Nahost-Konflikt:Die Rolle des Vermittlers Katar

Lesezeit: 3 min

Will auf der globalen Bühne eine wichtige Rolle spielen: Emir Tamim bin Hamad al-Thani. (Foto: Saudi Press Agency/Imago)

Eine Feuerpause, ein Austausch von Geiseln und Häftlingen - dieser Einigung zwischen Israel und der Hamas darf sich wohl vor allem Katar rühmen. Wie kommt das kleine Emirat zu so viel Einfluss?

Von Bernd Dörries

Schon lange sollte es so weit sein, immer wieder hieß es, ein Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln stehen unmittelbar bevor. Aus Stunden wurden Tage, aus Tagen wurden Wochen. Eine Qual nicht nur für die etwa 240 Geiseln in den Händen von Hamas, dem Islamischen Dschihad und anderen Gruppen. Eine Qual auch für die Angehörigen der Verschleppten.

Nun sollen zumindest Frauen und Kinder frei kommen. Israels Regierung hat einer mehrtägigen Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von 50 israelischen Geiseln zugestimmt. Die Hamas bestätigte den Deal und kündigte zudem die Freilassung von 150 palästinensischen Häftlingen an.

Und alle baten Katar um Vermittlung

"Wir sind einer Einigung so nahe wie nie zuvor", kündigte Stunden davor der Sprecher des Außenministeriums von Katar, Madsched al-Ansari, an. Das Land am Golf gilt seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober und dem israelischen Gegenschlag als aussichtsreichster Vermittler. Das Emirat unter der Führung von Tamim bin Hamad al-Thani hat gute Drähte zu allen Konfliktparteien. Es beherbergt die politische Führung der Terrorgruppe Hamas und unterhält stabile Kontakte zu Iran. Gleichzeitig sind auf der Al Udeid Air Base, dem Stützpunkt der katarischen Luftstreitkräfte, US-amerikanische Truppen stationiert. Auch zu Israel, das in Doha ein Handelsbüro hat, unterhält Katar gute Beziehungen.

Seit zehn Jahren ist der Emir an der Macht, manchmal hat man das Gefühl, Katar sei für seine großen Ambitionen zu klein. Tamim hat es geschafft, die Fußball-Weltmeisterschaft in sein Land zu holen, das nur halb so groß ist wie Mecklenburg-Vorpommern und lediglich drei Millionen Einwohner hat. Mit dem Ukraine-Krieg wuchs die Bedeutung des Emirates als Gaslieferant, es hat weltweit die drittgrößten Reserven.

Aber erst durch den Krieg in Gaza scheinen sich die Ambitionen des Emirs zu verwirklichen, auf der globalen Ebene eine wichtige Rolle zu spielen. Immer wieder reisten in den vergangenen Wochen Spitzenpolitiker aus aller Welt nach Doha, von US-Außenminister Antony Blinken über Annalena Baerbock bis zum iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian. Zuletzt kam am Montag die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric Egger.

Und alle baten Katar um Vermittlung. Bereits Ende Oktober schien eine Einigung greifbar. "Es gab einige Fortschritte und Durchbrüche bei den Verhandlungen, vor allem, wenn wir vergleichen, wo wir angefangen haben und wo wir jetzt stehen", sagte der Sprecher des Außenministeriums damals. Danach passierte lange nichts. Jede militärische Eskalation in Gaza erschwerte die Einigung.

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Auch die Türkei und Ägypten hatten um die Vermittlerrolle gebuhlt

In Israel selbst sollen sich das Militär und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lange gegen eine Waffenruhe gewehrt haben. Einerseits, um der Hamas keine Möglichkeit zu geben, sich neu zu formieren; zum anderen, weil eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen von einem internationalen Aufschrei begleitet werden würde. Zuletzt hatten die Familien der Geiseln die Regierung immer lautstärker aufgefordert, alles zu tun, um ihre Angehörigen freizubekommen.

Auch innerhalb der Hamas soll zwischen der politischen Führung in Doha und der militärischen Leitung in Gaza nicht immer Einigkeit bestanden haben. Der häufige Ausfall der Mobilfunknetze hat die Kommunikation nicht erleichtert. Am 13. November wurde dann auch noch die Vertretung von Katar in Gaza von einer Rakete getroffen.

Die Verhandlungslösung ist für Katar ein großer Erfolg, auch wenn nicht alle Geiseln freikommen. Die Türkei und Ägypten hatten ebenfalls um die Vermittlerrolle gebuhlt. Für den Emir sind der Waffenstillstand und die Freilassung auch deshalb wichtig, weil zuletzt die Kritik daran gewachsen war, dass Katar Hamas-Führer wie Ismail Hanija beherbergt und die Terrororganisation lange finanziert hat. Mitte Oktober sagte US-Außenminister Blinken bei einem Besuch in Doha, mit der Hamas-Präsenz in Katar könne es nicht so weitergehen. Auch EU-Vertreter kritisierten, das Emirat habe nicht alle seine Möglichkeiten genutzt, um auf die Terrorgruppe einzuwirken.

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Katar entgegnete stets, dass die Gelder an die Hamas mit Zustimmung Israels geflossen seien, das so die rivalisierende Palästinensische Autonomiebehörde schwächen wollte. Und die Ansiedlung der Hamas am Golf sei 2012 auch mit Zustimmung der USA geschehen. Die politische Führung der Hamas war lange in Syrien verortet und musste, als sie sich im Arabischen Frühling gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad stellte, eine neue Zentrale suchen. Die USA favorisierten den Umzug nach Katar, weil sie zu dem Emirat bessere Beziehungen pflegten als etwa zu Libanon, das für die Hamas auch infrage gekommen wäre.

Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani erklärte die Präsenz der politischen Hamas-Führung im Emirat vor einigen Wochen so: Der Zweck bestehe darin, "zu kommunizieren und Frieden und Ruhe in die Region zu bringen, und nicht, einen Krieg anzuzetteln".

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