholt hingewiesen.

Eines der Probleme ist, dass sich die Menschen in der Gewalt mehrerer verschiedener Terror-Gruppen, aber auch krimineller Clans und an verschiedenen Orten befinden. Vereinbarungen mit einer Gruppe können sich auf Gespräche mit einer anderen auswirken, die von Israel die Freilassung Gefangener und andere Gegenleistungen fordern. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wollen bei ihrer bevorstehenden gemeinsamen Reise nach Israel Angehörige der Geiseln treffen.

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